Pinneberg/Norderstedt. Der SPD-Chef der Kreisstadt sitzt nach zehn Jahren nicht mehr im Kieler Landtag. So gelang ihm die Rückkehr in seinen alten Beruf.
Fast ein Jahr lang war sie vakant – nun ist sie wieder besetzt: Die Stelle des Schulleiters der Willy-Brandt-Schule in Norderstedt. Und gar nicht mal so gewöhnlich dabei ist, dass ein bekanntes Gesicht aus Pinneberg der Neue ist. Denn mit Kai Vogel übt das Amt seit Anfang Juni ein ehemaliger Politprofi aus.
Der 55-jährige Pinneberger ist immer noch Vorsitzender der Sozialdemokraten in seiner Heimatstadt, bringt somit nicht nur viel Erfahrung im Schuldienst mit, sondern auch aus einem ganz anderen Bereich. Er war nämlich zusätzlich, von 2012 bis 2022, als Landtagsabgeordneter in Kiel ein echter Berufspolitiker. Als Mitglied der SPD-Fraktion gestaltete er unter anderem die Schulpolitik maßgeblich mit.
Kai Vogel: Vom Pinneberger Politik-Profi zum Schulleiter in Norderstedt
Kai Vogel empfängt im Schulleiterbüro, und zwar in seiner dritten Arbeitswoche an der Willy-Brandt-Schule (WBS). Über seinen Einstieg sagt er: „Ich bin mit absolut offenen Armen empfangen worden, vom Kollegium, Schülerschaft und Eltern. Das war wirklich herzerwärmend.“
Ein Schulleiterwahlausschuss – bestehend je zu 50 Prozent aus Norderstedter Politikern sowie aus Lehrern, Eltern und Schülern der WBS – hatte Vogel am 17. März in das Amt gewählt. Vogels Vorgänger Thomas Kuhn war im Sommer 2022 in den Ruhestand gegangen, danach hatte Stefan Gimm das Amt kommissarisch ausgeübt.
Kai Vogel ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Seine Frau Anne ist ebenfalls Lehrerin, arbeitet an der Grund- und Gemeinschaftsschule im Pinneberger Quellental. Vor seinem neuen Job in Norderstedt war Kai Vogel rund ein Jahr lang an der Gemeinschaftsschule Kellinghusen tätig, als Koordinator der Jahrgänge 9 und 10.
Kai Vogel war bis 2022 Schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag
Davor allerdings hatte Kai Vogel jahrelang einen vollkommen anderen Arbeitsalltag – einen mit „80 bis 100 Arbeitsstunden pro Woche“, wie er sagt. Als SPD-Politiker im Schleswig-Holsteinischen Landtag hatte er sich auf unterschiedlichen Gebieten einen Namen gemacht, beackerte die Felder Wirtschaft, Verkehr, Zusammenarbeit in der Metropolregion Hamburg. Und dann natürlich die Bildungspolitik – Vogel war zuletzt Schulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.
2012 und 2017 hatte Vogel jeweils das Direktmandat im Landtagswahlkreis Pinneberg gewonnen. 2022 jedoch stürzte die SPD bei der Landtagswahl desaströs ab, kam nur noch auf 16 Prozent – und auch Kai Vogel verlor sein Direktmandat, ausgerechnet an Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Wie sich der Wechsel in den Schuldienst anfühlte? „Erstaunlich gut“
Auch Kai Vogels Listenplatz reichte nicht mehr für den Einzug in den Landtag, und so wechselte er nach zehn Jahren wieder in den Schuldienst. Als Beamter war er davon freigestellt gewesen, so lange er sein Mandat in Kiel wahrnahm.
Wie sich der Wechsel anfühlte? „Erstaunlich gut“, sagt Vogel. „Ich war selbst gespannt, aber habe ab der ersten Unterrichtsstunde gemerkt, dass das ein toller Job ist und dass ich mich vor 30 Jahren richtig entschieden habe.“
Landespolitik ist abgeschlossen, Mitglied im Rat will er bleiben
Vogel betont, dass er „mit Leidenschaft im Schuldienst“ arbeitet – und dass ihm seine politische Karriere auf Landesebene „eher dazwischen gekommen“ sei. „Schulleiter wollte ich eigentlich schon früher in Tornesch werden, die Schule habe ich damals mit aufgebaut“, sagt er.
Nun ist er Schulleiter – und will das auch bleiben: „Ich habe noch zwölf Jahre im Schuldienst, und die möchte ich komplett meiner Arbeit an der WBS widmen.“ Das Kapitel Landespolitik ist für ihn „abgeschlossen“, betont er. Sein ehrenamtliches Mandat als Mitglied im Pinneberger Stadtrat, das er seit Jahren hat, möchte er aber weiter ausüben.
