Kreis Pinneberg. Aufträge, Auslastung, Personal: Stimmungsumfrage bei Unternehmen im Kreis sei „historisch“ schlecht – das sind die Ergebnisse.

Dass Deutschland in einer handfesten Wirtschaftskrise steckt, zeigt sich nun auch in der aktuellen Konjunkturumfrage des Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste für den Kreis Pinneberg. „Die Stimmung der Arbeitgeber ist auf einem historischen Tiefpunkt angelegt“, fasst Verbandsgeschäftsführer Ken Blöcker das aktuelle Ergebnis der Befragung von 36 der 100 Mitgliedsbetriebe im Kreis Pinneberg zusammen.

Auftragsbestände, Auslastung und Personalentwicklung sind in den Betrieben demnach so schlecht wie seit den vergangenen zehn Jahren nicht mehr. Als Gründe führte der Verbandssprecher „einen toxischen Cocktail“ an Belastungen an, die nicht nur den hiesigen Unternehmen zurzeit das Wirtschaftsklima vergifteten. Dies sei ein Mix aus dem Mangel an Arbeitskräften, hohem Bürokratieaufwand sowie steigenden Preisen durch die anmaßende Energiepolitik und notwendigen Technologieumbrüchen.

Verbandschef spricht von einem „toxischen Cocktail“ für die Wirtschaft

Das einzige positive Signal sei, dass die seit dem Corona-Lockdown verursachte und durch das Wirtschaftsembargo gegen Russland verschärfte Rohstoffknappheit und die Lieferengpässe so gut wie beseitigt seien, erklärt der Verbandsprecher.

Nur noch jedes siebte Unternehmen habe damit zu kämpfen. Vor zwei Jahren klagten noch zwei Drittel der befragten Manager darüber, im Sommer 2022 sogar 70 Prozent und vor einem Jahr noch knapp die Hälfte darüber.

Einzig positives Signal: Nur die Lieferengpässe sind so gut wie beseitigt

Doch das war auch schon die einzige frohe Botschaft, die Blöcker bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse verkünden konnte. Alle anderen Kennzahlen zur Konjunkturlage seien „besorgniserregend bis bedrohlich“. So würde bereits jeder fünfte Unternehmer im Kreis Pinneberg über Kurzarbeit im Frühjahr nächsten Jahres nachdenken – der schlechteste Wert des letzten Jahrzehnts für den Kreis Pinneberg.

Mit zurzeit 80 Prozent habe die Auslastung ihrer Kapazität die des ersten Lockdown-Winters von vor drei Jahren nochmals unterschritten. Die Hälfte aller Unternehmer wird demnach im nächsten Halbjahr ihre Investitionen einschränken. Vor einem halben Jahr sagten das nur ein Drittel der Firmenchefs ähnlich wie im Winter 2020. In den fünf Jahren des Aufschwungs zwischen 2015 und 2019 lag dieser Wert, der viel über die miese Stimmungslage in den Betrieben aussagt, nur zwischen acht und 15 Prozent.

Anteil der pessimistischen Manager hat sich in einem Jahr verzehnfacht

Ein Drittel der befragten Manager beurteilen die derzeitige Geschäftslage als schlecht. Das sind doppelt so viele Pessimisten als noch im Sommer. Und vor einem Jahr meinten das keine vier Prozent. Der Anteil der pessimistischen Manager hat sich also binnen Jahresfrist verzehnfacht.

Fast jeder zweite klagt über sinkende Aufträge. Vor einem Jahr sagte das nur jeder dritte Unternehmer und vor zwei Jahren nur jeder achte. Umgekehrt hält nur jeder 20. Firmenchef die Auftragslage in seiner Firma für gut – der absolut schlechteste Wert der vergangenen zehn Jahre.

Bürokratie und Fachkräftemangel bremsen die Wirtschaft im Kreis aus

Die größten Bremsklötze für die Unternehmen im Kreis Pinneberg stellten der Bürokratieaufwand dar, den 90 Prozent der Befragten an erster Stelle nannten, sowie der Fachkräftemangel (67 Prozent) und die Arbeitskosten (58 Prozent). „Damit befinden sich die Klagen über den Bürokratieaufwand auf einem Allzeithoch“, sagt Blöcker. Die Unternehmen seien es leid, alles Mögliche an Staat und Verbänden berichten und dokumentieren zu müssen. Sie fühlten sich in diesem Kontrollwahn geradezu gegängelt und ausgebremst, so Mitgeschäftsführer Sebastian Koch.

