Kreis Pinneberg. Aktuelle Studie zeigt die Ursachen in allen Altersgruppen im Kreis Pinneberg. Der neue, große Gesundheitsreport gibt einen Überblick.
Das ist der vielleicht umfassendste Gesundheitsbericht für den Kreis Pinneberg, den es je gab. Er beantwortet Fragen wie: Wie krank oder gesund sind die Menschen im Kreis? Wie alt werden sie? Woran sterben sie? Ist die medizinische Versorgung im mit genau 322.248 Bürgerinnen und Bürgern bevölkerungsreichsten Kreis Schleswig-Holsteins gut oder nur ausreichend? Und spielt der soziale Status dabei eine Rolle?
Diese und viele andere Antworten gibt der aktuelle Gesundheitsbericht, den die Kreisverwaltung jetzt mit reichlich Datenmaterial auf mehr als 200 Seiten vorgelegt hat. Diese Datenanalyse diene dazu, den Gesundheitsschutz und die –vorsorge in den nächsten Jahren noch zu verbessern, erklärt Dr. Angelika Roschning, Leiterin des Gesundheitsamtes im Kreis Pinneberg.
Gesundheitsreport im Kreis Pinneberg: Sterberate, Geburten, Krebs – so ist die Lage
„Gesundheit soll für alle Menschen erreichbar sein – unabhängig von wirtschaftlichen und sozialen Faktoren. Das ist das Ziel.“ Dafür sei der aktualisierte Gesundheitsbericht jetzt ein wichtiges Instrument, um gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zu ergreifen. „Das betrifft sowohl die Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung als auch Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention.“
Wie das gesamte Land ist auch der Kreis Pinneberg schon recht betagt. Das Durchschnittsalter beträgt hier 45,1 Jahre. Die stetige Überalterung zeigt auch der Altersquotient, der seit 1950 von 16 auf jetzt auf 38,2 Prozent gestiegen ist. Das heißt, auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter (20 bis 65) kommen 38 ältere Senioren. Parallel dazu ist hier der Anteil junger Menschen unter 20 Jahren von 54 im Jahr 1970 auf jetzt 32,8 im Kreis Pinneberg gesunken.
Wie hoch ist die Lebenserwartung von Männern und Frauen?
Die Lebenserwartung ist bei den Männern mit 78,4 Jahren etwas höher als der Bundesdurchschnitt. Bei den Frauen mit 82,8 Jahren etwas darunter. Im Jahr 2021 sind 2828 Menschen im Kreis Pinneberg geboren worden (1481 Jungen, 1347 Mädchen) und 3872 gestorben, darunter 1971 Männer und 1901 Frauen. Das waren knapp sieben Prozent mehr Todesfälle als im Jahr 2020. 86,6 Prozent der Verstorbenen waren älter als 65 Jahre alt. Etwa 520 Menschen sind demnach jünger gestorben.
Bei ihnen war eine Krebserkrankung oft der Grund für das frühe Dahinscheiden. Insgesamt starben 2021 967 Menschen an Krebs, jeder vierte Todesfall im Kreis war dafür verantwortlich. Die häufigste Todesursache bei Krebs ist bei Männern und Frauen der Lungenkrebs. Bei Männern ist mit 22,4 Prozent Prostatakrebs die häufigste Neuerkrankung, bei Frauen mit 30,8 Prozent Brustkrebs. Die Fünf-Jahresüberlebensrate bei einer Krebserkrankung liegt bei 67 Prozent für Frauen und bei 61 Prozent für Männer.
Kreis Pinneberg: Welche Ursachen am meisten zum Tod führen
Haupttodesursache waren hier ebenso wie im Bundesgebiet Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Fast jeder dritte Todesfall (1147) ist darauf zurückzuführen. „Auch wenn die Zahl insgesamt rückläufig ist, so sind die Herz-Kreislauf-Erkrankungen immer noch Todesursache Nummer eins, insbesondere bei den über 65-Jährigen“, heißt es in der Studie. Denn 90 Prozent der an Herz-Kreislaufschwäche Verstorbenen waren älter als 65 Jahre alt. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Hauptursachen seien Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und anhaltender Stress.
