Kreis Pinneberg. Umfrage des Unternehmensverbands positiv – wenn nur die Bürokratie und der Fachkräftemangel mit anspruchsvollen Bewerbern nicht wären.

Der Wirtschaft im Kreis Pinneberg geht es gut, sie boomt geradezu. Das ist das Ergebnis der aktuellen Umfrage des Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste, der 30 seiner Mitgliedsbetriebe aus dem Kreis Pinneberg zur aktuellen Konjunkturlage befragt hat.

„Die Geschäftslage ist gut“, fasst Verbandsgeschäftsführer Ken Blöcker die erhobenen Daten im Sommerhalbjahr zusammen: Die Auslastung der Betriebe weist mit 88 Prozent einen Top-Wert aus. Rund 85 Prozent der befragten Unternehmer beurteilen ihre Geschäftstätigkeit als gut oder saisonüblich. Und der Auftragsbestand, den 43 Prozent der Befragten als günstig bezeichnen, sei in den vergangenen zehn Jahren nie besser gewesen.

Konjunktur: Wirtschaft im Kreis Pinneberg brummt mit „Top-Wert“

Gleichwohl gebe es allerlei Probleme und Herausforderungen, die die Wirtschaft im Kreis Pinneberg zu meistern habe. Die Energieversorgung gehöre glücklicherweise nicht mehr dazu. Die Verbandsumfrage ergab dazu eine Schulnote von 1,6, was die beurteilte Versorgungssicherheit betrifft. Bei der Herbstumfrage lag dieser Wert mit 2,2 noch deutlich schlechter.

Und auch die Materialknappheit und Lieferengpässe, die im vergangenen Herbst noch acht von zehn befragten Unternehmen gequält hätten, scheinen sich weitgehend beruhigt zu haben. Nur noch ein Drittel der Kreis Pinneberger Unternehmen sei davon betroffen, erläuterte Blöcker.

Unternehmen im Kreis Pinneberg bemängeln Bürokratieaufwand

Doch der immer größer werdende Bürokratieaufwand hierzulande, der gravierende Fachkräftemangel und der damit verbundene Anstieg der Lohnnebenkosten sowie der Zinsanstieg machten den Betrieben das Wirtschaften schwieriger. So klagten acht von zehn Unternehmer über zu viele bürokratische Hürden und den aus ihrer Sicht oft unnötigen Aufwand, staatlichen Behörden Auskunft zu geben.

Dazu nannte der Inhaber des Holzwirtschaftsbetriebes Junge, der dem Verband seit 1976 angehört und in bald achter Familiengeneration in Elmshorn mit 65 Beschäftigten geführt wird, ein anschauliches Beispiel. So seien sie gerade wieder aufgefordert worden, dem Kraftfahrtbundesamt für ihre sechs Lieferfahrzeuge haarklein auszuweisen, mit welcher Tonnage sie wann und wie oft welche Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen nutzten.

Unternehmer: „Morgens stehen unsere Fahrer sowieso jeden Tag im Stau.“

Das diene dazu, den Straßenbau besser planen zu können, werde ihnen dazu beschieden, erklärte Firmenchef Carsten Junge. Doch wenn man bedenke, dass die A20 immer noch nicht weitergebaut wird und der sechsspurige Ausbau der A23 stockt, erkläre sich ihm die Sinnhaftigkeit dieser Daten nicht. „Morgens stehen unsere Fahrer sowieso jeden Tag im Stau nach Hamburg.“

Durchschnittlich zwei Arbeitstage pro Woche seien die Mitgliedsbetriebe mit dem Ausfüllen von behördlichen Formularen beschäftigt, sagt Verbandsgeschäftsführer Sebastian Koch. Insofern wäre es ein unmittelbarer und praktisch kostenloser „Impuls für die hiesige Wirtschaft“, würde der Bürokratieaufwand endlich gelockert werden, forderte Koch.

Fachkräftemangel plagt die Firmen der Region nach wie vor

Das zweitgrößte Problem der Betriebe, das mehr als jedes zweite Unternehmen negativ beeinflusse, sind die Energiekosten. Diese scheinen sich aber gerade wieder etwas zu beruhigen und zu senken. Darum hält der Unternehmensverband den zunehmenden Mangel an Fachkräften für das eigentliche Hauptproblem der Zukunft. Noch betreffe es nur knapp die Hälfte der befragten Unternehmer.

„Der Fachkräftemangel wird noch maßlos unterschätzt“, glaubt Verbandsvorstandsmitglied Stefan Witt. Wenn in den nächsten Jahren die Babyboomer-Generation in Rente gehe, „wird sich der Fachkräftemangel massiv verstärken“, ist er überzeugt.

Neue Bewerber fragen nach Vier-Tage-Woche, Home-Office und Vergünstigungen

Die Arbeitgeber spürten dies bereits bei fast jedem Einstellungsgespräch, indem die Bewerber nach Vier-Tage-Wochen, Home-Office-Arbeit und sonstigen Vergünstigungen wie betrieblichem Gesundheitsschutz, psychologischer Beratung oder kostenloses Fahrradleasing fragten.

Wenn das nicht angeboten werde, was sein Unternehmen, die VR Bank in Holstein, täte, würden die Bewerber meist abspringen, sagte Witt. Einer habe jüngst angefragt, ob er nicht auch aus dem Ausland arbeiten könnte. „Das erhöht natürlich die Lohn-Preis-Spirale“, warnt Carsten Junge.

Firmen im Kreis Pinneberg fordern „gezielte Einwanderungspolitik“

Der Unternehmensverband fordert deshalb von Bund und Land, endlich eine gezielte Einwanderungspolitik für Fachkräfte in die Wege zu leiten. „Wir brauchen eine Zuwanderungsoffensive für unsere Betriebe an der Unterelbe und der Westküste.“

Mit Investitionen hielten sich die Unternehmer zurzeit stark zurück. Ein Drittel der Befragten wolle sie in diesem Jahr einschränke, ergab die Umfrage. Das ist ein viermal so hoher Negativwert wie noch vor zwei Jahren. Grund dafür seien die enorm gestiegenen Kreditzinsen, die die vor allem auch die Bauwirtschaft zumindest bei Neubauvorhaben zum Erliegen gebracht hätten.

Die Zahl der Baugenehmigungen sei statistisch um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Und die Vergabe von Hauskrediten in seiner Genossenschaftsbank seien von monatlich 15 Millionen auf nur zwei Millionen eingebrochen, klagte Vorstand Witt.