Ellerhoop/Kreis Pinneberg. Eindringlicher Vortrag von Sven Plöger bei Florum-Messe der Baumschulwirtschaft. Experte fordert Pflichtjahr zur Klimarettung.
Mit einem dramatischen Appell hat die grüne Branche im Kreis Pinneberg ihre Fachtage begonnen. In der Wiege des Waldes und dem größten zusammenhängenden Baumschulgebiet Europas wird zum vierten Mal die Florum-Messe abgehalten. Noch bis zum Freitag, 25. August, laden Baumschulbetriebe Besucher zu Tagen der offenen Tür ein.
Die Fachvorträge, die im Gartenbauzentrum der Landwirtschaftskammer in Ellerhoop zu hören sind, drehen sich vor allem um den Klimawandel. Bei der Eröffnung der Messe hat ARD-Wetterfrosch Sven Plöger eindringlich an das Klimabewusstsein der etwa 150 Zuhörer im Saal appelliert und gefordert, dass hierzulande ein freiwilliges Pflichtjahr für alle zur Rettung des Klimas eingeführt werden sollte.
Sven Plöger: ARD-Wetterexperte zum Klimawandel: „Da kommt ein Tsunami auf uns zu!!
Der fernsehbekannte Diplommeteorologe begann seinen einstündigen Appell für den Klimaschutz mit einem Witz: „Treffen sich zwei Erden, sagt die eine, mir geht es nicht gut: Ich habe Homo sapiens. Sagt die andere: Macht nichts – das geht vorüber.“ Die Botschaft dahinter erklärte Plöger auch: „Die Erde braucht den Menschen nicht. Aber wir brauchen die Erde, um zu überleben.“
Mit zahlreichen Schautafeln, Statistiken und Luftaufnahmen zeigte Plöger auf, wie dramatisch der Klimawandel bereits fortgeschritten ist. Die Gletscher schmelzen, das arktische Eis habe sich seit 1979 um 3,3 Millionen Quadratkilometer verkleinert, die Wassertemperatur am Mittelmeer habe 30 Grad Celsius erreicht, der Jetstream, der die Luftatmosphäre zwischen Nordpol und Äquator in Bewegung hält, ist zum Teil abgerissen, weil die Temperaturunterschiede sich angeglichen haben.
Um 1,2 Grad Celsius ist die Durchschnittstemperatur bereits seit 1850 angestiegen
Um 1,2 Grad Celsius ist die Durchschnittstemperatur bereits seit 1850 angestiegen. Damit lasse sich das erklärte Klimaziel der Weltpolitik von höchstens 1,5 Grad in diesem Jahrhundert nicht mehr einhalten. Im besten Fall würden es 1,8, im schlimmsten Fall sogar 3,6 Grad mehr werden, führte Plöger aus. Die gegenwärtigen Maßnahmen zum Klimaschutz würden eine Steigerung von 2,7 Prozent ausmachen.
Was diese Zahlen bedeuten, zeigte der Meteorologe anhand der letzten Eiszeit auf. Als vor 11.000 Jahren die Erde vier Grad kälter war als heute, lagen weite Teile der Erdmasse unter Eis und Schnee. Berlin sei 500 Meter, New York sogar 1,5 Kilometer unter Eis gewesen. Daraus könnten wir erkennen, was eine Temperatursteigerung um weitere vier Grad für uns bedeuten würde: Hitze, Dürre, Starkregen, Überschwemmungen. „Der Lebensraum geht verloren“, dozierte Plöger. Und das bei einer Weltbevölkerung, die bei acht Milliarden Menschen noch nicht ihre finale Größe erreicht hat.
Sommer in Deutschland sind messbar heißer geworden
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien also da und von niemandem mehr zu leugnen, dass sich die Erde zunehmend erwärmt. Auch das konnte Plöger an einem Schaubild verdeutlichen. So sind die Sommer in Deutschland in den vergangen 35 Jahren bis auf die beiden Ausnahmen 2010 und 1996 immer wärmer geworden und inzwischen schon zwei Grad über dem Durchschnitt seit 1881 angelangt.
Wer diese krasse Entwicklung, die mit roten und blauen Balken für Wärme und Kälteperioden dargestellt waren, nicht erkennen sollte, dem empfehle er zum Augenoptiker zu gehen, sagte der Meteorologe.
Klimakrise: Nichts zu tun, sei menschlich, aber nicht hilfreich
Angesichts dieser dramatischen Entwicklung der Klimakrise nichts zu tun, sei zwar menschlich, aber nicht hilfreich, betonte Plöger. So habe die Evolution den Menschen mit der Eigenschaft bedacht, bei Gefahr erst einmal abzuwarten und Kraft zu sparen, weil er nun mal ein Gewohnheitstier sei. Doch das reiche nicht mehr aus. „Da kommt ein Tsunami auf uns zu. Den Klimawandel zu beherrschen, wird eine Riesenherausforderung und eine OP am offenen Herzen.“
Deutschland, das mit 750 Millionen Tonnen CO2 im Jahr am sechstmeisten von den 194 Staaten in der Welt das Klima schädige, was einem Anteil von zwei Prozent entspreche, könnte und müsste selbst etwas dagegen tun. Und zwar jetzt und rasch. Ein freiwilliges soziales Jahr für das Klima hielte er für ein mögliches Instrument, das helfen könnte, schlug Plöger vor.
Sven Plöger: Städte, die sich im Sommer aufheizen, müssen „verländlicht“ werden
Bürokratische Hürden für erneuerbare Energien müssten endlich abgebaut werden. Und die Städte, die sich im Sommer besonders aufheizen, müssten „verländlicht“ werden, indem sie mehr begrünt und bewässert würden, sagte der Wetterexperte.
Und genau da käme der grünen Branche und der Baumschulwirtschaft eine „Schlüsselfunktion“ zu, ist Plöger überzeugt. „Wir brauchen grüne und blaue Oasen in der Stadt, um die Lufttemperaturen zu senken.“ Die Garten- und Baumschulbetriebe seien aufgerufen, „Pflanzen mit Migrationshintergrund“, also widerstandsfähige Klima-Bäume und Gehölze zu züchten.
Klimaresistente Bäume werden im Kreis Pinneberg gezüchtet
Hier traf sich der Wetterfrosch mit den Gastgebern vom Bund deutscher Baumschulen. Deren Präsident Hajo Hinrichs versprach, dass die grüne Branche bereits stark in diesem Bereich gerade am Gartenbauzentrum in Ellerhoop forsche und solche Pflanzen entwickle.
So würden seit zwölf Jahren im Gartenbauzentrum Ellerhoop diese Klimaresistenten Baumarten gezüchtet, die jetzt in Heide, Husum, Kiel und Lübeck auf ihre Widerstandsfähigkeit im Straßenverkehr getestet würden, erläuterte Andreas Wrede, der hier das Baumschulversuchswesen leitet.
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Landwirtschaftsminister Werner Schwarz hielt sogar eine kleine Ode auf die Bedeutung des Baumes, der an Wertschätzung gewonnen habe. „Der Baum ist ein Multitalent.“ Er sorge für Sauerstoff, spare Kohlenstoff, spende Schatten, stelle grüne Dekoration dar, produziere Obst und sei ein nachwachsender Rohstoff.
Und Mitgastgeberin Ute Volquardsen von der Landwirtschaftskammer freute sich über den Hauptredner, Wetterfrosch Plöger: „Sie können das Wetter immer so gut erklären, dass man es versteht, auch wenn an sich ein anderes wünscht.“