Uetersen. Noch immer bestimmen adelige Damen das Leben im Klosterbezirk Uetersen mit. Jetzt eröffnet dort auch ein neues Restaurant.

Die junge Mutter suchte mit ihrer Tochter eine neue Bleibe: Schöner Wohnen in Uetersen. Schon vorher hatte sie sich in diesen romantischen Stadtteil verliebt: das fast 800 Jahre Gelände mit seinem Kloster. Auch wenn sie nicht in ihrem liebsten Gebäude unterkam, wurde sie hier heimisch – 36 Jahre ist das jetzt her.

Leben im Uetersener Kloster: Schöner Wohnen, wo einst die Nonnen waren

„Ich bin super zufrieden“, erzählt Ursula Weber-Kalk. Jeden Tag streift sie mit ihrem kleinen Hund Socke durch den Bezirk, der an jeder Ecke Geschichte und menschliche Nähe ausstrahlt. „Hallo Chris. Schaust Du nachher noch mal bei mir rein? Hallo Irene. Wie geht es Dir?“

Ursula Weber-Kalk an ihrem Lieblingsplatz im eigenen Garten. Seit 36 Jahren lebt sie in einer Wohnung im Klosterbezirk, anfangs mit ihrer Tochter, jetzt mit Hund Socke.
Ursula Weber-Kalk an ihrem Lieblingsplatz im eigenen Garten. Seit 36 Jahren lebt sie in einer Wohnung im Klosterbezirk, anfangs mit ihrer Tochter, jetzt mit Hund Socke. © Michael Rahn

Wer nicht mit Fotoapparat ausgerüstet um die Ecken schleicht und klar als Tourist auszumachen ist, wird freundlich begrüßt. Man kennt sich, schätzt sich, passt aufeinander auf. „Nachbarschaftshilfe wird großgeschrieben“, erzählt sie.

Kloster in Uetersen: Ein Vollbluthandwerker kümmert sich um alles

Fast überall trifft man auf „Chris“ Seffrin. Er ist seit mittlerweile zwei Jahrzehnten der Mann, der sich gemeinsam mit einem kleinen Team um alles kümmert. Der gelernte Tischler und Betonbauer hatte einst als Auftragnehmer an einer Grundsanierung eines Gebäudes mitgewirkt, überzeugte und war von Klosterpropst Hubertus Graf von Luckner sofort fest engagiert worden – ein Glücksgriff.

Kloster Uetersen: Der gelernte Tischler und Betonbauer Chris Seffrin ist seit 20 Jahren Handwerker für alles sowie Restaurator und kundig in Denkmalpflege.
Kloster Uetersen: Der gelernte Tischler und Betonbauer Chris Seffrin ist seit 20 Jahren Handwerker für alles sowie Restaurator und kundig in Denkmalpflege. © Michael Rahn

Der Vollbluthandwerker ist rund um die Uhr im Einsatz. Wenn wie zu Ostern ein Wasserrohr platzt, dann greift er auch im Sonntagsanzug sofort zur Zange.

Natürlich hat er sich weitergebildet, um mit den Denkmalschützern, die bei Bauvorhaben zurate gezogen werden müssen, auf Augenhöhe über die Maßnahmen beratschlagen zu können. „Das ist bei uns immer wieder ein Spagat zwischen Denkmalschutz und Pragmatismus“, erzählt er.

Bei jedem Spatenstich kommt Geschichte zutage

Die abwechslungsreiche Arbeit zwischen den zum Teil Hunderte von Jahren alten Mauern ist das eine, die Geschichte des Ortes ist das andere, was Seffrin so an den Ort fesselt.

„Hier musst Du nur einen Spaten in die Erde stecken, und Du buddelst sofort etwas Spannendes aus“, erzählt er und zeigt einen seiner unzähligen Ausgrabungsschätze: einen Porzellanpuppenkopf, den einst vermutlich eine adelige Dame geliebt hat.

Der leidenschaftliche Handwerker sammelt alles, was er findet: vom alten Hobel bis zum Fußteil des Steinguttopfes, der früher auf offenem Feuer brodelte. Ebenso gern bohrt er in der Geschichte und meint anhand von symmetrisch angelegten großen Feldsteinen, dass das Kloster vermutlich auf einem vorchristlich geprägten Platz errichtet wurde.

Uetersen: Viel Platz für Natur auf dem Klostergelände

Ursula Weber-Kalk hält es eher mit den weltlichen Dingen. Sie liebt die Natur, die sich im öffentlichen Park und an jedem unbebauten Platz des Klosterbezirkes entfalten kann. Alle Bewohner, zurzeit gibt es gut 30 Mietparteien, haben hier kleine und große Gärten, die sie so gestalten, wie sie es mögen.

