Quickborn. Massiver Protest in Ellerau und Quickborn gegen 50-Millionen-Euro-Invest. Fünf riesige Hallen und bis zu 800 Lkw pro Tag sind geplant.
Jahrzehntelang war es eine industrielle Brachfläche mit zahlreichen Bauruinen. Jetzt will ein US-amerikanischer Logistik-Konzern bis Ende 2025 für 50 Millionen Euro auf dem zehn Hektar großen Gelände am AKN-Bahnhof Tanneneck in Ellerau fünf große Lagerhallen errichten.
Bis zu 800 Lkw sollen dann hier täglich über die 6,50 Meter schmale Bahnstraße zum künftig wohl größten Logistikzentrum nördlich von Hamburg rollen. Viele Anlieger und die Stadt Quickborn fürchten, dass dies den gesamten Verkehr dort zum Erliegen bringen könnte.
Mega-Projekt in Quickborn: Anwohner aus Ellerau und Quickborn sind aufgeschreckt
150 Anwohner aus Ellerau und dem gegenüberliegenden Neubaugebiet in Quickborn-Heide machten jetzt am Mittwochabend in Kramers Gasthof ihrem Ärger Luft. „Das wird nur zum Chaos führen“, rief einer im Saal und viele stimmten ihm zu. Die Stadt Quickborn habe bereits Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung des Kreises Segeberg eingereicht, sagt Eike Kuhrcke, der zurzeit Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann vertritt.
Elleraus Bürgermeister Ralf Martens hatte es nicht leicht, die Stimmung im Saal zu moderieren. Gemeinsam mit BVE-Gemeindevertreter Malte Posewang versuchte er, das Großprojekt unmittelbar an der Stadtgrenze zu Quickborn in seinen Dimensionen zu beschreiben.
Da, wo bis Anfang der 90er-Jahre noch 1100 Menschen bei einer Bau- und Bagger- sowie einer Kunststofffirma gearbeitet hatten, sollen künftig etwa 250 Menschen die Logistik für 300 bis 800 Lkw-Fahrten regeln. Die Gleisanbindung, die die früheren Firmen hier nutzten, gibt es nicht mehr.
Fünf Hallen mit fünf Hektar Fläche auf dem 100.000 Quadratmeter großen Areal
Das zehn Hektar große brachliegende Industrieareal, auf dem zahlreiche Bauruinen aus der vorherigen Nutzung verfallen, liegt zwischen Bahnstraße, Buchenweg, Werner-von-Siemens-Straße und der A7 unmittelbar am Bahnhof Tanneneck, der im Zuge der S21-Elektrifizierung zwischen Eidelstedt und Kaltenkirchen auch bis Ende 2025 in einen S-Bahnhof umgebaut werden wird.
Ein Verkehrsgutachten stelle die Belastung des künftigen Schwerlastverkehrs auf der Bahnstraße als hinnehmbar dar. „Das ist geprüft und genehmigt“, sagte Martens. Bis zu 800 Lkw-Anfahrten am Tag seien vom Kreis genehmigt worden. Auch wenn die engen Kreuzungen am Bahnhof Tanneneck und Bahnstraße/Friedrichsgaber Straße dafür nicht ausgelegt zu sein scheinen.
Widerspruch zwischen den Bürgermeistern von Ellerau und Quickborn
Gerade die letztgenannte Kreuzung könnte aber verkehrsgerechter umgebaut werden, wenn der dortige Fahrradladen nicht mehr wäre. Quickborns Bürgermeister Beckmann habe ihm zugesagt, dass sich die Stadt darum kümmern wolle, das Grundstück zu erwerben, sagte Martens. Vizebürgermeister Kuhrcke widersprach. „Diese Lösung gibt es nicht.“ Der Eigentümer wolle gar nicht verkaufen und in den Gremien Quickborns sei das auch kein Thema gewesen.
Ellerau verspricht sich von dem Projekt einen 2000 Quadratmeter großen P+R- sowie Fahrradabstellplatz direkt am Bahnhof, erklärte Martens. Darum habe die Gemeinde bei ihrem gemeindlichen Einvernehmen, das sie bereits Mitte 2022 ohne Beteiligung der Nachbarstadt erteilte, auch mehreren Ausnahmegenehmigungen zugestimmt. So könnte der US-Investor Hillwood bestimmte Baugrenzen „minimal“ überschreiten.
