Pinneberg. Sie begannen im Nichts der Kulturförderung. Jetzt bilden 180 Einzelkünstler und Vereine einen Lobbyverband. Das wird jetzt gefeiert.

Sämtliche Gelder für die Kulturförderung im Kreis Pinneberg werden gestrichen. Dagegen erhebt sich Protest der Betroffenen. Sie schließen sich zusammen und gründen den Kreiskulturverband. Zum Glück ist das lange her. Interessant ist, welche Rolle dabei ein Kirchenmusiker spielte.

„Wie Ihnen allen bekannt, leiden unsere auf kulturellem Gebiet tätigen Vereine, Orchester und Künstlervereinigung in steigendem Maße unter dem zurückgehenden Interesse der Öffentlichkeit.“ Mit diesen Worten rüttelte der Uetersener Kantor Richard Plath (1930-2010) in einem Brief die kulturell Tätigen im Kreis Pinneberg auf, sich gegen den Sparbeschluss des Pinneberger Kreistags mithilfe eines neuen Verbandes zu wehren.

Elke Werner aus Tornesch zeigt ihr Werk mit dem Titel „Geh Deinen Weg und finde Deine Mitte“.
Elke Werner aus Tornesch zeigt ihr Werk mit dem Titel „Geh Deinen Weg und finde Deine Mitte“. © Michael Rahn

Plath, Kegel und Allenberg gehörten zu den Gründern

17 wichtige Akteure aus 14 Vereinen und Gemeinschaften der Kulturszene, darunter der Wedeler Musiklehrer Heinz Kegel (Kammerorchester der Stadt Wedel) und der Vorsitzende der Kreiskünstlergilde Martin Allenberg gehörten zu den Gründungsmitgliedern. Mittlerweile hat sich die Gruppe der kulturell Verbundenen mehr als verzehnfacht, auch dank vieler Einzelkünstler.

2011 übernahm Elke Ferro-Goldstein als erste Nicht-Kirchenmusikerin das Amt der Vorsitzenden des Kreiskulturverbandes. Sie löste Waltraut Buchholz ab, die 13 Jahre und damit so lange wie kein anderer den Verein geführt hat.
2011 übernahm Elke Ferro-Goldstein als erste Nicht-Kirchenmusikerin das Amt der Vorsitzenden des Kreiskulturverbandes. Sie löste Waltraut Buchholz ab, die 13 Jahre und damit so lange wie kein anderer den Verein geführt hat. © Anne Dewitz

50 Jahre ist die Gründung des Verbandes nun her. Dieses Jubiläum soll in diesen Tagen groß gefeiert werden. Denn die Initiative hatte Erfolg, bereits ab 1974 wurden vom Kreis wieder Fördergelder bereitgestellt, und das kulturelle Leben im Kreis Pinneberg ist auch dank der Dachorganisation von Künstlern reich.

Acht Autoren, 64 Künstler, sieben Musiker und drei Tänzer gestalten Programm

Zum Jubiläum präsentieren acht Autoren, 64 Künstler, sieben Musiker und drei Tänzer die ganze Bandbreite der kulturellen Vielfalt des einzigen Kulturverbands auf Kreisebene in Schleswig-Holstein.

Die Ausstellung in der Drostei Pinneberg läuft vom 16. bis 24. September und ist während der Veranstaltungen geöffnet, die in der Regel ab 11 Uhr bis in die Abendstunden andauern. Wechselnde Künstler führen durch die Ausstellung. Der Eintritt zu allen Programmpunkten ist frei.

Kultusministerin Prien eröffnet das Jubiläumsprogramm

Schleswig-Holsteins Kulturministerin Karin Prien eröffnet die Veranstaltungsreihe am Freitag, 15. September, von 19 Uhr an – allerdings in geschlossener Gesellschaft.

Die Künstlerinnen und Künstler widmen sich dem zukunftsorientierten Projekt „…und in mir wächst der Baum“. Der Titel ist ein Zitat aus dem Gedicht „Es winkt zu Fühlung“ von Rainer Maria Rilke (1875-1926). Der die Freiheit und Natur liebende Autor weilte um 1900 auch des Öfteren in Haseldorf beim Dichterprinzen Emil von Schoenaich-Carolath.