Rund um die Klosterkirche gibt es wunderschöne Wege und Plätze für jeden Besucher und jede Besucherin.
Rund um die Klosterkirche gibt es wunderschöne Wege und Plätze für jeden Besucher und jede Besucherin. © Michael Rahn

Eine gute Nachbarin ist Irene Ratzmer. Sie hat sich direkt neben ihrer Wohnung den Garten von Wildkraut und Krempel freigekämpft. Nun genießt sie bei allen Gelegenheiten ihr Kleinod nahe der Priörinnenscheune, die die Gesellschaft der Freunde des Klosters zu einem schönen Veranstaltungsraum hergerichtet hat.

Priorin war ein Amt im Frauenkloster. Sie war die Vorsteherin für die adeligen Damen, die nach der Reformation im 16. Jahrhundert im Kloster leben durften. Bis heute gehören junge Frauen zum Adelsstift in Uetersen und genießen Wohnrecht, was aber keine wahrnimmt. Zurzeit sind es sechs junge Frauen. Drei haben aufgrund ihrer Heirat dieses Recht verloren.

Großer Flohmarkt an der Klosterscheune

An der Priörinnenscheune wird demnächst ein großer Flohmarkt veranstaltet – eine schöne Gelegenheit, das Kloster und seine Bewohnerinnen und Bewohner kennenzulernen. Freigegeben ist das Handeln und Feilschen in und an der Klosterscheune am Sonnabend, 23. September, von 10 bis 16 Uhr sowie am folgenden Sonntag von 10 bis 16 Uhr.

Schon jetzt hat ein Ort endlich wieder geöffnet, der über viele Jahre ein Anziehungspunkt im Klosterbezirk war: das Restaurant im Haus der Priörin. Nach dem Restaurant „St. Esprit“ und dem „Klosterschätzchen“, das vornehmlich als Eventlokal der Kochfabrik betrieben wurde, wird es hier demnächst wieder Essen à la carte geben.

„Klosterschatz“ serviert ab September à la carte

Yusuw Miakil (31) als Pächter sowie Ercan Cicekli als Restaurantleiter bauen das Restaurant neu auf. Bis dahin werden dienstags bis freitags Kaffee und selbst gebackene Kuchen gereicht. Ab 1. September sollen aus der modernen deutschen Küche kulinarische Genüsse für die Gäste serviert werden.

Sie lenken die Geschicke im neuen „Klosterschatz“: Yusuf Miakil (l.) und Ercan Cicekli eröffnen das Restaurant, das schon jetzt für Events und dienstags bis freitags Kaffee und Kuchen geöffnet ist. Ab 1. September wird auch à la carte serviert.
Sie lenken die Geschicke im neuen „Klosterschatz“: Yusuf Miakil (l.) und Ercan Cicekli eröffnen das Restaurant, das schon jetzt für Events und dienstags bis freitags Kaffee und Kuchen geöffnet ist. Ab 1. September wird auch à la carte serviert. © Michael Rahn

Das Restaurant, zu dem eine Außenstelle des Standesamtes der Hochzeitsstadt Uetersen gehört, bleibt aber auch eine Adresse für Hochzeits- und andere große Feierlichkeiten.

Die beiden jungen Männer haben sich in der Event-Szene als Dienstleister einen Namen gemacht. Jetzt bauen sie eigene Lokalitäten auf. Uetersen ist nach dem Schloss Beichlingen in Thüringen die zweite Gastronomie unter ihrer Regie.

Graf von Luckner ist der dienstälteste Klosterpropst

Begeistert sind Bewohner und Bedienstete von der Verwaltung ihres kleinen Dorfes inmitten der Stadt: Großes Lob erhält Klosterpropst Hubertus Graf von Luckner. Seit 30 Jahren verwaltet er gemeinsam mit seiner Frau Sabine, geborene von Gwinner, das 1255 von den Rittern von Barmstede gegründete Kloster. Damit ist der Bankkaufmann und Diplom-Volkswirt der dienstälteste aller 45 bisherigen Verwalter.

Jüngstes wieder in Glanz gesetztes Schmuckstück: das Vorwerk. Hier ist weiterhin die Werkstatt untergebracht. In den alten Gefängniszellen tauchten Schnitzereien der Gefangenen auf, die dort bis Ende des 19. Jahrhunderts einsaßen.
Jüngstes wieder in Glanz gesetztes Schmuckstück: das Vorwerk. Hier ist weiterhin die Werkstatt untergebracht. In den alten Gefängniszellen tauchten Schnitzereien der Gefangenen auf, die dort bis Ende des 19. Jahrhunderts einsaßen. © Michael Rahn

Und diese Amtszeit, in der zahlreiche Renovierungen – zuletzt das Vorwerk mit der Werkstatt und den früheren Gefängniszellen – umgesetzt wurden, kann noch länger werden.

Denn im Oktober müssen die sechs aktuellen Stiftsdamen darüber bestimmen, wer diese Aufgabe künftig wahrnimmt. Hubertus Graf von Luckner, der auch Kommendator des Johanniterordens ist, würde gern weitermachen und in den kommenden fünf Jahren an seinen Nachfolger weitergeben.

So wird sich das Leben im Klosterbezirk Uetersen beständig weiterentwickeln.