Kreis Pinneberg. Rauswurf und Anschuldigungen gegen neuen Leiter. Auch der Förderverein steht vor der Auflösung. Woher kommt die Unruhe?
Und wieder musste ein Heimleiter das Fünf-Städte-Heim in Hörnum auf Sylt verlassen. Sven Immenroth hatte erst im März die Heimleitung des aus dem Kreis Pinneberg getragenen Etablissements übernommen. Nach nicht einmal neun Monaten geht er wieder – nicht ganz freiwillig, auch wenn er einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat.
Kein Einzelschicksal. Immer wieder wechselte die Heimleitung – in den letzten sechs Jahren ganze acht Mal. Holger Kröger hatte die Position über viele Jahre bis 2017 inne. Danach wechselten die Heimleiter in rascher Folge. Es folgten Jürgen Barenberg, Sven Louis, Thomas de Buhr (Wirtschaftsleiter), Michael Finnern (kommisarische Leitung), Torge Sievers, Guido Gosch, Alexander Kula.
Fünf-Städte-Heim: Heimleiter Immenroth vom Rausschmiss überrascht
Nur wenige schafften es über die Probezeit hinaus. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder ein Name: Geschäftsführer Reinhold Bauerfeld. Viele beschreiben die Zusammenarbeit mit ihm als schwierig. Das Fünf-Städte-Heim wird als kostengünstiges Feriendomizil für Kinder und Jugendliche von Pinneberg, Elmshorn, Wedel, Tornesch, Uetersen, Kellinghusen und Neuendeich getragen, deren Bürgermeister den Vorstand bilden. Den Vorsitz hat seit zwei Jahren Volker Hatje, Bürgermeister in Elmshorn. Das operative Geschäft vor Ort liegt bei Reinhold Bauerfeld.
„Für mich war es sehr überraschend gewesen, als mir mitgeteilt wurde, dass man nicht länger mit mir zusammenarbeiten möchte“, sagt Immenroth. Es hätte zuvor keine schriftliche Abmahnung gegeben, die arbeitsrechtlich Bestand gehabt hätte. Stattdessen sei ihm nahegelegt worden, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben ohne Bedenkzeit, dafür aber unter Zahlung des Gehalts bis Januar. Als Alternative drohte die Kündigung. „Hätte ich zwei oder drei Tage Bedenkzeit gehabt, hätte ich nicht unterschrieben“, sagt Immenroth. „Mir hat die Arbeit großen Spaß gemacht, und die Gäste waren sehr zufrieden.“
Trennung von Heimleiter wegen angeblicher Mängel im Kassenbuch
Als Hauptgrund für die Entscheidung, das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, wurde Immenroth genannt, dass das Kassenbuch angeblich nicht ordentlich geführt worden sei. „Bis auf den Punkt, dass es einzelne Belege ohne Unterschrift gab, wurden mir gegenüber im Vorfeld keine entscheidenden Mängel benannt“, sagt Immenroth. Aus seiner Sicht kein Grund für eine Kündigung. Ob das der wahre Grund für den Rausschmiss ist, bezweifelt Immenroth.
Dazu muss man sagen, dass Immenroth mehr als 20 Jahre Leitungserfahrung inklusive Personalverantwortung, Wirtschaftsplanung, Akquise, Projektentwicklung, Fördermittelakquise hat; er kann insgesamt 30 Jahre Tätigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit für die AWO vorweisen. „Ich habe ein Budget von vier Millionen Euro verantwortet. Das habe ich alles aufgegeben, als ich die Stelle auf Sylt angenommen habe“, sagt der Sozialpädagoge. Damals sei man aktiv auf ihn zugegangen, habe ihn als Heimleiter angeworben.