Rilkes „Baum“ symbolisiert die Abhängigkeit des Menschen von der Natur

Das Gedicht veranschaulicht in wenigen Worten die untrennbare Verbundenheit und Abhängigkeit von Mensch und Natur. „Der Baum symbolisiert die Vielfalt des Lebens“, erläutert Gudrun Arlt, die aktuelle Vorsitzende des Kulturverbandes.

Schriftstellerin Sibylle Hallberg (rechts), der Künstler Martin Musiol und die Musikerin Petra Matthieszen-Eitze gestalten die Programme des Kreiskulturverbands aktiv mit.
Schriftstellerin Sibylle Hallberg (rechts), der Künstler Martin Musiol und die Musikerin Petra Matthieszen-Eitze gestalten die Programme des Kreiskulturverbands aktiv mit. © Katja Engler

Immer wieder griff der Verband bei seinen Kulturtagen, -wochen und -wochenenden sensible Themen auf wie die „Erb:Last“ über Traumata der Nachkriegsgeneration. Diese Arbeiten sind 2021 in einer Broschüre dokumentiert worden.

Kreiskulturzentrum Drostei wird zum Veranstaltungs-Magnet

Mehr als 50 Veranstaltungen sind für die kommenden Tage in der Landdrostei Pinneberg, dem Kreiskulturzentrum, geplant. „Auf unterschiedlichen Ebenen zeigen und beschreiben sie einerseits das geniale, natürliche Zusammenspiel aller Kräfte und Wesen auf dem Planeten Erde, andererseits vom Menschen verursachte Katastrophen, die ein Chaos ankündigen, dem er möglicherweise nicht mehr gewachsen sein wird. Die drängendsten Fragen unserer Gegenwart werden thematisiert“, sagt Sibylle Hallberg vom Organisationsteam des Kulturverbandes.

Hier ein paar Auszüge aus dem Programm: Am Sonnabend, 16. September, liest von 17 Uhr an Martin Musiol. Daran schließt sich eine Diskussion an, ob man in diese Welt noch Kinder setzen könne.

Lyrik und Prosa der Pinneberger Autorin Sybille Hallberg

Von 19 Uhr an steht eine musikalische Lesung auf dem Programm. Unter dem Titel „Wie ein Blatt im Wind“ trägt die Pinneberger Autorin Sibylle Hallberg Lyrik und Prosa vor. Musikalisch begleitet wird sie von Katharina Fast.

Petra Matthieszen-Eitze singt am Mittwoch, 20. September, Lieder von Joni Mitchell.

Diskussionsabend: Künstliche Intelligenz und Kunst heute

Wie wirkt sich Künstliche Intelligenz auf die Kunst aus – dieses Thema wird am Donnerstag, 21. September, von 19 Uhr an im Gartensaal diskutiert. In der Ausstellung zeigen Claus und Janusz Reichelt ein Beispiel. Sie haben einer KI den Auftrag erteilt, ein Werk zum Rilke-Zitat zu erschaffen.

Fotografin Anja Artzt ist mit ihrer Video-Installation „Future Forest“ vertreten. Sie leitet Schüler eines 13. Jahrgangs an, die am Freitag, 22. September, von 13 Uhr an eine Improvisation zum Thema Bäume geben. Auch die wiederkehrenden Performances verschiedener Künstler beruhen auf Improvisation.

Lesung für Kinder ab fünf Jahre

Kinder ab fünf Jahre können am Sonnabend, 23. September, von 11 Uhr an der „Geschichte vom silbernen Blatt“ lauschen.

Claus Reichelt, der seine mit Umweltschützer-Sprüchen versehenen Holzstelen „Les Témoins“ (die Zeugen) ausstellt, moderiert am Sonnabend, 23. September, von 17 Uhr an eine Diskussion über die Letzte Generation.

Es wird nicht die letzte Veranstaltung des Kreiskulturverbandes sein. Die Akteure haben noch viele Pläne für die Zukunft.