Pinneberg/Itzehoe. Als die Darsteller merken, dass in Pinneberg kein Zug mehr fährt, gerät die Lage außer Kontrolle. Welche Rolle eine Videokamera spielt.
Andy T. ist der Hauptzeuge der Anklage. Bereits zum zweiten Mal musste der 26-jährige Musikproduzent aus Hamburg am Dienstag stundenlang vor dem Landgericht Itzehoe Rede und Antwort stehen, weil er am 6. Juli 2022 gegen 3.15 Uhr eine Messerattacke am Pinneberger Bahnhof aus nächster Nähe miterlebte.
Als mutmaßlichen Täter hat die Mordkommission Jamal H. (21) ausgemacht, der Pinneberger muss sich seit dem 3. Januar wegen versuchten Totschlags verantworten. Nachdem zu Prozessbeginn sowohl der Angeklagte als auch das aus Hamburg stammende Opfer Mohmen A. (19), genannt Mo, ihr Aussageverweigerungsrecht nutzten, muss nun der Hauptzeuge für Aufklärung sorgen.
Bahnhof Pinneberg: Messerattacke – Nach Rap-Videodreh eskaliert die Situation
Und das ist nicht einfach. Denn dem Messerstich in den Oberkörper, dessen Folgen das Opfer nur dank einer Notoperation überlebte, ging ein langes Vorspiel voraus. In der Tatnacht hatten sich diverse Personen heimlich auf dem Parkdeck des Pinneberger Bahnhofs getroffen, um ein Musikvideo zu drehen.
„Es war ein Rapvideo, der Künstler war Avo“, so Andy T., der dabei eine wesentliche Rolle spielte: „Ich habe gedreht, hatte das Handy für die Aufnahme gehalten.“
Beim Videodreh wurde Alkohol und Marihuana konsumiert
Zu dem Zeitpunkt hätten dort kaum Autos gestanden, man habe niemanden gestört, so der Zeuge. Beim Videodreh sei Alkohol konsumiert worden, ebenso wie Tabakwaren und Marihuana
„Ich habe wenig getrunken, die anderen waren nur mittelmäßig angetrunken.“ Wer genau welche Drogen konsumiert habe, könne er nicht erinnern.
Das spätere Opfer war ein Darsteller in dem Rap-Video
Das spätere Opfer sei Darsteller in dem Video gewesen. Nach dem Videodreh sei die Gruppe zum Bahnhof gegangen – und habe dort erst gemerkt, dass in der Nacht keine Züge mehr fahren würden.
„Die Stimmung war leicht frustriert, weil wir warten mussten.“ Dort seien dann drei Personen dazugestoßen – darunter der Angeklagte und ein junger Mann namens Justin.
Bahnhof Pinneberg: Dem Messerstich ging eine Rangelei voraus
Dieser sei dann mit einem anderen aus der Gruppe in Streit geraten, die Situation habe sich hochgeschaukelt. In diesen Streit habe Jamal H. eingreifen, das spätere Opfer Mo habe ihn davon abhalten wollen, sich mehrfach dazwischen gestellt. Zwischen den beiden sei eine Rangelei entstanden, in deren Verlauf Jamal H. mehrere Drohungen ausgesprochen habe.
Andy T. beschreibt den Angeklagten als „wütend, frustriert, uneinsichtig“. „Ich hatte den Eindruck, das Mo eingreifen wollte, um zu schlichten.“ Der Forderung des Angeklagten, sich zu entfernen, sei er nicht nachgekommen.
Jamal H. soll zugestochen haben, „um Distanz zu schaffen“, so der Zeuge
Daraufhin habe Jamal H. einmal zugestochen – „um Distanz zu schaffen“, wie es der Zeuge formuliert. Dies könne man auch durch einen Angriff tun. Nach dem Stich habe Mo den Platz geräumt.
Verteidiger Uwe Maeffert hakt immer wieder nach, hält dem Zeugen vor, mit „schwer verständlichen Begriffen zu operieren“ und beißt sich an Widersprüchen des Zeugen in seiner polizeilichen Aussage fest. So hatte Andy T. das Tatmesser erst in der rechten Hand des Angeklagten verortet, sich dann jedoch auf die linke Hand festgelegt.
Pinneberg: Zeuge will das Tatgeschehen gesehen haben
Dabei blieb er am Dienstag. Er habe aus drei bis vier Metern Entfernung gesehen, wie Jamal H. vor dem Stich mit der linken Hand ausgeholt habe. Das Tatmesser selbst habe er nicht gesehen, weil das Opfer zwischen ihm und dem Angeklagten stand. Im Anschluss habe er Mo geholfen, der versucht habe, die stark blutende Wunde mit seinem T-Shirt zu verschließen.
Das Geschehen hatte eine Überwachungskamera am Bahnhof aufgezeichnet, sodass mit dem Hauptzeugen vier Wochen nach der Tat auch eine Rekonstruktion des Geschehens am Tatort stattfinden konnte.
Überwachungskamera zeigt kurz vor der Tat eine Gruppe von zehn Personen
Ein Foto der Überwachungskamera legte das Gericht dem Zeugen Andy T. vor. Zu sehen sind inklusive des Hauptzeugen zehn Personen, von denen Andy T. ein Großteil identifizieren konnte. Viele von ihnen werden in dem Verfahren ebenfalls aussagen müssen.
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Staatsanwalt Jan-Hendrik Schwitters regte zudem an, auch das vor der Tat gedrehte Rap-Musikvideo zum Beweisstück zu machen. Zeuge Andy T. sagte dem Gericht zu, es zu besorgen. „Das ist in den Tagen danach fertig produziert und hochgeladen worden.“
Messerattacke am Bahnhof Pinneberg: Noch sieben Verhandlungstage
Die Kammer hat noch sieben ganztägige Verhandlungstage bis zum 30. März angesetzt. Ob dies angesichts des noch bevorstehenden Programms ausreichen wird, erscheint zweifelhaft.