Es würde den Unternehmen schon helfen, wenn Staat und Regierung ihnen nicht von vornherein unterstellten, dass sie Vorschriften zum Daten-, Brand- oder Arbeitsschutz umgehen wollten. „Die meisten Unternehmen achten schon von selbst darauf, dass sie ihre Mitarbeitenden gut behandeln, damit sie nicht krank werden, oder dass sie möglichst wenig Schadstoffe in die Umwelt tragen.“ Doch sie müssten es von sich aus nachweisen, statt dass dies stichprobenhaft kontrolliert werde.

Firma Salvana hat in jedem Bereich einen SicherheitsbeauftragtenDie

Das binde reichlich Geld und Personal, führte auch Michael Hentrich aus, der den Mineral-Tierfutterhersteller Salvana in Sparrieshoop leitet, der mit 200 Beschäftigten 90 Millionen Euro im Jahr umsetzt. „In jeder Fachabteilung haben wir einen Beauftragten für Sicherheits- und Brandschutz installiert.“ Um den umfangreichen Datenschutz zu beachten, würden teure externe Büros beauftragt, denen seine Leute wiederum zuarbeiten müssten. „Das ist ein enormer Aufwand.“

Dieses Thema sei nicht neu, aber es werde Jahr für Jahr schlimmer, sagte Verbandsgeschäftsführer Blöcker. Der einzige Ausweg bestehe wohl darin, die Digitalisierung endlich voranzubringen, glaubt er. Vor allem der Kreis Pinneberg müsse hier endlich seine Hausaufgaben machen. In keinem anderen Kreis des Unternehmensverbandes, der mehr als 400 Unternehmen in vier Kreisen von Wedel bis Sylt vertritt, arbeiteten die Verwaltungen so träge wie hier. „Es muss doch möglich sein, Bauanträge digital zu stellen, die dann automatisiert genehmigt werden“, fordert Blöcker.

Im Kreis Pinneberg arbeiten die Verwaltungen besonders träge

Ein „Entbürokratisierungsgesetz“, das noch mehr Aufwand verursache, helfe nicht. Und es könnte auch nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, dass die Vorschriften nicht mehr eingehalten würden, warnt Mitgeschäftsführer Koch vor zivilem Ungehorsam der Firmenchefs wegen des immer mehr zunehmenden „Bürokratiemonsters“ hierzulande.

Dabei müsste alles dafür getan werden, den grassierenden Fachkräftemangel zu lindern, fordern die Verbandschefs. 70 Prozent der befragten Betriebe im Kreis Pinneberg halten die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für ihren Betrieb für mangelhaft bis ungenügend. Kein einziger für gut oder sehr gut. Bis 2035 fehlten 300.000 Fachkräfte allein in Schleswig-Holstein, während bundesweit 50.000 junge Menschen ohne Abschluss die Schule beendeten und jeder dritte Studierende sein Studium abbräche.

70 Prozent aller Unternehmen fehlt es dramatisch an Fachkräften

So hoffen die Verbandschefs auf einen „Sog“ an Arbeitskräften, wenn im nächsten Jahr wie angekündigt der schwedische Konzern Northvolt bei Heide seine Batteriefabrik baue, die 3000 Mitarbeitende beschäftigen soll. Das könnte zusätzliche Arbeitskräfte in den Norden locken und vor allem zu einer starken Verjüngung der Belegschaft führen, hoffen Blöcker und Koch.

Dabei müssten kleinere Betriebe aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren und ihrerseits alles dafür tun, ihre Mitarbeiter zu halten und nicht nur den Mindestlohn zu bezahlen, rät Koch.

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Bei Salvana werde versucht, diesen „Druck von außen durch Northvolt als Ansporn“ zu begreifen, sagt Geschäftsführer Hentrich. Sein Unternehmen habe dazu ein „Paket“ aus Mitarbeiter-Zulagen, Gleitzeit, besseren Arbeitszeitsystem und Betriebsrenten geschnürt und setze vollständig auf Digitalisierung. „um schlanker und besser zu werden. Da ist noch viel Platz.“