Kreis Pinneberg. Umfrage zeigt, dass die Lage stabil ist, die Wirtschaft im Kreis Pinneberg aber dramatische Einbrüche fürchtet.
Noch ist die Wirtschaft im Kreis Pinneberg trotz der aktuellen Krisen voll ausgelastet. Aber Auftragseinbrüche großen Ausmaßes werden die Wirtschaft im kommenden Jahr weitgehend lahm legen. Das ist das Ergebnis und die damit einhergehende Befürchtung der regelmäßigen Konjunkturumfrage des Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste, an der sich im Herbst 29 Mitgliedsbetriebe aus dem Kreis Pinneberg beteiligt haben.
„Wir gehen nicht von einer Rezession aus. Aber das Jahr 2023 wird wirtschaftlich deutlich schlechter als das Jahr 2022“, fasst Verbandsgeschäftsführer Ken Blöcker das Ergebnis der Befragung zusammen. Und in Richtung Bundes- und Landespolitik sagt er: „Wir kriegen die Krise nicht wegsubventioniert.“
Dabei sind die wirtschaftlichen Grunddaten in der Region zurzeit noch recht positiv. So sind die befragten Unternehmen im Kreis Pinneberg zu 88 Prozent voll ausgelastet, was nur einen Punkt schlechter ist als vor einem Jahr und sogar um drei Punkte besser ist als noch im Sommer dieses Jahres. „In keinem anderen Kreis können wir bessere Werte registrieren“, sagt Blöcker. Sein Unternehmensverband umfasst zudem die Kreise Steinburg, Dithmarschen und Nordfriesland. Im Kreis Pinneberg würden demnach nur knapp vier Prozent der Unternehmer sagen, dass es ihnen schlecht gehe.
Hoffnung macht, dass Firmenchefs die Zukunft schon immer eher düster sahen
Doch ihr Blick in die Zukunft falle „dramatisch“ aus, warnt Blöcker. Bei etwa vier von zehn Unternehmen ist die Auftragslage bereits rückläufig, fast jeder zweite befragte Firmenchef erwartet einen Abwärtstrend für das nächste Halbjahr. Einen so schlechten Wert habe es seit der Finanzkrise nicht mehr gegeben. Die Stimmungslage ist dementsprechend zwei- bis viermal so schlecht wie in den Winterhalbjahren der vergangenen 13 Jahre. Letztmals im Dezember 2008 war die Auftragserwartung der Unternehmen im Kreis Pinneberg so düster wie gerade.
Das habe Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft. Jeder dritte Unternehmer will im nächsten Halbjahr seine Investitionen einschränken, was einer Verdopplung der Sparquote im Vergleich zum Vorjahr entspricht. „Wie nie zuvor befinden wir uns in einer multidimensionalen Krise“, fast Verbands-Mitgeschäftsführer Sebastian Koch das Ergebnis zusammen.
Inflation, Lieferengpässe und vor allem die stark gestiegenen Energiepreise verunsicherten die Unternehmer und sorgten für eine völlig ungewisse Zukunftsaussicht. „Das ist alles schwer vorhersehbar.“
Hoffnung bereite den Verbandschefs lediglich die Tatsache, dass die befragten Firmenchefs in all den Befragungen zuvor die wirtschaftliche Lage oft negativer beurteilten als die Situation tatsächlich war. So halten zurzeit rund 40 Prozent der befragten Unternehmen die wirtschaftliche Lage für schlecht, obwohl nur etwa zehn Prozent von ihnen ihren Betrieb nicht voll ausgelastet haben. Und so spricht Blöcker sich und seinen Verbandsmitgliedern Mut zu und versucht zu beruhigen: „Jede Krise ist auch immer Beschleuniger von ohnehin notwendigen Veränderungen. Wenn man zurückblickt, hat jede Krise die deutsche Wirtschaft eher bestärkt.“
Dafür sei aber auch „der Wille zur Veränderung und der Mut, Ideen auch zu verwirklichen“ nötig, appelliert der Verbandschef an die Vertreter von Wirtschaft, Verwaltung und Politik gleichermaßen. „Mit dem deutschen Anspruch nach Perfektionismus wird das nicht gelingen. Fehler müssen erlaubt sein“, fordert Blöcker. Vor allen Dingen sollten endlich bürokratische Hürden abgebaut werden. „Wir müssen vom Verwaltungsweltmeister zum Gestaltungsweltmeister werden“, sagt er. „Der öffentliche Dienst sollte das Verwaltungsstudium abbauen – und Gestaltungs-Lehrstühle aufbauen.“
Als ein Rezept, dem immer stärker werdenden Fachkräftemangel zu begegnen, schlägt der Unternehmensverband vor, Betriebe gleicher oder ähnlicher Branchen sollten gemeinsam ihre Nachwuchskräfte ausbilden dürfen. Fast jeder zweite befragte Firmenchef würde eine solche Verbundausbildung begrüßen. Dabei könnten mehrere Unternehmen einen Lehrling gemeinsam ausbilden. Auch dieses Ergebnis hat die Umfrage bei insgesamt 122 der 400 Mitgliedsbetriebe von Wedel bis Sylt ergeben.
60 Prozent der Befragten beklagen einen akuten Fachkräftemangel
Hannes Kock, der den Zerspanungs- und Präzisionswerkzeugbetrieb in Moorrege in dritter Generation leitet und 45 Mitarbeitende beschäftigt, kennt das bereits aus der eigenen Praxis. „Wir kooperieren da mit anderen Firmen aus der Region und tauschen unsere Auszubildenden aus.“ Die Handwerkskammer sollte diesen Weg für ähnliche Berufsgruppen freimachen.
Denn auf ein Ergebnis könnten sich fast 60 Prozent der 122 befragten Unternehmer einigen: Sie alle halten die aktuelle Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften für mangelhaft bis ungenügend. „Es wäre auch sinnvoll, Azubis aus Drittstaaten gezielt anzuwerben“, fordert der Unternehmensverbandschef Blöcker. Entsprechende Pilotprojekte seien zwar bisher gescheitert. „Es bedarf aber eines neuen Versuchs, dieses Potenzial zu heben.“