Groß Nordende. 32-Jährige darf wegen Schlaganfallrisiko nicht mehr Auto fahren. Ihre Schwester mobilisiert nun das Netz für eine Alternative.

Vanessa von der Weiden ist frustriert. Die junge Frau aus Groß Nordende sitzt mit ihrer Schwester Denise von der Weiden in ihrer Wohnküche und erzählt, was sie derzeit bewegt. „Es ist eigentlich so einfach, uns zu helfen; für jeden sind es doch nur drei Mausklicks“, sagt die 30-Jährige und schaut dabei ihre zwei Jahre ältere, „große“ Schwester an.

Dabei will die Mutter eines Sohnes gar nichts Großes von den Freunden in den sozialen Medien und all den anderen Menschen, die dort – zum Beispiel bei Facebook – auf ihren Spendenaufruf stoßen. „Die Leute müssen ja noch nicht mal selber spenden, es bringt uns doch bereits weiter, wenn sie unsere Aktion lediglich über ihr Netzwerk teilen und damit weiter verbreiten. Aber bis jetzt haben das gerade mal 30 Nutzer getan.“

Spendenaktion: Auch ohne Auto will die Mutter für ihre Familie sorgen

Und Eile ist geboten, denn Denise von der Weiden muss und will ihre Familie weiterhin am Laufen halten, Ehemann Martin ist unter der Woche jeden ganzen Tag auf Montage. Doch was bislang problemlos mit dem eigenen Auto zu bewerkstelligen war, stellt nun ohne Hilfe ein unüberwindbares Problem dar. Die vierfache Mutter darf – zumindest vorerst, wahrscheinlich aber dauerhaft – nicht mehr Auto fahren.

„Die Ärzte haben bei mir eine primäre ZNS-Vaskulitis diagnostiziert; das ist eine sehr seltene Erkrankung des zentralen Nervensystems“, sagt Denise von der Weiden. Vor knapp zwölf Jahren ist sie von einem ersten Schub dieser tückischen Krankheit heimgesucht worden. „Die Gefäße entzünden und verschließen sich. Letzten Endes bekomme ich dann die körperlichen Symptome eines Schlaganfalls.“

Während der Untersuchung im MRT erleidet die junge Mutter einen Schlaganfall

Die Autoimmunkrankheit meldet sich seit dem ersten Auftreten immer wieder, zu dem Zeitpunkt noch nicht diagnostiziert. Ein Ärzte- und Untersuchungsmarathon beginnt für Denise von der Weiden.

Ausgerechnet – oder besser gesagt zum Glück – findet die erste größere Krise 2018 während einer Kontrolluntersuchung im MRT statt. „Da bekam ich wieder einen Schlaganfall und wurde sofort ins UKE gebracht“, erinnert sich die 32-Jährige. „Dort wurde ich drei Wochen lang komplett durchgecheckt, bis sie dann letztlich die Vaskulitis festgestellt haben.“

Eine erste Kortison-Therapie hat zu große Nebenwirkungen

Mit dem nun benannten, aber in der Medizinwelt noch kaum bekannten, Gegner vor Augen begann die Suche nach einer geeigneten Therapie. Kortison war die erste Wahl. „Das hat die Ausbreitung der Krankheit zwar gehemmt, aber meine Lebensqualität war weg, ich wurde depressiv“, blickt Denise von der Weiden auf ihren Leidensweg zurück, dessen nächstes Kapitel aus einer Chemotherapie bestand. „In den ganz schlechten Phasen habe ich auch schon mal mit meiner Schwester meine Beerdigung geplant.“

„Die Chemo hat dann schon besser geholfen, aber uns wurde auch gesagt, dass es keine Heilung geben würde, nur ein Leben mit der Krankheit“, sagt Vanessa von der Weiden, seit dem Ausbruch der Vaskulitis immer an der Seite ihrer Schwester. „Ein richtiger Schlag ins Gesicht war dann, dass die Ärzte meinten, Denise habe Glück, wenn sie 40, 50 Jahre alt werde.“

Ein kleines Wunder: Während der ungeplanten Schwangerschaft ruht die Krankheit

Das kleine Wunder geschah mit der ungeplanten Schwangerschaft und der Geburt der Zwillinge Robin und Fabio im Mai 2020. „Es war zwar auch ganz schöner Stress, aber verrückterweise hat die Krankheit von Denise während der Schwangerschaft praktisch geruht“, sagt die nun schon vierfache Tante Vanessa.

Der Wendepunkt zum Guten? Scheinbar. Denise von der Weiden erhält nach einem Kampf mit der Bürokratie ein neues Medikament, eigentlich für Rheumapatienten. Die Krankheit scheint fortan zumindest eingedämmt; ins UKE geht es seitdem nur noch zu regelmäßigen Kontrolluntersuchungen. Ein normales Leben scheint wieder greifbar.