Jeder 14. Bürger im Kreis Pinneberg ist an Diabetes (Typ 2) erkrankt. Es sind 23.500 Fälle. Die meisten von ihnen sind älter als 60 Jahre alt. 4300 Frauen und 2850 Männer erkranken im Kreis Pinneberg jedes Jahr an Arthrose. 5174 Menschen wurden wegen Muskel-Skelett-Erkrankungen klinisch stationär behandelt. 17.200 Menschen im Kreis Pinneberg (5,4 Prozent der Bevölkerung) leiden an einer chronischen Obstruktiven Lungenkrankheit (COPD), weitere etwa 10.000 Menschen an Asthma (2,4 bis 3,7 Prozent).
Erste Geburt: Unterschiede zwischen Frauen mit und ohne Migrationsgeschichte
Statistisch gesehen hätten die Verstorbenen zusammen noch etwa 45.000 Jahre leben können, jeder also noch etwa zwölf Jahre. Etwa jeder 20. Bürger des Kreises Pinneberg ist 2021 stationär im Krankenhaus behandelt worden. Insgesamt waren es 59.370 Behandlungsfälle. Jeder siebte musste wegen Herz-Kreislauf-Problemen in die Klinik, etwa jeder neunte wegen einer schweren Verletzung, etwa jeder zehnte (6013 Patienten) wegen einer Krebserkrankung.
Die Mütter sind bei der Geburt ihres ersten Kindes in Schleswig-Holstein durchschnittlich 30,3 Jahre alt. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede nach der Herkunft. Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft sind meist zwischen 30 und 34 Jahre alt, wenn sie ihr erstes Kind zur Welt bringen. Eingewanderte Frauen haben meist schon im Alter von 24 ihr erstes Kind. Die Säuglingssterblichkeit im Kreis Pinneberg liegt mit 3,1 auf 1000 Lebendgeburten unter dem Bundesdurchschnitt. Etwas mehr als jede dritte Geburt im Klinikum Pinneberg erfolgte mit Kaiserschnitt.
Übergewicht bei Kindern: Es gibt einen Zusammenhang mit dem Spracherwerb
Die schulärztlichen Eingangsuntersuchungen von 3307 einzuschulenden Kindern in 2021/22 ergaben, dass 83 Prozent von ihnen über einen ausreichenden und 67 Prozent sogar über einen guten Wortschatz verfügen. Jedes neunte Kind ist übergewichtig (5,1 Prozent) oder gar adipös (5,7 Prozent). 3,8 Prozent waren stark untergewichtig. Beide Merkmale beeinflussen sich gegenseitig, heißt es in der Studie.
„Kinder mit schlechtem Sprachstand haben vergleichsweise häufiger Über- oder Untergewicht.“ Das Gesundheitsamt empfiehlt deshalb bereits in den Kindergärten „Angebote der Bewegungsförderung und der gesunden Ernährung zielgerichtet einzusetzen“. Jeder fünfte Erwachsene in Schleswig-Holstein ist heute adipös.
Hyperaktive Kinder: Jungen sind dreimal so oft betroffen wie Mädchen
Der Anteil der hyperaktiven Kinder ist bei Jungen mit 6,4 Prozent dreimal so hoch wie bei Mädchen (2,2 Prozent). „Auch soziale und emotionale Probleme sowie Probleme mit Gleichaltrigen wurden bei Jungen häufiger berichtet als bei Mädchen.“ Das könne daran liegen, schlussfolgert die Studie, dass Jungen ihre Verhaltensauffälligkeit oft nach außen richten, sodass diese von andren wahrgenommen werden können. Während nach innen gerichtetes Verhalten wie Traurigkeit oder sozialer Rückzug nicht so häufig wahrgenommen würden.
