Uetersen. Andrea Junken verrät am Sonntag, was ihr Handwerk so herausfordernd macht – und zwar in einer der schönsten Kirchen des Kreises.
Wenn Andrea Junken arbeitet, dann sind oft die Augen des Himmels auf sie gerichtet. Das gilt auch in der Klosterkirche in Uetersen. Dort legt die Restauratorin gerade die letzten Feinheiten an das gut 200 Jahre alte Abendmahlgemälde an. Die Jünger, die neben Jesus sitzen, scheinen sie anzuschauen und über ihre Arbeit zu sprechen. Macht sie es auch richtig?
Ja. Andrea Junken macht vieles wieder so schön, wie es ursprünglich mal war. Seit gut 40 Jahren beschäftigt sich die gebürtige Stuttgarterin mit historisch bedeutsamen Gemälden. Außerdem hat sie sich auf gefasste Holzobjekte spezialisiert. Das sind Skulpturen und andere Kunstwerke auf und aus dem Werkstoff Holz.
Einzige vom Verband anerkannte Restauratorin im Kreis Pinneberg
Ihre Gutachten sind gefragt. Sie ist die einzige Restauratorin im Kreis Pinneberg für diesen Fachbereich, die auch die Qualitätsstandards des Deutschen Restauratorenverbandes (VDR) erfüllt. In Schleswig-Holstein leben und arbeiten etwa 50 in dieser Fachrichtung ausgebildete Frauen und Männer. Im Kreis Pinneberg sind natürlich auch viele Fachkollegen aus dem nahen Hamburg aktiv.
In der Klosterkirche ist Andrea Junken schon mehrfach beschäftigt gewesen. Jeder Besucher kennt das überragende Deckenfresko mit dem Engelskonzert, das Jarek Kulicki 2010 restauriert hat. Die Wedelerin gehörte damals zu seinem Team, das auf dem hohen Gerüst über Kopf monatelang die ursprünglich frischen Farbtöne wieder unter dem Schmutzschleier hervorholte.
Andrea Junken restaurierte auch das Gemälde der Uetersener Ehrenbürgerin
Die Stadt Uetersen beauftragte sie zudem 2020/21, die beiden Ölgemälde der Ehrenbürger Cäcilie Bleeker (1798-1888) und ihres Ehemanns Anton Georg (1788-1865) zu restaurieren. Zusammen führte das Paar die Sägemühle in der Deichstraße und gründete die „Bleeker-Stiftung“, um ein Krankenhaus in Uetersen zu bauen. Die Bilder hängen im Trauzimmer des Uetersener Rathauses.
Für solche Aufgaben gibt es oft keine Mittel aus öffentlichen Kassen. Doch Museumsleiterin und Stadtarchivarin Ute Harms konnte andere Geldquellen erschließen: Spenden der Bürgerstiftung VR Bank in Holstein und der Sparkasse Südholstein hatten die Auftragsvergaben ermöglicht. Und wie so oft kam bei den Untersuchungen heraus: Die jüngsten Restaurierungen waren sehr unfachmännisch ausgeführt und beschädigte Stellen grob übermalt worden.
„Es ist eine spannende, schöne und befriedigende Arbeit“
Trotz aller Sünden aus der Vergangenheit, die sie heilen muss, und der oft kühlen und staubigen Räumen, in denen sie arbeitet, liebt Andrea Junken ihren Beruf. Wenn sie über ihre Arbeit erzählt, dann leuchten ihre Augen so, wie die bearbeiteten Werke später auch den Betrachtern entgegen strahlen sollen. „Es ist immer wieder eine spannende, schöne und befriedigende Arbeit“, erzählt die Wedelerin.
Andrea Junken hatte sich schon als Jugendliche sehr für Kunst interessiert. Für eine eigenständige Karriere als Künstlerin fühlte sie sich dennoch nicht berufen. Kunstgeschichte probierte sie aus, war aber nicht das, was sie zufrieden machte.
Es ist wichtig zu wissen, wie Werkstoffe aufeinander reagieren
Sie wollte gern „mit der Hand und dem Kopf arbeiten“ und setzte auf praktische Erfahrungen. Andrea Junken arbeitete sechs Jahre in anerkannten Restaurierungswerkstätten, im Denkmalamt und im Museum.
Hinzu kamen Weiterbildungen in Materialkunde, Chemie, Physik. Dieses Wissen, wie Stoffe auf- und miteinander reagieren, ist für die Arbeit der Restauratoren immens wichtig. In alten Zeiten und in den Nachkriegsjahren bis weit in die 60er-Jahre hinein fehlte dieses Wissen oft denjenigen, die historische Werke überarbeiteten.
Vier Schichten beim Kruzifix aus Kollmar abtragen
So ist es heute oft eine der ersten Aufgaben der Fachleute, schlecht reagierende Kleber, falsche Farben und andere wenig optimale Ersatzmaterialien zu entfernen. Manchmal müssen erst mehrere Deckschichten, wie beim Kruzifix in der Kollmaraner Kirche, entfernt werden, um an die ursprüngliche Version zu kommen.
„Das Werk muss authentisch bleiben. Altersspuren sind Teil der Objektgeschichte“, erzählt Andrea Junken über ihren grundsätzlichen Arbeitsansatz. „Die Eingriffe müssen so gering, aber auch so effektiv wie möglich erfolgen.“
Erfahrung sammeln in Paris, Bamberg, Kiel und Hamburg
Die Wahl-Wedelerin ist froh, dass in ihrer Ausbildung die Praxis ganz obenan stand. Paris, Bamberg, Kiel und Hamburg waren ihre ersten Stationen, um Erfahrungen zu sammeln. Anschließend arbeitete sie angestellt im Altonaer Museum, wo sie durch einen Brand beschädigte Gemälde restaurieren.
Zur Jahrtausendwende machte sich Andrea Junken mit eigener Werkstatt selbstständig. Auch heute wird angehenden Restauratoren geraten, zuerst angestellt zu arbeiten. Denn die Praxis im Studium ist häufig nur auf ein Semester beschränkt. Dafür gibt es mittlerweile acht Hochschulen, an denen in Deutschland Restauratoren ausgebildet werden.
Fachkundiger Nachwuchs wird dringend gesucht
„Nachwuchs wird dringend gesucht“, sagt Andrea Junken. Sie war viele Jahre im Vorstand des deutschen Dachverbands der Restauratoren tätig. Jetzt konzentriert sie sich wieder auf ihre eigenen Aufträge und hält auch gern Vorträge, um für ihren Beruf zu werben.
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Anhand ihrer jüngsten Restaurierung des Abendmahlgemäldes in Uetersen wird Andrea Junken am Europäischen Tag der Restaurierung, Sonntag, 15. Oktober, noch mehr über ihre Arbeit verraten. Wer dabei sein will, sollte rechtzeitig vor 15 Uhr in die Klosterkirche kommen.