Auch die künftige Entwicklung seiner Gemeinde könnte von den Behörden eingeschränkt werden, wenn dieses brachliegende Areal nicht wieder industriell genutzt werden würde. Die Einflussmöglichkeiten der Gemeinde seien begrenzt, so Martens. Sie könnte nur noch auf wohlwollendes Verhalten bei den Verhandlungen mit dem Investor hoffen.
Kuhrcke: Ellerau hätte vorher den B-Plan ändern oder einschränken müssen
Das sieht der Quickborner Nachbar anders. Ellerau hätte sehr wohl das Areal in ein Gewerbegebiet herunterstufen oder eine Veränderungssperre erlassen können, wundert sich Kuhrcke. Allerdings frage er sich auch, warum im Quickborner Rathaus, das ja die Nachbargemeinde verwaltet, niemand hellhörig geworden sei, dass hier eine so große Industriebrache schon bald Großkonzerne im Stile Hillwoods anlocken könnte.
Der Konzern gehöre der Familie des früheren Milliardärs und parteilosen US-Präsidentschaftskandidaten Ross Perot, der bei der Wahl 1992 George Bush und Bill Clinton erfolglos herausforderte .In den Vereinigten Staaten ist Hillwood eigenen Angaben zufolge ein führender Entwickler von Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien. Auf seinem Heimatmarkt ist es bekannt für seine außergewöhnlichen Mehrzweckprojekte, die häufig in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Gemeinden gebaut werden, darunter auch Revitalisierungsprojekte.
Quickborner Politiker fragen sich: Was haben wir davon?
So fragte der Quickborner FDP-Fraktionschef Jürgen Scharley provokant: „Was hat Quickborn davon“, wenn die Bürger in Quickborn-Heide künftig ständig im Stau stünden, um ihre Häuser und Wohnungen zu erreichen.
„Die Quickborner Straßen werden komplett zum Erliegen kommen“, prophezeit Kuhrcke, dass sich der Anteil des Schwerlastverkehrs dort von zurzeit vier bis fünf auf 25 bis 30 Prozent erhöhen werde. „Jedes vierte Fahrzeug wird dann ein Sattelschlepper sein.“ Wie die bei bis zu 800 Lkw-Fahrten hin und zurück überhaupt einigermaßen flüssig zur A7-Auffahrt gelangen sollen, sei ihm ein Rätsel.
FDP-Abgeordnete: „Sie haben keine Verkehrslösung für den Abfluss des Schwerlastverkehrs“
Auch Quickborns Bürgervorsteherin und Landtagsabgeordnete Annabell Krämer protestierte gegen das „Mega-Projekt“ vor ihrer Haustür. „Sie haben keine Verkehrslösung für den Abfluss des Schwerlastverkehrs zur Autobahn“, kritisierte sie den Investor, der keinen Vertreter nach Ellerau entsandt hatte.
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Das Gebiet sei ein Schulweg für zahlreiche Kinder aus Quickborn-Heide. Darum sollte die Kreuzung zum Bahnhof Tanneneck längst für Fußgänger sicherer gemacht werden. Doch das sei bis heute nicht passiert. Stattdessen schiele Ellerau nun auf Gewerbesteuereinnahmen vom US-Konzern, deren Höhe Bürgermeister Martens nicht einzuschätzen vermochte.
Investor aus den USA hat bereits mit den ersten Abrissarbeiten angefangen
Die Gegner des Projekts werden sich sputen müssen. Der Abriss der alten Hallen sei bereits in vollem Gange und werde etwa drei bis sechs Monate dauern, sagte Martens. Anschließend sollen die fünf neuen Hallen und 150 Mitarbeiter-Parkplätze und 70 Fahrradstellplätze gebaut werden.
Die Kreisverwaltung Segeberg teilt dazu mit: „Die Baugenehmigung wurde erteilt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren“, so Kreissprecherin Sabrina Müller. Allerdings lägen vier Widersprüche dagegen vor. Es sei nicht abzusehen, wann diese Widerspruchsverfahren beschieden seien.
Und zur Verkehrsregelung heißt es aus Bad Segeberg: „Die Verkehre müssen so gelenkt werden, dass Staus weitestgehend vermieden werden.“ Für diese Planung seien „die Verursacher*innen zuständig, weswegen der Kreis dazu keine Angaben machen kann.“