Rellingen. Mit Detektivarbeit legt der Verein Animal Care Strukturen eines Hamburger Clans offen. Wie das Geschäft funktioniert, wie die Tiere leiden.
Sie sind ja so niedlich, wie sie da auf dem Foto im Internet posieren. Hundefans müssen sie einfach haben, aber Achtung: „Oft sind die Welpen, die online angeboten werden, todkrank und wurden viel zu früh von ihrer Mutter getrennt“, sagt Sina Hanke, Vorsitzende von Animal Care – der Rellinger Tierschutzverein mit seiner Vorsitzenden an der Spitze hat sich den Kampf gegen den illegalen Welpenhandel zum Ziel gesetzt.
Und es damit zu erheblicher Medienpräsenz gebracht: Unter anderem die Stormarner Ausgabe des Abendblatts, „Tagesschau“ und NDR berichten über einen überregional interessanten Prozess im Amtsgericht Reinbek. Der 28 Jahre alten Angeklagten Ebru A. (Name geändert) werden Tierquälerei, Betrug und illegaler Welpenhandel vorgeworfen – ein Fall, der ohne den Einsatz der Rellinger Tierschützer wohl nicht vor Gericht gelandet wäre.
Hunde-Mafia: Rellinger Tierschützer bringen Welpenhändlerin vor Gericht
„Wir haben allein von 2020 bis 2022 mehr als 130 Fälle dem Hamburger Welpenhändler-Clan zugeordnet“, sagt Sina Hanke, die im Prozess als Zeugin ausgesagt hat. Dieses kriminelle Netzwerk biete die Welpen, die in Osteuropa für den lukrativen Verkauf gezüchtet und oft unter krank machenden Bedingungen gehalten werden, in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen an. „Die Händler sind hochkriminell und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück“, sagt die Tierschützerin.
Es handele sich um clanähnliche, mafiöse Strukturen und ein Milliardengeschäft. Nach dem Drogen- und Waffenhandel sei der illegale Welpenhandel das einträglichste Geschäft. Beim Welpenverkauf gehe es den Anbietern ausschließlich um möglichst hohen Gewinn. So sei ein Toy-Pudel-Welpe für knapp 2000 Euro auf dem Online-Portal Quoka inseriert worden.
Hunde-Mafia: Tierschützerin liefert sich Verfolgungsjagd mit Angeklagter
In einer langwierigen detektivischen Arbeit habe der Rellinger Verein Verkäufe dokumentiert, Online-Anzeigen archiviert und Zeugen befragt. Die Vorsitzende leitete hierbei ein ganzes Team und war persönlich an verdeckten Einsätzen beteiligt, um die skrupellosen Welpenhändler zu überführen, zu denen auch die Angeklagte gehören soll.
So sei sie im August 2020 in eine Verfolgungsjagd mit der Angeklagten verwickelt gewesen und habe sie mit Unterstützung der Polizei in einer Postfiliale stellen können, sagt Hanke. Kurz zuvor habe die Angeklagte den Tierschützern, die sich als Kaufinteressenten ausgaben, einen kranken Welpen zum Verkauf angeboten. Ein weiteres Tier, das die Angeklagte am Vortag verkauft habe, sei kurz darauf verstorben.
Werden sie zu früh von der Mutter getrennt, leiden Hunde ihr Leben lang
Nachdem der frühere Anführer des Clans, Manuel M., im Frühjahr 2021 wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden war, steht jetzt Ebru A. vor Gericht. Sie soll als Verkäuferin für die Hunde-Mafia gearbeitet haben.
Zu früh von der Mutter getrennte Welpen würden für den Rest ihres Lebens leiden, sagte Kreisveterinärin Stefanie Roschat, die als Zeugin geladen und selbst bei einer fingierten Übergabe dabei war. Es fehlten nicht nur die Geborgenheit, sondern auch jegliche Sozialisierung als Hund sowie das Immunsystem.
