Pinneberg. Kleiderordnung im Klassenzimmer: Was Schulleiter im Kreis Pinneberg davon halten. In dieser Schule gibt es sogar Jackett-Tage.
„Die Schule ist kein Strand und kein Club“, so unverblümt formuliert es Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Auch Christiane Gotte, Vorsitzende des Bundeselternrats (BER), wandte sich vor wenigen Tagen mit dem Wunsch nach Kleidungsregeln an Schulen an die Öffentlichkeit, um „unangemessene, lottrige, zerrisse oder freizügige Kleidung“ von den Pausenhöfen und aus den Klassenräumen zu verbannen.
Nur an wenigen Schulen im Kreis Pinneberg sind Kleidung und Mode ein Politikum. Das Gros der Schulleiterinnen und Schulleiter berichtet, keine Debatten über Jogginghosen, Bauchfrei-Shirts und Co. zu führen. Und eine Bildungseinrichtung – die Leibniz Privatschule – hat sich der Diskussionen mit ihrer strikten Kleiderordnung schon vor vielen Jahren entledigt.
Schulen in Pinneberg: Kleidungsordnung ist die Ausnahme
„Alles im Normalbereich“, so Sekretärin Nicole Salomons Kommentar zum typischen Klassenraum-Outfit der Schülerinnen und Schüler an der Helene-Lange-Schule in Pinneberg. Wegen einer Jogginghose würde hier zwar niemand nach Hause geschickt, grundsätzlich kleideten sich die Schüler aber sowieso anständig.
Außerdem: In einer Grundschule spielten Streitpunkte wie Bauchfrei-Shirts bei Mädchen noch keine große Rolle, sagt Salomons.
„Wer maßt sich an, was angemessen ist?“, fragt ein Schulleiter
Auch Thomas Gerdes, Schulleiter der Grund- und Gemeinschaftsschule der Stadt Pinneberg im Quellental, kann nicht behaupten, dass das Thema Schulkleidung ein typischer Diskussionspunkt im Kollegium oder bei Elternabenden wäre.
Kleiderregeln gibt es an seiner Schule nicht: „Wer maßt sich an, was angemessen ist?“, begründet er. „Wir sprechen aber sehr wohl mit unseren Schülerinnen und Schülern über allgemein übliche ,Regeln’ und Maßstäbe die für verschiedene Arbeitsplätze üblicherweise gelten.“
Von der Aussage der Vorsitzenden des BER, Christiane Gotte, dass die Kinder und Jugendlichen „lottrig“ zur Schule kämen, nimmt der Schulleiter Abstand. Auch habe der fehlende Dresscode in seiner Schule Gerdes’ Meinung nach keinen „signifikant auffälligen Einfluss“ auf die Lernhaltung der Schüler oder Mobbing wegen der Kleiderwahl.
Jackett-Tage und Krawatten an Privatschule in Elmshorn und Kaltenkirchen
Ganz anders sieht das die Leibniz Privatschule mit Standorten in Elmshorn und Kaltenkirchen, wie Egon Boesten, Geschäftsführer und Schulleiter in der Kaltenkirchener Dependance, erzählt. Hier gibt es nach Vorbild der Partnerschule in Neuseeland nämlich eine strikte Kleiderordnung – zumindest von der Hüfte an aufwärts. Das heißt: Schuhe und Hose wählen die Schülerinnen und Schüler selbst, die einheitliche Oberbekleidung kaufen sie von der Schule.
Diese Regeln gelten schon seit vielen Jahren für sämtliche Schüler von der ersten bis zur 13. Klasse und sind Bestandteil der Schulverträge mit den Eltern. Zu den wöchentlichen sogenannten Ansprachen ist zudem das Tragen eines Jacketts verpflichtend. Die Oberstufenschüler müssen sogar an jedem Wochentag Jackett tragen, auch Krawatten gehören hier zur Kleiderordnung.
Leibniz Privatschule: Weniger Konfliktpotenzial wegen Schulkleidung?
Hinter dem Dresscode stehen zwei Überlegungen, erklärt Schulleiter Boesten. Einerseits gelte: „Unsere Schüler sollen sich mit dem profilieren, was sie im Kopf haben und nicht mit dem, was sie anhaben“, sagt er. Der Markenwahn und damit einhergehende Ausgrenzungen würden so umgangen.
Andererseits wüssten sich die Schüler dank der Kleidung besser zu benehmen und das Konfliktpotenzial nehme ab, so sein Eindruck.
Gerade in der Anfangszeit habe es Anfeindungen gegenüber den schuluniformierten Kindern und Jugendlichen der Leibniz Privatschule gegeben, etwa am Morgen im Schulbus, erzählt Boesten. Dies habe glücklicherweise mit der Zeit abgenommen.
Leibniz Privatschule: Einheitliche Schulkleidung statt „Militärlook“ und Jogginghosen
Jogginghosen oder ein „Militärlook“ seien in der Leibniz Privatschule heute undenkbar, so Boesten. In solchen Fällen würden die Lehrkräfte die Schüler sogar zum Umziehen nach Hause schicken.
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„Das hört sich vielleicht ein bisschen altmodisch und altbacken an“, gibt der Schulleiter der Kaltenkirchener Schule zu, gehöre aber zum Konzept und habe sich in den vergangenen Jahren bewährt.
Schulkleidung: Landeselternbeiräte Schleswig-Holsteins beklagen Sexismus
Ganz klare Stellung gegen die Forderungen der BER-Vorsitzenden Christiane Gotte beziehen im Übrigen die Landeselternbeiräte der Gemeinschaftsschulen, Berufsschulen, Grundschulen und Förderzentren Schleswig-Holsteins. Es handele sich dabei nicht um den Wunsch nach Kleidungsregeln des gesamten BER, sondern um eine „persönliche Aussage von Frau Gotte“, heißt es in einem Statement.
Laut der zeichnenden Landeselternbeiräte sei es eine „Kompetenzüberschreitung, Schülerinnen und Schülern (wie auch deren Eltern) vorzuschreiben, in welcher Bekleidung diese zum Unterricht erscheinen“. Außerdem werfen die Landeselternbeiräte Gotte aufgrund der Formulierung „Mütter können [mit einer Kleiderordnung] einer Diskussion aus dem Weg gehen“ Sexismus vor.