Ein recht großes Problem stellen psychische Probleme in der jüngeren Generation dar. 46.783 Kinder und Jugendliche waren 2020 wegen einer psychischen Störung in ärztlicher Behandlung. Wobei Jungen häufiger betroffen waren als Mädchen. Zu 39 Prozent waren dafür Entwicklungsstörungen verantwortlich. 36,4 Prozent betrafen Verhaltens-und emotionale Störungen.
Jeder siebte Fall betraf neurotische Störungen wie auch Ess- und Schlafstörungen. Dazu heißt es in der Studie: „Immer häufiger werden Entwicklungsstörungen bei jungen Kindern diagnostiziert.“ Dazu gehörten Störungen der Sprache und des Sprechens, der motorischen Funktionen und der allgemeiner schulischer Fertigkeiten.
Corona und die Folgen: Sie sind auch im Kreis Pinneberg messbar
Eine Studie des Universitätsklinikums Eppendorf habe ergeben, dass die monatelangen Schulschließungen während des Corona-Lockdowns „das Risiko für psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen insbesondere bei Kindern mit niedrigem sozioökonomischen Status, Migrationshintergrund und begrenztem Wohnraum erhöht hat.“
Bei den Erwachsenen erkrankt jede Zehnte im Kreis Pinneberg innerhalb eines Jahres an einer Depression. Hauptbetroffen sind die 60- bis 69-Jährigen. Menschen ohne Schulabschluss sind doppelt so häufig betroffen wie die mit höherem Schulabschluss.
Schlechte Zähne: Jedes siebte Schulkind ist behandlungsbedürftig
Jedes siebte untersuchte Schulkind im Kreis Pinneberg weist schlechte Zähne aus. Dieser Anteil ist seit 2017 rückläufig. Gleichwohl empfiehlt die Studie den Eltern, ihre Kinder zu regelmäßigem Zähneputzen anzuhalten und möglichst auf zuckerhaltige Getränke und Fruchtsäfte zu verzichten.
Knapp 40 Prozent der Bevölkerung im Kreis Pinneberg war mit dem Coronavirus infiziert. 657 der 124.150 registrierten Fälle sind verstorben, was einem Anteil von 0,5 Prozent der Infizierten entspricht. 90 Prozent der Verstorbenen waren älter als 70 Jahre alt.
Demenz ist ein häufig auftretendes Krankheitsbild
Jeder Zehnte der über 65-Jährigen im Kreis Pinneberg ist an Demenz erkrankt (6980 Fälle), bei den über 90-Jährigen ist es jeder vierte. Wegen der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung werde sich auch die Zahl der Demenzerkrankten stetig erhöhen, heißt es in der Studie. Darum sei es wichtig, „in der Zukunft demenz-sensible Architektur und Infrastruktur beispielsweise für Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen zu planen.“
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Der öffentliche Raum könnte für die Betroffenen zudem sicherer gemacht werden, wenn die Menschen, die ihnen darin begegneten wie Supermarktkassierer, Bankangestellte oder Polizistinnen, „mit Hilfe geeigneter Informationsmaterialien und Schulungen demenz-sensibel sind und mit ihnen umzugehen wissen.“
Gesundheitsreport Pinneberg: So ist die Ärzteversorgung im Kreis
Zur aktuellen Ärzteversorgung sagt Gesundheitsamtsleiterin Roschning: „Einen offiziellen Ärztemangel haben wir im Kreis nicht, trotzdem berichten viele Menschen von langen Wartezeiten auf Termine. Eine mögliche Ursache dafür legt der Bericht offen: Die Arztsitze im Kreis sind nicht gleichmäßig verteilt.“ So befänden sich die meisten Arztpraxen in den Städten Pinneberg, Elmshorn, Quickborn und Wedel sowie „in einem Streifen an der Hamburger Landesgrenze. Nur wenige Praxen finden sich in den nördlichen und südwestlichen Teilen des Kreises Pinneberg.“