Moorrege. Gemeindebürgermeister ist ein Fulltime-Job. Doch die Entschädigung ist kaum mehr als ein Taschengeld. Ein Moorreger schlägt nun Alarm.

Die 4700 Einwohner zählende Gemeinde Moorrege hat ein Problem aufgegriffen, das schon bald immer mehr kleine Gemeinden im Land treffen könnte: Werden sie auch in Zukunft noch jemanden finden, der oder die das Bürgermeisteramt wie zurzeit Wolfgang Balasus (73) ehrenamtlich ausübt?

Würden diese dabei in Kauf nehmen, dass er oder sie dafür mit einer monatlichen Pauschale von derzeit 1482 Euro für diesen „Fulltime-Job“ abgespeist werde, wie Balasus seinen Arbeitsaufwand nennt. Oder müssen die amtsangehörigen Gemeinden künftig hauptamtliche Bürgermeister oder Bürgermeisterinnen einstellen, mit entsprechender Besoldung, was mit Versorgungsleistungen rund 120.000 Euro pro Jahr kosten würde? Eine Zwischenlösung gibt es bislang nicht in Schleswig-Holstein.

Schlechte Bezahlung: Gibt es bald keine ehrenamtlichen Bürgermeister mehr?

Die Freien Wähler in Moorrege, die zweitstärkste Fraktion nach der CDU und vor den Grünen, haben das Problem bereits im Kommunalwahlkampf aufgegriffen: Was passiert, wenn der pensionierte Schulleiter Balasus als Bürgermeister aufhört? Wird sich dann wieder ein Mann oder eine Frau finden und diese wichtige Aufgabe in der Gemeinde übernehmen. Wird die Person genügend Zeit dafür haben, weil sie bereits beruflich im Ruhestand ist?

Denn nebenberuflich sei diese Aufgabe nicht zu bewältigen, betont Balasus. Der Aufwand sei ähnlich hoch wie zu seiner Zeit als Leiter einer Gemeinschaftsschule in Uetersen. Er wolle nicht falsch verstanden werden, erklärt Balasus. „Bürgermeister in meiner Gemeinde zu sein, ist eine schöne Aufgabe, die ich gerne mache und die mir Spaß bringt.“

Heißt es bald „Bürgermeister verzweifelt gesucht“?

Aber bisher habe die Gemeinde Moorrege großes Glück gehabt, dass Karl-Heinz Weinberg vor ihm 26 Jahre lang das Bürgermeisteramt ausführen konnte, weil dessen Sohn überwiegend den Familienbetrieb geleitet habe, sagt Balasus. Glück habe die Gemeinde auch, da er sich als Pensionär keine Sorgen wegen der Bezahlung machen müsse. „Aber wir müssen aufpassen, dass es nicht irgendwann heißt: Bürgermeister verzweifelt gesucht.“

Es könne schwierig werden, eine geeignete Person zu finden, die diesen Fulltime-Job weiterhin für ein Taschengeld mache, warnt Moorreges Bürgermeister. Denn von 1482 Euro Aufwandsentschädigung im Monat allein könne kein ehrenamtlicher Bürgermeister leben.

Berufstätige haben oftmals nicht genug Zeit für das Ehrenamt

Berufstätige würden aus zeitlichen Gründen meist nicht infrage kommen. Darum diskutierte der Moorreger Gemeinderat jetzt darüber, ob nicht die Aufwandsentschädigung erhöht oder ein hauptamtlicher Bürgermeister halbtags beschäftigt werden könnte. Doch die gesetzlichen Vorgaben hierzu seien streng und ließen dies nicht zu, heißt es auf Nachfrage aus dem Innenministerium.

„Amtsangehörige oder auch amtsfreie Gemeinden, die nicht die Geschäfte des Amtes führen oder deren Verwaltungsgeschäfte von einer anderen Gemeinde oder von einem Amt geführt werden, werden grundsätzlich ehrenamtlich verwaltet“, teilt Ministeriumssprecher Tim Radtke dazu mit. Die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung sei dann die ehrenamtliche Bürgermeisterin oder der ehrenamtliche Bürgermeister.

Bestimmte Gemeinden können hauptamtliche Bürgermeister wählen

Es gibt allerdings einen Ausweg. Da in etwas größeren, aber noch ehrenamtlich verwalteten Gemeinden der Arbeitsaufwand für das Amt der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters sehr hoch werden könne, habe der Gesetzgeber in der Gemeindeordnung die Möglichkeit eröffnet, dass die Gemeindevertretung in Gemeinden mit mehr als 4000 Einwohnerinnen und Einwohnern beschließen kann, eine hauptamtliche Bürgermeisterin oder einen hauptamtlichen Bürgermeister zu wählen.

