Tornesch. Traditionsbetrieb aus Tornesch produziert nur noch bis zum 30. Dezember. Grundstück und Firmengebäude sind schon verkauft. Die Gründe.
Silvester endet in Tornesch eine 115 Jahre alte Firmengeschichte. Am Tag vorher werden in der Schlachterei Dörling – wie auch im befreundeten Betrieb Kilb in Uetersen – zum letzten Mal Wurstund Fleisch verkauft. Dann schließen Fleischermeister Thomas Dörling und seine Frau Carola zum letzten Mal die Ladentür auf. Fragt sich: Was sind die Gründe für diese drastische Entscheidung?
Der Preisdruck durch die verhältnismäßig billige Industrieware, der Personalmangel nicht nur in dieser Branche und der Trend, sich fleischfrei zu ernähren – das sind die wichtigsten Gründe, warum die Familie den schweren Schritt geht, sich vom eigenen Geschäft und der Selbstständigkeit zu verabschieden und das Grundstück samt Immobilie zu verkaufen.
Thomas Dörling: „Für mich war immer klar, dass ich Fleischer werde“
Auch die drei erwachsenen Kinder von Thomas und Carola Dörling wollen andere Wege gehen. Der Sohn lernt in der Landwirtschaft. Seine beiden Schwestern arbeiten in einer Zahnarztpraxis beziehungsweise als Großhandelskauffrau.
„Für mich war es immer klar, dass ich Fleischer werden wollte“, erzählt Thomas Dörling (60). Er habe zwar früher auch mal mit einem Job in der Natur geliebäugelt. Doch das blieb am Ende sein Hobby. Thomas Dörling ist leidenschaftlicher Angler.
„Ich ess sogar Gemüse“, sagt der Fleischermeister schmunzelnd
Ob Fleisch, ob Fisch, der Chef isst beides gern „und sogar Gemüse“, erzählt er schmunzelnd. Aber tatsächlich sei es auch im Geschäft zu spüren, dass sich immer mehr Menschen lieber vegetarisch ernähren.
Thomas Dörling wuchs mit den Eltern Bruno und Hilde sowie den Großeltern Wilhelm und Margarethe im kombinierten Wohn- und Geschäftshaus an der Friedrichstraße auf. Es war ganz natürlich, dass die Anzahl der gelieferten Schweine Tag für Tag kleiner wurde. Als Heranwachsender ging der gebürtige Tornescher im heimischen Betrieb in die Lehre.
Tornescher Schlachterei belieferte Feinkostläden mitten in Hamburg
Damals lieferte die von Friedrich Dörling 1908 in Tornesch gegründete Schlachterei bis weit nach Hamburg hinein. „Gut erinnern kann ich mich an die Feinkostläden Düver an der Osterstraße und Brodersen am Mittelweg“, erzählt Thomas Dörling. Doch je größer die Supermärkte wurden, desto weniger Partnerunternehmen konnten weiterhin existieren.
Deshalb weitete Dörling bereits in den 70er-Jahren den Betrieb auf Partyservice aus. Das bedeutet, dass seitdem zumeist an allen sieben Tagen die Woche und an vielen Feiertagen produziert oder zumindest ausgeliefert werden muss.
Erfahrung sammeln bei Geissler in Barmbek-Uhlenhorst
Nach seiner Lehre sammelte Thomas Dörling Erfahrung als Geselle bei Werner Geissler in Barmbek-Uhlenhorst an der Mozartstraße. Schon mit 23 Jahren machte er seinen Meister im Fleischerhandwerk. Bereits als junger Mensch übernahm er im elterlichen Betrieb immer mehr Verantwortung. „Mein Vater war schwer erkrankt, sodass meine Mutter Unterstützung benötigte“, erzählt der letzte Firmenchef der Familie.
Der Partyservice weitete Thomas Dörling gemeinsam mit seinem Bruder Ralf erheblich aus. Das ist bis heute ein starkes Standbein des Betriebs geblieben. Auch einen Mittagstisch, vor allem für Senioren, liefern Dörlings aus.
Geschlachtet wird im Traditionsbetrieb schon seit 20 Jahren nicht mehr
Geschlachtet wird bei Dörling bereits etwa 20 Jahre nicht mehr. Trotzdem kommt das Fleisch aus der Region, und zwar von Fülscher aus Seestermühe.
Bis zum 30. Dezember wird hier Wurst mit der Hand gemacht
Produziert wird in der heimischen Fleischerei bis zum letzten Tag. „Natürlich nach traditionellen Rezepten, die jeder von uns weiterentwickelt hat“, berichtet Thomas Dörling. Stolz lässt er an den eigenen Gewürzmischungen schnuppern und zeigt die jüngste Produktion an Mettwürsten, „die eine Woche ruhen und dann in den Kaltrauch kommen“.
- Ende naht: Noch wird in Uetersen Wurst mit der Hand gemacht
- Nordseeinsel: Helgolands letzte Apotheke steht vor dem Aus – Retter gesucht
- Ladensterben in Pinneberg: Nun macht auch noch Esprit in der City zu
Und was bringt die Zukunft? Hoffentlich mehr Zeit, um zu angeln und um endlich seinen Lieblingsverein wieder anzufeuern und damit vielleicht sogar in die 1. Bundesliga zu begleiten. Schon mit „Opa“ zog er begeistert ins Stadion zum HSV und verfolgte die Europapokalspiele bis zur legendären Nacht von Athen – der Traum in schwarz-weiß-blau lebt und das Leben der Familie Dörling dreht sich nach dem 31. Dezember munter weiter.