Kreis Pinneberg. Rolf Heidenberger ist das Herz von „Appen musiziert“: Was die Besucherinnen und Besucher am Sonntag erwartet.

Hinschauen, zuhören, helfen. Rolf Heidenberger hilft. Mit Spenden aus der Musik. Seit mehr als 33 Jahren. Rolf Heidenberger ist ein Herzensmensch. Er ist das Herz von „Appen musiziert“.

Die Veranstaltung ist die bundesweit größte ehrenamtliche Benefizorganisation einer Feuerwehr. Viele Hundert schwerkranke Kinder konnten in 25 Jahren mit den Spendengeldern unterstützt werden. Doch dann erkrankte Rolf Heidenberger selbst und mit Appen musiziert war 2015 erst mal Schluss.

Die gute Nachricht: Rolf Heidenberger hat den Schwarzen Hautkrebs (Malignes Melanom) besiegt und bleibt ‚Appen-musiziert-infiziert‘. Will heißen: Am Sonntag, 3. September, geht’s weiter. Es gibt viel zu besprechen, deshalb habe ich mich aufgemacht zu Rolf Heidenberger in den Kreis Pinneberg.

„Appen musiziert“: Der weltbekannte Organist Franz Lambert kommt nach Appen

Es ist kurz vor zehn an diesem Donnerstagvormittag Ende August. Der 73-Jährige sitzt am Schreibtisch im Arbeitszimmer seines Wohnhauses an der Appener Hauptstraße. Nur wenige Tage sind es bis zum Konzert in der Sporthalle Distelkamp, und es gibt noch viel vorzubereiten: Der weltbekannte Organist Franz Lambert macht auf seiner Europatournee am 3. September Station in Appen. Die Stralsunder und Malchower Spielmannszüge haben sich angesagt. Und Pepe aus Neustrelitz. Der Neunjährige will auf der Appener Bühne zeigen, was für ein begnadeter Trommler er schon in jungen Jahren ist.

Auch Rolf Heidenberger hat früh sein Herz für die Musik entdeckt. Der gebürtige Appener trat 1964 mit 14 Jahren in den Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr ein und ist seit 1971 aktives Feuerwehrmitglied. Im März 1990 kam dem gelernten Großhandelskaufmann die Idee zu einer Veranstaltung mit Hobbymusikern in der alten Appener Turnhalle. Die Ehefrauen und Mütter verkauften Kaffee und selbst gebackenen Kuchen. Rund 5000 Mark kamen damals zusammen für die Kinderkrebsstation im UKE Hamburg – „Appen musiziert“ war geboren!

„Appen musiziert“: 80 Künstlerinnen und Künstler traten bisher im Dorf auf

Dann ging es ab in Appen: Rund 80 Künstler holte der Vater eines Sohnes im Laufe der Jahre auf die Appener Bühne. Sie alle traten ohne Gage auf. Boney M waren dabei, Tony Christie, The Rattles, Semino Rossi, Nicole – und Drafi Deutscher.

Die Künstler in die 5000-Einwohner-Gemeinde zu holen, war stets nicht ohne. Das war auch bei Drafi so. „Ich war schon immer ein Fan. Für mich war er einer der größten Schlagersänger Deutschlands“, sagt Rolf Heidenberger. „Der konnte auch live singen und hat wunderbare Stücke komponiert, die die meisten Leute gar nicht kennen. Wie das Lied ‚Amen‘ – einer der Lieblingssongs meiner Frau und mir.“

Der größte Coup war die Verpflichtung von Drafi Deutscher

Er habe alles versucht, Drafi nach Appen zu holen. „Ich habe beim NDR angerufen und um seine Adresse gebeten. Doch die spielten ihn damals wegen seiner Skandale nicht. Das war mir egal. Ich wollte ihn. Beim Frühstück an einem Sonntagvormittag hörten wir in den NDR-Nachrichten, dass Drafi am Abend zuvor in der Lübecker Kirche ‚Marmor, Stein und Eisen bricht, aber Gottes Liebe nicht‘, gepredigt hatte. Also rief ich beim Pastor der Kirche an. Der gab mir die Telefonnummer seines Managers Wolfgang Heer. Ich griff wieder zum Hörer. Eine halbe Stunde später meldete der sich zurück: ‚Hier ist Wolfgang. Hör zu, Alter. Ich habe mit Drafi gesprochen. Wir kommen. Kohle brauchen wir nicht. Schick mir ‘ne E-Mail, wo das ist.‘“

Und dann kam er, den bekannten Schlapphut auf dem Kopf, eine Kette mit dickem Kreuz um den Hals – und sang. Bei den ersten drei Tönen von ‚Marmor, Stein und Eisen bricht‘ habe die Halle getobt wie nur drei Mal in der Zeit von „Appen musiziert“. „Drafi wollte gern später noch mal bei uns auftreten“, sagt Rolf Heidenberger. Dazu ist es nicht gekommen. Der Künstler erkrankte und starb 2006 mit nur 60 Jahren.