Während der Autofahrt zur Kita kommt der dramatische Rückfall

Aber zu früh gefreut. „Vergangenen Juni war ich dann mit dem Auto unterwegs, um die Jungs zum Kindergarten zu bringen. Plötzlich spürte ich dann meine rechte Körperhälfte nicht mehr“, erinnert sich Denise von der Weiden und ist dankbar, dass der Vorfall so glimpflich ablief. „Meine rechte Hand ist runtergefallen, ich hab meinen rechten Fuß nicht mehr zur Bremse bekommen.“ Besonnen und mit letzter Willenskraft kommt sie unbeschadet auf einem Parkplatz zum Halt.

Im Krankenhaus dann nach einigen Tagen die Bestätigung. Es war wieder ein Schlaganfall. Es folgen Spritzen, Medikamente, weitere Kontrollen. „Und die Ansage der Ärzte, dass ich angesichts der Verschlimmerung meiner Krankheit zumindest vorerst kein Auto mehr fahren dürfe“, blickt die vierfache Mutter auf den vergangenen Dezember zurück. „Am 5. Januar hatten wir es dann schwarz auf weiß bekommen, dass ich mindestens sechs Monate nicht mehr Auto fahren dürfe.“

Die junge Mutter muss unbedingt mobil bleiben

Ein Urteil, das Vanessa so nicht einfach hinnehmen kann. Ihre Schwester soll mobil bleiben und weiterhin ihre kleinsten Söhne in die knapp fünf Kilometer entfernte Kita in Uetersen bringen können. „Das ist ja auch nicht alles. Dreimal pro Woche erledige ich Einkäufe für unseren Opa, der alleine lebt“, sagt Denise von der Weiden, die sich nicht unterkriegen lassen will. „Weitere Einkäufe oder Wege zum Kinderarzt kommen noch dazu.“

Autofahren ist nicht mehr drin. An diese Stelle wünscht sich Denise von der Weiden das Lastenfahrrad, mit dem sie ihre jüngsten zwei Söhne (3) zur knapp fünf Kilometer entfernten Kita in Uetersen bringen und auch alle übrigen Erledigungen für ihre sechsköpfige Familie bewerkstelligen will. 
Autofahren ist nicht mehr drin. An diese Stelle wünscht sich Denise von der Weiden das Lastenfahrrad, mit dem sie ihre jüngsten zwei Söhne (3) zur knapp fünf Kilometer entfernten Kita in Uetersen bringen und auch alle übrigen Erledigungen für ihre sechsköpfige Familie bewerkstelligen will.  © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Was tun? Die einzige Möglichkeit scheint nun ein elektrisch unterstütztes Lastenfahrrad zu sein. „Der Elektromotor muss leider sein. Ein Autofahrer merkt das ja nicht so, aber die Gegend bei uns ist ziemlich hügelig“, sagt die Vierfach-Mama und weiß, warum es kein simples Lastenrad sein darf. „Die Jungs brauchen ihre Kindersitze, und Einkäufe müssen auch noch unterkommen.“

Für das benötigte Lastenfahrrad sammeln die Schwestern nun auf Gofundme.com Spenden

Und damit die mehreren tausend Euro zusammenkommen, die für ein stabiles und sicheres E-Modell nötig sind, hat Vanessa von der Weiden für ihre Schwester auf der Internetplattform Gofundme.com einen Spendenaufruf gestartet. „Denise soll unbedingt weiterhin ein kleines Stück Flexibilität und Freiheit trotz ihrer Krankheit haben; und mit dieser Lösung muss ihr Mann Martin seine Arbeit nicht aufgeben“, schreibt sie in dem Aufruf. „Sie hat es mehr als verdient, ein bisschen Glück zu haben.“

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Damit das klappt, müssen aber noch einige Spenden her, denn das nun obsolete Auto bringt auf dem Gebrauchtmarkt lediglich wenige hundert Euro ein. „Aber dafür müssen auch genug Leute meine Spendenaufruf sehen“, sagt Vanessa von der Weiden. „Hoffentlich teilen nun noch mehr diese Aktion über ihr Netzwerk.“

Die Seltenheit der Krankheit verschließt den Zugriff auf mögliche öffentliche Hilfen

Ist denn keine Hilfe von der öffentlichen Hand zu erwarten? „Nach unseren bisherigen Informationen nicht“, sagt Denise von der Weiden und kann bemerkenswerterweise dabei sogar ein wenig lächeln. „Meine Krankheit ist so selten, dass sie auf den Listen der Erkrankungen, bei denen Unterstützung gewährt werden kann, nicht aufgeführt ist. Hätte ich MS oder etwas Ähnliches, dann sähe die Sache schon anders aus.“

Wer direkt spenden möchte, kann dies auch per Überweisung: IBAN: DE77230510300113273171, BIC: NOLADE21SHO, Verwendungszweck: Spende für Denise