Immenroth: 90 Prozent der Arbeit gut gemacht
Er habe dann erst mal für Server und Netzwerke gesorgt, damit Daten in einer Cloud gespeichert werden konnten. „Die haben dort noch wie in den 90er-Jahren gearbeitet“, sagt Immenroth. Die Neuerungen seien bei der Geschäftsführung zunächst auf Widerstand gestoßen. „Ich hatte manchmal das Gefühl, man will gar nicht in die Weiterentwicklung gehen.“
Dabei sei 90 Prozent der Arbeit gut gelungen. Durch persönlichen Einsatz sei es ihm gelungen, dass die Gäste zufrieden waren. Auch mit dem Personal sei die Zusammenarbeit gut gewesen. Im Ort sei er gut vernetzt gewesen. „Wenn ich in Hörnum unterwegs war, haben die Leute gesagt: Ach, du bist der neue Heimleiter? Na dann viel Glück!“ Der Umgang mit Personal im Fünf-Städte-Heim und die hohe Fluktuation ist dort durchaus ein Thema.
Immenroth wird Sylt wahrscheinlich den Rücken kehren
„Es bleibt ein komisches Gefühl, weil es offenbar Methode im Fünf-Städte-Heim ist, das Personal regelmäßig auszutauschen.“ Er selbst sei von der Geschäftsführung gefragt worden, ob man einer Kollegin/einem Kollegen kündigen solle, wenn es zu Schwierigkeiten kam. „Das kenne ich von meiner bisherigen Tätigkeiten so nicht. Da geht es darum, Kollegen zu fördern und dazu zu bringen, die gewünschte Leistung zu bringen oder eine gemeinsame Lösung zu finden.“ So gehe man nicht mit Personal um, so Immenroth.
Deswegen habe er sich auch entschlossen, das öffentlich zu machen und ein Schreiben an den Vorstand verfasst. Er wird Sylt wahrscheinlich den Rücken kehren. Und auch andere ziehen Konsequenzen.
Initiative will freiwillige Arbeitseinsätze im Fünf-Städte-Heim einstellen
Einige Betreuer und Betreuerinnen der Gruppen Wedel, Kellinghusen und Heidgraben, die seit vielen Jahren das Heim sehr unterstützt haben, wollen ihr freiwilliges Engagement einstellen. Das haben sie dem Vorstand und der Geschäftsführung vor Kurzem schriftlich mitgeteilt. Seit mehr als zehn Jahren investierte die Initiative jedes Jahr Urlaub, Zeit und Energie, um vor Ort unentgeltlich zu arbeiten und zu helfen. Sie haben Zäune gestrichen, Bänke bunt bemalt, gefragt, wo Hilfe benötigt werde.
„Wir haben Material besorgt, Ideen gesammelt und zum Teil umsetzen können und jede helfende Hand gegeben, wir haben den Kiosk wieder ins Leben gerufen, bisher jede Entscheidung mitgetragen, ohne uns zu äußern, und wir haben diese Zeit und Hilfe immer wieder an zwei langen Wochenenden pro Jahr angeboten“, heißt es in einem Schreiben.
Betreuer-Initiative: Fluktuation beim Personal nicht tragbar
„Das haben wir getan, um die Mitarbeiter zu entlasten und das Heim attraktiv zu gestalten“, sagt Astrid Zibull, die seit 2008 als Jugendgruppenleiterin Ferienfreizeiten begleitet. „Nun wurde wieder ein Heimleiter entlassen. Die Fluktuation im Zusammenhang mit dieser Position ist in keinster Weise erklär- beziehungsweise länger tragbar für uns. Es wurde Transparenz, Offenheit und gute Kommunikation vereinbart – nichts davon wird eingehalten.“ So sei noch am 23. Oktober ein Arbeitswochenende besprochen worden, kurz darauf sei Immenroth entlassen worden. „Das spricht nicht für den Umgang, den wir miteinander haben sollten.“
Sven Immenroth sei als Heimleiter zu jeder Zeit ansprechbar und präsent gewesen. Er habe sich immer für alle Nöte Zeit genommen hat und Lösungen gesucht. Der Eindruck, den er auf die Gruppe gemacht habe, sei mehr als gut gewesen, so Zibull.
Initiative setzt Zeichen und stellt Arbeitswochenenden ein
„Und sicher wird es den einen oder anderen Grund geben, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer besprechen müssen und regeln müssen. Dieses Thema muss sensibel behandelt werden und bedarf selbstverständlich der Verschwiegenheit“, so die ehemalige Uetersener CDU-Fraktionsvorsitzende.
