Rellingen. Protestaktion bei Autoflug in Rellingen: Was das 100-Milliarden-Programm der Bundesregierung und der Eurofighter damit zu tun haben.
Der Protest am Montagnachmittag an der Rellinger Industriestraße war nicht zu übersehen: Arbeitnehmer, Betriebsrat, Gewerkschaft, Geschäftsführung sowie Vertreter der Kommune und der Landesregierung demonstrierten gemeinsam für den Erhalt von bundesweit 25.000 Arbeitsplätzen in der deutschen Wehrindustrie, deren Existenz auf dem Spiel stehe.
Bei Autoflug in Rellingen arbeiten 280 Menschen für die Wehrtechnikindustrie, die von dem 100-Milliarden-Euro-Rüstungsprogramm der Bundesregierung nichts abbekommen würden, wenn das Eurofighter-Programm der europäischen Wehrindustrie nicht verlängert werde, lautete die Kernbotschaft der Protestkundgebung.
Forderung: Das Eurofighter-Programm soll auch nach 2030 weiterlaufen
Das Eurofighter-Programm sei „das Rückgrat der deutschen Luftwaffe“, sagte Autoflug-Geschäftsführer Martin Kroell und forderte: „Die Bundesregierung muss die notwendigen Gelder bereitstellen und für die notwendigen Exportgenehmigungen sorgen.“
Der Autoflug-Chef und Mittelstandssprecher der deutschen Wehrtechnikindustrie sagte bei der Kundgebung auf dem Betriebsgelände, zu der die IG Metall aufgerufen hatte: „Es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze, um Frieden und Freiheit hier in unserem Land und um unsere Sicherheit“, so der geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens, das seit 1919 besteht und Rettungs-, Sicherheits-und Gurtsysteme wie Schleudersitze für die militärische Luftfahrtindustrie und Panzerproduktion in Deutschland und Europa herstellt, wartet und instand setzt. „Die deutsche Luftfahrtindustrie muss erhalten bleiben.“
Schon 2027 drohen die Lichter für die Zulieferindustrie hierzulande auszugehen
Nach den derzeitigen Plänen würde 2030 die Produktion des europäischen Eurofighter-Programms zu Ende gehen, erklärte der Autoflug-Chef weiter. Dann würden die letzten 58 dieser Kampfflugzeuge für die deutsche und spanische Luftwaffe produziert werden.
„Bei uns in Rellingen würden aber schon 2027 die Eurofighter-Lichter ausgehen, wenn es für die Fertigung kein weiteres Ausrüstungsprogramm geben sollte“, sagte Kroell. Nicht nur die Arbeitsplätze, auch das so wichtige Know-how dieser wehrtechnischen Ausrüstung würde für immer verloren gehen und eine zehnjährige Lücke entstehen, sollte es kein Nachfolgeprogramm für weitere 100 Eurofighter-Maschinen geben, warnte Kroell.
15 Prozent des Umsatzes bei Autoflug hängt am Eurofighter-Programm
Bei Autoflug hingen sieben Millionen Euro, etwa 15 Prozent des Jahresumsatzes von 55 Millionen Euro, an der Eurofighter-Industrie, sagte der Autoflug-Chef auf Nachfrage des Abendblatts. Bundesweit wären 120 Rüstungs- und Zulieferbetriebe mit insgesamt 25.000 Arbeitsplätzen vom Eurofighter-Aus betroffen.
Im Gespräch sei, die Rüstungsindustrie in den USA mit dem Bau dortiger Kampfjets mit deutschen Steuergeldern in Milliardenhöhe zu subventionieren. Das dürfe nicht passieren, forderte auch Rellingens Bürgermeister Marc Trampe. „Es geht hier um die Beteiligung des deutschen Mittelstandes an diesem Sondervermögen. Das Geld muss auch bei unserem Mittelstand ankommen, der Planungssicherheit braucht.“
Die Gemeinde Rellingen würde voll hinter dem Unternehmen Autoflug stehen, das seit 65 Jahren mit derzeit 280 Mitarbeitenden sicherheitsrelevante Technik für die Bundeswehr produziert und wartet, sagte Trampe. „Sie haben unsere volle Unterstützung.“
Auch das Wirtschaftsministerium stützt die Wehrindustrie im Land
Das gelte auch von Seiten der Landesregierung, sage Julia Carstens, die eigens aus dem Wirtschaftsministerium in Kiel nach Rellingen angereist war. „Wir wollen gute Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein erhalten und wir unterstützen ausdrücklich auch die wehrtechnische Industrie in unserem Land“, sagte die Staatssekretärin.
„Wir stehen an Ihrer Seite. Die Arbeitsplätze und das Know-how müssen in Schleswig-Holstein bleiben.“
Bundesregierung riskiert Verlust von Kernkompetenzen
Hier gehe es um „Kernkompetenzen und Schlüsseltechnologien“, die auf dem Spiel stünden, warnte auch die Betriebsratsvorsitzende Maike Junge von Autoflug. „Die Bundesregierung hat ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bundeswehr aufgelegt. Doch bei uns in Rellingen kommt davon wenig an“, klagte sie.
„Wir erwarten, dass das Steuergeld, das jetzt dafür ausgegeben wird, Arbeitsplätze auch hier bei uns sichert. Hier geht es um uns. Um uns alle“, rief sie den Kollegen zu, die in großer Zahl zur Kundgebung auf das Betriebsgelände gekommen waren.
IG-Metall-Sekretär Trulsson: Ihr macht hier einen Super-Job
IG-Metall-Bevollmächtigter Kai Trulsson sagte, dass seine Gewerkschaft nicht immer und so offen für die hiesige Wehrindustrie geworben hätte. Aber „ihr macht hier einen Super-Job“, rief er den Autoflug-Mitarbeitenden zu. Es dürfe nicht sein, dass nun diese Milliarden-Steuergelder ausländischen Firmen vor allem in den USA zugutekommen sollen, während die eigene Rüstungsindustrie leer ausginge.
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„Wenn es in den Sonntagsreden heißt, wir dürfen uns nicht zu sehr von Dritten abhängig machen, muss auch die Bundesregierung dafür sorgen, dass mit den 100 Milliarden Euro deutsche Arbeitsplätze finanziert werden und erhalten bleiben“, forderte der IG-Metall-Sekretär.
IG Metall hat zu bundesweiten Protesten aufgerufen
Es dürfe nicht sein, dass mit dem deutschen Wehretat US-amerikanische Unternehmen für den Bau des F35-Kampfjets und des Transporthubschraubers Chinook finanziert werden, sagte Trulsson. Dadurch würden neben dem Eurofighter auch der Bau des Hubschraubers Tiger vor dem Aus stehen. „Damit ignoriert die Bundesregierung die berechtigten Interessen der hiesigen Beschäftigten und Unternehmen.“
Die IG Metall hat in dieser Woche zu einer bundesweiten Protestaktion aufgerufen, um die Bundesregierung zu ermahnen, die deutsche Wirtschaft in vollem Umfang an der Modernisierung der Bundeswehr zu beteiligen.