Gemeinschaftsschule mit Oberstufe, „für mich Idealform einer Schule“
Für seinen Job als Leiter der WBS hat er sich ein E-Bike zugelegt, auf dem er nun morgens 45 Minuten zur Arbeit fährt. „Das macht den Kopf frei“, sagt er. Warum er sich ausgerechnet an der Willy-Brandt-Schule beworben hat, erklärt er so: „Die WBS hat einen sehr guten Ruf. Mich hat auch beeindruckt, dass die WBS als erste Schule in Schleswig-Holstein ‘Schule der Vielfalt’ wurde. Das zeichnet sie aus.“
Und dann ist da natürlich die Schulform. „Mir ist sehr wichtig, dass die WBS eine Gemeinschaftsschule ist, mit Oberstufenzweig. Für mich ist das die Idealform einer Schule.“ Vogel ist ein glühender Verfechter des Konzepts der Gemeinschaftsschule, weil dort „immer wieder junge Menschen ihr Abitur ablegen, denen das in der Grundschule so nicht prognostiziert wurde“, wie er sagt.
Allerdings: Dafür müssen Gemeinschaftsschulen auch einen Oberstufenzweig haben. In Norderstedt bietet das nur die WBS, in Schleswig-Holstein kann man an 43 weitere Gemeinschaftsschulen das Abitur machen – aber „an der überwiegenden Zahl dieser Schulen nicht“, sagt Vogel, der das bedauert. Anders ist es in Hamburg: Hier heißt die Gemeinschaftsschule Stadtteilschule – und jede dieser Schulen hat auch eine Oberstufe.
Neuer Schulleiter möchte die WBS in Sachen Digitalisierung voranbringen
Doch zurück zur WBS. Was möchte Kai Vogel erreichen, wo sieht er die größten Baustellen? Kai Vogel nennt das Feld der Digitalisierung. „Im Moment sind nur vier Jahrgänge mit digitalen Endgeräten ausgestattet. Ich will die Schule so aufstellen, wie es für das Jahr 2023 sinnvoll ist.“
Als „eine der größten Herausforderungen“ bezeichnet er Spätfolgen der Corona-Zeit. „Zweieinhalb Jahre Corona haben viel mit der Schule gemacht. Es sind Leistungsdefizite entstanden, etwa bei der Lesefertigkeit, auch soziale Defizite. Da müssen wir es als Schule schaffen, das zu kompensieren.“
WBS bekommt neue Sportanlagen im Willy-Brandt-Park
Dann gibt es bald noch eine ganz reale Baustelle – nämlich die Umgestaltung des Willy-Brandt-Parks, gelegen zwischen der Schule und dem Herold-Center. Die Schule nutzt schon jetzt den Park für den Schulsport, wird hier künftig aber moderne Sportflächen bekommen. „Das ist ein ganz wesentliches Vorhaben für uns. Ich schaue, ob es da noch Dinge gibt, die man für die Schule optimieren kann.“
Daran, dass die WBS-Schule auf Schüler-Initiative 2022 „Schule der Vielfalt“ wurde, erinnert eine große Regenbogenflagge im Oberstufentrakt. Kai Vogel sagt: „Ich möchte, dass wir das Motto auch weiterhin leben und es gestalten, aktiv und mit Aktionen.“
Vogel unterrichtet auch selbst, sieben Stunden pro Woche
Vogel unterrichtet auch selbst an der WBS, sieben Stunden in der Woche, Deutsch und Wirtschaft/Politik. So hat er selbst Einblicke in den Schulalltag. Kommt ihm eigentlich die Erfahrung als Abgeordneter zugute, im Job des Lehrers beziehungsweise des Schulleiters?
„Ja“, sagt Kai Vogel. „Früher wollte ich manchmal mit dem Kopf durch die Wand. Als Politiker habe ich gelernt, dass man dauerhaft nur dann etwas erreichen kann, wenn die deutliche Mehrheit der davon betroffenen Menschen überzeugt ist, dass eine Entscheidung richtig ist.“
Politik, so Vogel, lehre die Kunst des Kompromisses und der kleinen Schritte. „Schnelligkeit ist nicht immer das Entscheidende, so lange man das Ziel nicht aus den Augen verliert.“
Norderstedt: Wie die WBS von Kai Vogels politischer Erfahrung profitieren könnte
Kann die WBS darüber hinaus von Vogels Erfahrung als Politiker profitieren? „Ich weiß, wie kluge Zusammenarbeit zwischen Schule und Träger funktionieren muss wie man für seine Schule das Beste erreicht“, sagt er. Und ergänzt: „Ich hoffe schon darauf, dass die Schule davon profitiert, dass ich einen engen Draht zu Politikern der Landesebene habe.“
Zu Bildungsministerin Karin Prien, das betont Vogel, habe er ein „sehr vertrauensvolles Verhältnis“ – trotz der Tatsache, dass man einmal für unterschiedliche Parteien im selben Wahlkreis gegeneinander angetreten ist.
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Ein bisschen von der Leidenschaft für das politische Geschäft möchte Kai Vogel auch auf die Schülerinnnen und Schüler übertragen. Die Schülervertretung würde er gerne „zu einer der aktivsten in Schleswig-Holstein machen.“ Deren politische Gestaltungsmacht sei nämlich groß: „Schülerinnen und Schüler können viel mehr erreichen, als sie oft denken.“