Davon haben nach Angaben des schleswig-holsteinischen Gemeindetages bislang 16 Städte und Gemeinden ohne eigene Verwaltung, die zwischen 4000 und 8000 Einwohner zählen, Gebrauch gemacht. Dazu gehören beispielsweise Glücksburg bei Flensburg oder Tönning in Nordfriesland, das etwa genauso groß ist wie Moorrege. Auch in Nortorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) soll der nächste Bürgermeister hauptamtlich sein.

Hauptamtliche Bürgermeister bedeuten enorme Kosten für Gemeinden

Doch dann müsse dieser mit der Besoldungsgruppe A15 bezahlt werden, betont Ministeriumssprecher Radtke. Das bedeutet monatlich 5773 bis 7251 Euro. Dass diese Aufgabe mit einer niedrigeren Besoldung, zum Beispiel nach A9 (2985 bis 3868 Euro) dotiert werden könne, „ist ausgeschlossen, da die Kommunalbesoldungsverordnung diese Besoldungsgruppe nicht vorsieht“.

Auch ein teilzeitlich bezahlter Hauptberuf, wie ihn Balasus und die Freien Wähler in Moorrege vorschlagen, sei nicht möglich, so das Innenministerium. Für die Tätigkeit der kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten gelte der Grundsatz der Vollzeitbeschäftigung. „Eine Begrenzung auf eine Teilzeitbeschäftigung dürfte allenfalls nur im begründeten Einzelfall im Rahmen der bestehenden allgemeinen beamtenrechtlichen Regelungen erfolgen.“

Aufwandsentschädigung für Bürgermeister kann nicht erhöht werden

Andererseits dürfe auch die Aufwandsentschädigung nicht erhöht werden, heißt es vom Ministerium. Eine gesetzliche Zwickmühle. „Einem Ehrenamt ist immanent, dass hierfür keine Vergütung oder Besoldung erfolgt“, erklärt Sprecher Radtke.

Die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sei ein pauschalierter Auslagenersatz und nur eine Entschädigung für den Aufwand an Zeit und Arbeitsleistung. Ein Vergleich zum Mindestlohn verbiete sich deshalb.

Bürgermeisteramt bedeutet „irren zeitlichen Aufwand“

Doch in Anbetracht des Arbeitsaufwandes eines ehrenamtlichen Bürgermeisters will Balasus das nicht gelten lassen. Als Fulltime-Job betrachtet, würde er weniger als zehn Euro in der Stunde verdienen. Er müsse für die Bürger und die Arbeit in der Gemeinde und im Amt Geest und Marsch da sein sowie Gremiensitzungen in Moorrege, im Amtsausschuss, beim Schulverband und dem Abwasserzweckverband wahrnehmen.

„Das ist ein irrer zeitlicher Aufwand, der unter Mindestlohn besoldet ist“, wundert sich Michael Adam, Fraktionschef der Freien Wähler Moorrege (FWM). „Und wir haben noch jede Menge Projekte wie Schulbau, Kindergärten, Klimaplan.“

Moorrege könnte Kosten von mehr als 100.000 Euro pro Jahr nicht stemmen

Sollte die Gemeinde sich für einen hauptamtlichen Bürgermeister entscheiden, müsste Moorrege nach derzeitigem Stand etwa 86.000 Euro Jahresgehalt nach A15 für einen hauptamtlichen Bürgermeister aufwenden und weitere knapp 30.000 Euro im Jahr in die Versorgungskasse für seinen Ruhestand einzahlen. Zudem müsste die Gemeinde noch einen Bürgervorsteher wählen, der wiederum bis zu 400 Euro im Monat erhielte.

„Das würde sofort ein Loch in unseren Haushalt reißen“, sagt Adam. „Wir wünschen uns mehr Flexibilität vom Gesetzgeber in dieser Frage.“ Aktuell habe der Gemeinderat die Entscheidung, auf einen hauptamtlichen Bürgermeister zu wechseln, wegen dieser finanziellen Vorgaben zurückgestellt, erklärt Adam. „Aber das Thema wird uns wieder einholen. Die Problematik trifft viele kleinere Gemeinden im Land.“

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Thorsten Karstens vom Gemeindetag Schleswig-Holstein macht wenig Hoffnung, dass sich daran bald etwas ändert im Land. „Wir sind in dieser Frage eher zurückhaltend.“ Letztlich müsse die Gemeinde selbst entscheiden, ob sie diese Aufgabe haupt- oder ehrenamtlich mit den gesetzlichen Vorgaben erfüllt wissen wolle.

Der Gemeindetag habe dem Landtag schon mehrfach vorgeschlagen, auch Gemeinden unter 4000 Einwohnern diese Wahlfreiheit zu lassen. „Bisher hat die Landespolitik das nicht aufgegriffen“, sagt Karstens. Aber wenn sich immer weniger Menschen für diese Ehrenämter zur Verfügung stellten, „ist es nicht gut für unsere Demokratie“.