Nichtsdestotrotz sei ein Wechsel von mehr als sechs Heimleitern innerhalb von fünf Jahren weder erklär- noch länger tolerierbar. „Wir werden daher keine Arbeitswochenenden mehr anbieten, um ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen gegen die Personalpolitik, die wir nicht länger mittragen möchten.“
Gegen freie Unterkunft haben ehrenamtliche Mitarbeiter auch den Hauskiosk betrieben. Deren Organisation liegt bei Astrid Zibull. „Wir würden den für die Kinder auch gerne weiterbetreiben.“
Förderverein Fünf-Städte-Heim e.V. steht vor der Auflösung
Auch der Förderverein Fünf-Städte-Heim e.V. steht kurz vor der Auflösung. „Wir haben uns als Vorstand geschlossen entschieden, aufzuhören“, sagt Schatzmeister und Gründungsmitglied Axel Hartmann. Wenn sich auf der Jahreshauptversammlung im Dezember niemand für einen neuen Vorstand findet, ist der Verein Geschichte.
Gegründet hatte sich der Verein im Jahr 2016 aus einer Initiative ehemaliger Betreuer und Gruppenleiter, die über Jahre nach Hörum gefahren sind. „Wir haben kleine bauliche Veränderungen initiiert“, sagt Axel Hartmann, der schon als Kind und Jugendlicher seine Ferien im Fünf-Städte-Heim verbracht hat. Durch Spenden konnte beispielweise ein Familienzimmer eingerichtet werden. Auch bei Renovierungsarbeiten haben die Mitglieder mitangepackt und dafür gesorgt, dass der Spielplatz erhalten bleibt.
Gern hätte man mehr bewirkt. „Der ständige Wechsel der Heimleiter tut dem Haus nicht gut. Wir sehen keine langfristige Perspektive. Klare Ziele, ein Leitbild oder touristische Konzepte können nicht umgesetzt werden“, sagt Hartmann. Alles, was man plane, werde mit dem nächsten Wechsel verworfen. „Das frustriert.“ In der Geschäftsstelle gebe es keinerlei Bereitschaft, mit dem Verein zusammenzuarbeiten. Dabei habe man in der Vergangenheit Spenden im fünfstelligen Bereich generieren können.
Volker Hatje: „Nicht einfach, einen geeigneten Heimleiter zu finden“
Geschäftsführer Reinhold Bauerfeld verwies auf Nachfrage des Abendblattes darauf, dass alle Entscheidungen mit Volker Hatje abgestimmt worden seien.
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„Es ist nicht einfach, einen geeigneten Heimleiter zu finden“, sagt Volker Hatje. Der Elmshorner Bürgermeister hat die Geschäftsführung für das Fünf-Städte-Heim vor zwei Jahren übernommen. Zuvor war sie im Uetersener Rathaus bei Andrea Hansen angesiedelt, doch Dirk Woschei hat die Geschäftsführung abgegeben. „Ich habe ein großes Interesse am Erhalt des Hauses und werde es auch durch schwierige Zeiten führen“, sagt Volker Hatje.
Hatje: Zukunft des Fünf-Städte-Heims durch Personalie nicht gefährdet
Mit Immenroth als Heimleiter sei er sehr zuversichtlich gewesen. „Er hat eine ganz andere Willkommenskultur eingeführt und war in der Ansprache sehr zugewandt. Aus dem Heim ist ein Haus geworden“, sagt Volker Hatje. „Aber es gehört mehr dazu. Und es gibt Situationen, die man als Geschäftsführer auf den Punkt bringen muss.“ Man habe sich einvernehmlich getrennt. Auf die genauen Gründe dafür könne er nicht eingehen.
Der Zukunft des Fünf-Städte-Heims sieht Volker Hatje positiv entgegen. „Wir haben zahlreiche Initiativbewerbungen für die Stelle der Heimleitung und mussten nicht ausschreiben.“ Auch die Buchungslage im kommenden Jahr sei außerordentlich gut. „Außerdem lassen wir uns gerade als nachhaltige Bildungseinrichtung zertifizieren. Wir haben viel angeschoben, und das ist durch die Personalie nicht gefährdet.“