„Appen musiziert“: Mehr als sieben Millionen Euro an Spenden kamen bisher zusammen

Mehr als sieben Millionen Euro an Spenden konnte „Appen musiziert“ mit Unterstützung der Künstler und den vielen Sponsoren im Laufe der Jahre für schwerkranke Kinder sammeln: „Wenn ein Hilferuf kam, haben wir nach vorheriger Prüfung sofort gespendet“, sagt Rolf Heidenberger. „Getreu dem Motto: Wir tun was für die Kinder. Für die medizinische Versorgung muss der Staat aufkommen. In der Kinderkardiologie des Kinderherzzentrums Kiel haben wir beispielsweise drei Zimmer total sanieren lassen und Laptops für die kleinen Patienten gekauft, die sie während ihres Klinik-Aufenthalts nutzen konnten.“

Was zeichnet einen erfolgreichen Spendensammler aus? „Seriosität und Glaubwürdigkeit“, sagt Rolf Heidenberger. „Die Spender vertrauen uns, weil wir nachweisen können, dass wir die Gelder zu 100 Prozent weitergeben! Das, so behaupte ich mutig, ist unser Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Wir kennen keine Sach-, Personal- und Verwaltungskosten.“

2015 erkrankte Heidenberger an Hautkrebs

Wer, wenn nicht wir als gesunde Menschen können helfen, sei stets seine Devise gewesen, betont Rolf Heidenberger. Doch nach 25 Jahren und 30 Veranstaltungen hieß es 2015 plötzlich: Schluss mit „Appen musiziert“. Rolf Heidenberger war ein Jahr zuvor lebensgefährlich an Schwarzem Hautkrebs im Ohr erkrankt.

Aufgeben? Für den Mann mit der markanten Stimme keine Option! „Ich rief Professor Kramer, den damaligen Direktor der Kinderherzklinik, mit den Worten an: ‚Ich habe ein Problem, jetzt müsst ihr mir helfen.‘“ Bereits am Dienstag darauf hatte Rolf Heidenberger ein OP-Vorgespräch im Universitätsklinikum Kiel.

Ehefrau Christel steht ihrem Mann seit 51 Jahren zur Seite

Das Schwein besiegt mich nicht, habe er sich damals gesagt. Denn zu verlieren, das sei er nicht gewohnt. Immer an seiner Seite: Ehefrau Christel (68), mit der er seit 51 Jahren verheiratet ist. „Wir sind wie Zwillinge“, sagt Rolf Heidenberger. „Sie hat mich bei jeder Veranstaltung unterstützt und durch jede Erkrankung begleitet, und ich habe gesundheitlich viel durchgemacht. Dafür bin ich ihr von Herzen dankbar.“

So haben die beiden in neun Jahren auf dem Weg zur Gesundung einfach gemeinsam weitergemacht: große Veranstaltungen in der Appener Jürgen-Schumann-Kaserne mitorganisiert und die „Aktion Keine Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ gegründet.

„Das Bundeskriminalamt veröffentlicht jedes Jahr eine Statistik, die aufzeigt, wie vielen Kinder durch häusliche Gewalt oder Missbrauch großes Leid angetan wird. Das hat mich erschüttert, und ich habe gedacht: Das müssen wir in die Gesellschaft tragen. Darüber müssen wir reden“, sagt Rolf Heidenberger. „So habe ich 2020 unter dem Dach von „Appen musiziert e.V.“ die Aktion unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Daniel Günther ins Leben gerufen. Mit dem Ziel, durch Kunst-, Musik- und Reittherapie traumatisierte Kinder und Jugendliche zu unterstützen und sie zu einem gesunden Selbstwertgefühl zurückzuführen.“

Rolf Heidenberger: „Die neue Pandemie ist Trägheit“

Ein Teil der Spenden der Konzertveranstaltung am 3. September wird in die Aktion einfließen. Durch das Programm wird Rolf Heidenberger wie immer persönlich führen. Nicht nur, um für weitere Spenden zu werben. Auch, um die Zuschauer zu bewegen, sich wieder vermehrt ehrenamtlich zu engagieren. „Wir haben nach zwei Jahren Corona inzwischen eine weitere Pandemie. Die Pandemie der Trägheit. Das beklage ich sehr. Seit meinem 14. Lebensjahr bin ich Vollblut-Ehrenamtler. Und brenne dafür. Für mich ist ein Ehrenamt immer auch eine Ehre, dass ich das Amt übernehmen durfte. Das macht mich stolz und dankbar. Und dafür möchte ich wieder mehr Menschen in unserer Gesellschaft gewinnen.“

Spricht’s und macht sich nach Ende unseres Gesprächs auf ins Nebenzimmer Richtung Heimorgel. Um mir einen musikalischen Wunsch zu erfüllen: Der passionierte Hobby-Organist spielt Drafi Deutschers „Marmor, Stein und Eisen bricht“ in seiner ganz eigenen Version. Und verrät mir abschließend noch, dass er sich mit „Appen musiziert“ seinen Jugendtraum erfüllt habe: „Alle Stars, für die ich damals schwärmte, habe ich mir später auf die Bühne nach Appen geholt…“

„Appen musiziert“: So kommen Sie noch an Karten

„Appen musiziert“ mit Franz Lambert, 3. September, Beginn 15.30 Uhr mit Kaffee, Kuchen, Grillwurstverkauf, Sporthalle Distelkamp in Appen, Tickets ab 15, Euro online sowie an den Oil-Tankstellen Haag in Appen, im Ticketcenter A. Beig in Pinneberg, unter der Mailadresse und an der Abendkasse, viele weitere Infos unter www.appen-musiziert.de.