Kreisveterinärin: „Diese Welpen sterben uns Tierärzten unter den Händen weg“
Gegen das Parvovirus, das unter den Welpen aus dem Ausland grassiere, hätten die Kleinen meist keine Chance. „Das ist eine ganz, ganz schreckliche Erkrankung“, berichtete Roschat: „Diese Welpen sterben uns Tierärzten unter den Händen weg.“
Die Angeklagte schweigt, ihr Verteidiger versucht, die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu erschüttern. Am Freitag, 18. August, wird die Verhandlung fortgesetzt.
Investigativteam deckt auf: Tierärztin wirkt am illegalen Welpenhandel mit
Außerdem habe Animal Care aufgedeckt, wie eine Hamburger Tierärztin am illegalen Welpenhandel mitgewirkt habe. „Um diesen Gesetzesverstoß zu ermitteln und zu dokumentieren, haben wir mit einem Team von investigativen Journalisten der Produktionsfirma Docma TV im Auftrag von Sat.1 Gold zusammengearbeitet“, sagt Hanke.
„Zunächst werden die Tiere oft ohne gültige Papiere aus Osteuropa nach Deutschland geschmuggelt, um sie hier mit möglichst hoher Gewinnmarge zu verkaufen“, sagt die Tierschützerin, die zusammen mit dem Investigativteam immer wieder auf Impfpässe für die Welpen gestoßen sei, die von ein und derselben Hamburger Veterinärin unterzeichnet wurden.
Illegaler Welpenhandel: Hunde mit Impfpapieren lassen sich besser verkaufen
Als ein Lockvogel der Tierschutzorganisation unter einem Vorwand im April die Tierarztpraxis aufgesucht habe, habe die Veterinärin gestanden, illegal importierte Welpen zu impfen und damit den illegalen Welpenhandel zu unterstützen. „Die Veterinärin bestätigte, dass in den letzten Jahren die Nachfrage nach Impfpapieren für illegal importierte Welpen immens gestiegen sei und sie daher viele Kunden habe, für die sie die gewünschten Papiere ausstellen würde“, sagt Hanke.
Denn Welpen mit Impfpapieren ließen sich deutlich leichter und zu höheren Preisen verkaufen. Animal Care habe daraufhin Strafanzeige gegen die Tierärztin bei der Polizei erstattet und das zuständige Veterinäramt Hamburg Mitte sowie die Tierärztekammer informiert.
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Tierschützer warnen mit Plakaten auf Lkw, Hunde online zu kaufen
Dokumentiert worden sei das Geständnis der Veterinärin von einem Kamerateam, das den Lockvogel der Tierschutzorganisation bei den Ermittlungen begleitet habe. Sat.1 Gold strahlt unter dem Titel „Soko Welpenhandel – Sat.1 Gold investigativ“ eine vierteilige Reportage-Reihe mit Moderator Jochen Bendel aus und zeigt damit das Ausmaß des illegalen Welpenhandels in Hamburg und die Beteiligung der Veterinärin.
Mit einer ungewöhnlichen Initiative will Animal Care die Menschen über die kriminellen Geschäfte mit den Hundebabys informieren: Seit Kurzem rollen zwei Lkw mit Anhängern durch Norddeutschland, auf deren Hecktüren davor gewarnt wird, Hunde online zu kaufen: „Kinder kauft man nicht im Internet … Tierkinder auch nicht“, ist dort zu lesen.
Animal Care: Kriminelle Händler streng bestrafen!
„Die Inhaberin der Spedition NBN Transport in Hamburg, Nicole Brzozowski, unterstützt uns schon seit Jahren und hat uns angeboten, die Lkw-Anhänger als Werbe- und Warnfläche zu nutzen“, sagt Sina Hanke. Die Familie komme aus Polen und wisse, unter welchen schlimmen Bedingungen Hunde in Polen für den deutschen Markt produziert werden.
„Der illegale Welpenhandel ist ein Milliardengeschäft mit hoch kriminellen Strukturen, und Hamburg ist zu einer regelrechten Welpenhändler-Hochburg geworden“, sagt Sina Hanke. Animal Care fordert, alle, die sich am kriminellen Handel mit den Hundebabys beteiligen, streng zu bestrafen. Zugleich appelliert der Verein an die Behörden, gegen den illegalen Welpenhandel konsequent vorzugehen.