Quickborn/Ellerau. Quickborn bereitet Klage gegen geplante Ansiedlung des US-Logistik-Konzerns Hillwood vor. Warum dabei das Grundgesetz ein Rolle spielt.
Die Stadt Quickborn will alles dafür tun, das Mega-Projekt des US-Logistik-Konzerns Hillwood in Ellerau zu verhindern. Der Widerspruch gegen die Baugenehmigung der fünf jeweils 10.000 Quadratmeter großen Lagerhallen am AKN-Bahnhof Tanneneck, die künftig von täglich 800 Lkw an- und wieder abgefahren werden sollen, sei erteilt.
Eine Klage sei in Vorbereitung, kündigt Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann an. Jetzt komme noch eine Fachaufsichtsbeschwerde hinzu, die Quickborn gegen den Kreis Segeberg an das Innenministerium gerichtet habe und in dieser Woche nach Kiel geschickt werde.
Baugenehmigung sei unzulässig, weil die Erschließung nicht gesichert sei
Für Alp Kor ist die Rechtslage eindeutig. Der Kreis Segeberg hätte die Baugenehmigung für das Hillwood-Vorhaben an der Werner-von-Siemens-Straße nie erteilen dürfen. „Die Erschließung mit den Zufahrten auf das Industriegelände ist nicht gesichert. Damit ist die Baugenehmigung rechtswidrig“, urteilt der Volljurist und neue Leiter des Quickborner Rechtsamtes.
Das Innenministerium dürfte dies ebenso sehen und als Fachaufsicht der Unteren Bauaufsichtsbehörde in Bad Segeberg die erteilte Baugenehmigung wieder entziehen, ist seine Einschätzung.
Baugesetzbuch und Grundgesetz sprächen gegen das Bauvorhaben in Ellerau
Kor beruft sich dabei auf mehrere Rechtsvorschriften im Baugesetzbuch und auch im Grundgesetz. So verlange das Baugesetzbuch, dass bei Vorhaben die Erschließung gesichert zu sein habe. Und unter der Erschließung verstehe man alle baulichen Maßnahmen und rechtlichen Regelungen, die zur Herstellung der Nutzungsmöglichkeiten von Grundstücken erforderlich seien. Wobei es hier beim Hillwood-Projekt vor allem um die verkehrliche Erschließung gehe, also ob die an- und abfahrenden Schwerlastzüge das Betriebsgelände über die öffentlichen Verkehrswege erreichen können.
Die Bahnstraße sei zu schmal und könnte die vielen Lkw-Fahrten nicht aufnehmen
Das sei in keiner Weise gegeben, ist sich Jurist Kor sicher. Die schmale Bahnstraße, die noch dazu ein Schulweg ist, sei in keiner Weise dafür ausgelegt, täglich bis zu 1600 Lkw-Fahrten aufzunehmen. Das öffentliche Straßennetz würde zusammenbrechen, die Anwohner in „Lärm, Abgasen und Schmutz“ ersticken, prophezeit er. Mega-Staus wäre die Folge, sagt Kor.
Dabei sei schon heute für viele Menschen in Quickborn und Ellerau zur Autobahnauffahrt in Quickborn über die Friedrichsgaber Straße oft eine zeitraubende Geschichte. Kor: „Der Verkehr muss aber auch künftig genauso abfließen können wie bisher.“
Bürgermeister Beckmann: Quickborn wird in seinen Grundrechten beschnitten
Aus dem Grundgesetz widerspreche der Artikel 28, zweiter Absatz, dem Hillwood-Bauvorhaben, führt der Jurist weiter aus. Darin heißt es wörtlich: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“
Diese Vorschrift sei nicht mehr gegeben, wenn durch dieses Bauvorhaben und die damit verbundenen enormen Schwerlastverkehre die Stadt Quickborn und auch die Gemeinde Ellerau und ihre Bürgerinnen und Bürger im Verkehrschaos versinken müssten, ohne dass sie etwas dagegen tun könnten. Bürgermeister Beckmann: „Quickborn wird hier in seinen Grundrechten beschnitten.“
Jurist Kor: Eine aufgedrängte Erschließung ist rechtlich nicht haltbar
Zudem handele es sich in diesem Fall bereits um eine „aufgedrängte Erschließung“, argumentiert der Quickborner Rechtsamtsleiter. Die sei aber rechtlich nicht haltbar.
Weder die Stadt Quickborn noch die AKN, die hier einen Bahnhof und eine Bahnquerung zum Firmengelände unterhalte noch der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr, der die L76 (Bahnstraße, Friedrichsgaber Straße) seien vom Kreis Segeberg vor Erteilung der Baugenehmigung angehört worden.
Kreis Segeberg: Anhörung von Quickborn, LBV und AKN war nicht nötig
Dazu hat die Segeberger Kreissprecherin auf Nachfrage des Hamburger Abendblatts mitgeteilt: „Eine Beteiligung der Straßenbaulastträger und von Nachbargemeinden ist im Genehmigungsverfahren von Einzelvorhaben im Falle rechtsverbindlicher Bebauungspläne in der Regel nicht vorgesehen.“ Dem liege die grundsätzliche rechtliche Betrachtung zugrunde, dass auch die Frage, wie ein Baugebiet, oder in diesem Fall ein Industriegebiet erschlossen wird, „bereits Gegenstand der Abwägung zum Bebauungsplan war.“
Sofern im Laufe der Zeit Veränderungen eingetreten seien, die eine Änderung der Bauleitpläne oder der Verkehrsinfrastruktur zweckmäßig oder notwendig erscheinen ließen, „so ist dies eine gemeindliche Aufgabestellung in Kooperation mit den Trägern der Straßenbaulast“, heißt es aus Bad Segeberg.
Bürgermeister Beckmann: Die Klage ist bereits in Vorbereitung
Quickborns Bürgermeister Beckmann will sich damit nicht zufriedengeben. Wenn der Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung keinen Erfolg zeige, der bislang noch nicht beschieden sei, und auch die Eingabe an das Innenministerium nicht fruchte, werde die Stadt Klage dagegen einreichen.
„Eine Kompromisslösung ist hier nicht möglich“, ist der Quickborner Verwaltungschef überzeugt. „Aus unserer Sicht geht es nur darum, dass dieses Projekt so nicht realisiert wird.“
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Das dürften die meisten Anwohner und Politiker wohl auch in Ellerau so sehen, glaubt Beckmann. Denn in den politischen Ausschüssen der Nachbargemeinde gehe es zurzeit vor allem darum, wie die Gemeinde verhindern könnte, dass der Schwerlastverkehr dort durchs Dorf fahre. Die für den 22.November geplante Einwohnerversammlung in Ellerau sei aber abgesagt worden.