Pinneberg/Itzehoe. Obwohl die Verteidiger einen Freispruch gefordert hatten, verzichtet der Pinneberger auf eine Revision. Das sind die möglichen Gründe.

Elf Monate lang hatten die Verteidiger von Jamal H. für einen Freispruch gekämpft. Daraus wurde nichts. Der 22-Jährige wurde Mitte Dezember von der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe für eine Messerattacke am Bahnhof Pinneberg zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Überraschenderweise haben sich der Angeklagte und seine Verteidiger Lino Peters und Uwe Maeffert entschlossen, das wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ergangene Urteil nicht anzufechten. Jamal H. „hat das Urteil ausdrücklich angenommen“, teilt Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer auf Anfrage mit.

Messerattacke nach Rapvideodreh am Pinneberger Bahnhof: Urteil ist rechtskräftig

Weil auch die von Jan Hendrik Schwitters vertretene Staatsanwaltschaft einen Verzicht auf Rechtsmittel erklärt hat, ist der Richterspruch der Kammer rechtskräftig geworden. Der Haftbefehl bleibt laut dem Urteil in Kraft, Jamal H. sitzt weiterhin seine Strafe ab.

Warum der in Pinneberg wohnhafte 22-Jährige letztlich auf eine Revision verzichtet hat, darüber kann nur spekuliert werden. Möglicherweise war der Zeitfaktor ausschlaggebend. Zunächst muss das Gericht das schriftliche Urteil vorlegen, im Anschluss müssten die Verteidiger die Revision begründen. Es würde sich die Überprüfung durch den Bundesgerichtshof anschließen.

Jamal h. könnte bereits in wenigen Monaten aus der Haft entlassen werden

Das ganze Prozedere hätte mindestens neun Monate in Anspruch genommen. Im Erfolgsfall wäre es dann zu einer Neuverhandlung gekommen, die ebenfalls diverse Monate gedauert hätte. Zum Zeitpunkt des erneuten Urteils hätte der 22-Jährige längst seine Strafe abgesessen.

Ein Polizist steht am 6. Juli 2022 am Tatort der Messerattacke, die sich am Ende einer Treppe zum Bahnhofseingang abgespielt hatte. 
Ein Polizist steht am 6. Juli 2022 am Tatort der Messerattacke, die sich am Ende einer Treppe zum Bahnhofseingang abgespielt hatte.  © Pinneberg | Florian Sprenger / Westküsten-News

Jamal H. befindet sich seit seiner Festnahme im Juli 2022 hinter Gitter, hat also fast 18 Monate bereits verbüßt. Angesichts des jetzt verkündeten Urteils könnte der Pinneberger bereits in drei Monaten freikommen, falls das Gericht ihm eine Halbstrafenregelung zubilligt.

Im Falle einer Zwei-Drittel-Regelung müsste der 22-Jährige 28 Monate im Gefängnis verbringen. Er käme also, eine gute Führung vorausgesetzt, im Oktober oder November 2024 wieder frei.

Angeklagter hatte am 16. Prozesstag die Tat zugegeben, sich aber auf Notwehr berufen

Der Angeklagte hatte im Laufe des Marathon-Verfahrens die beinahe tödliche Messerattacke vom 6. Juli 2022 eingeräumt. Vorausgegangen war ein heimlicher Musikvideodreh. Der Pinneberger Aaron N. hatte einige Freunde und Bekannte spätabends im Parkhaus des Bahnhofs um sich geschart. Man trank zum Teil harten Alkohol und performte zu einem selbst geschriebenen Rapsong.

Das spätere Opfer Mohmen A. (damals 19) war bei dem Videodreh zugegen, der Angeklagte nicht. Er stieß gemeinsam mit einem Freund erst später zur Gruppe, als diese nach Abschluss des Drehs frühmorgens am Bahnhof auf einen Zug wartete. Beide hatten zuvor ebenfalls Alkohol konsumiert.

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Der Freund des Angeklagten suchte Streit – und ließ sich in eine körperliche Auseinandersetzung mit einem der anderen Beteiligten verwickeln. Als Jamal H. in diese Auseinandersetzung eingreifen wollte, hielt ihn Mohmen A. davon ab – mit Gewalt. Er nahm den Angeklagten in den Schwitzkasten.

Der griff zum Messer und rammte es dem Kontrahenten in den Bauch. Jamal H. hat sich im Rahmen des Täter-Opferausgleichs mit Mohmen A. geeinigt, ihm ein Schmerzensgeld gezahlt. Für seine Tat, nach der das Opfer in Lebensgefahr schwebte und nur durch eine Notoperation gerettet wurde, hat er sich auch entschuldigt.

Prozess um Messerattacke nach Videodreh: Staatsanwaltschaft forderte fast vier Jahre Haft

In seiner Einlassung am 16. Prozesstag hatte sich Jamal H. auf eine Notwehrhandlung berufen. Daher hatten seine Verteidiger Freispruch gefordert, hilfsweise eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich – also bis maximal zwei Jahre – beantragt. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre und elf Monate Haft gefordert.