Pinneberg. Während die Mitarbeiter an zwei andere Standorten aufgeteilt sind, wird die elektronische Akte eingeführt. Das soll Vorteile haben.
125 Mitarbeiter des Amtsgerichts Pinneberg arbeiten auf zwei Interimsstandorte verteilt – und starten dennoch in die digitale Zukunft: Vor kurzem hat die elektronische Akte (e-Akte) Einzug in Quickborn und Schenefeld gehalten, wo die Mitarbeiter derzeit tätig sind. Wann sie an ihren angestammten Standort in Pinneberg zurückkehren können, ist weiterhin unklar.
Das Amtsgericht Pinneberg ist der dritte Gerichtsstandort im Landgerichtsbezirk Itzehoe, an dem die sogenannte E-Akte eingeführt wurde. Startpunkt war am 21. März vorigen Jahres das Landgericht Itzehoe, es folgte ein Jahr später das Amtsgericht Itzehoe – übrigens als erstes Amtsgericht in Schleswig-Holstein. Jetzt haben die Pinneberger die Umstellung von der Papier- auf die elektronische Akte vorgenommen.
Pinneberg: Amtsgericht wird digital – und bleibt auf zwei Orte verteilt
Die Umstellung, die vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist, stellt die Mitarbeiter vor immense Herausforderungen. Jahrhundertelang haben die Gerichte Papierakten geführt, die digitale Umstellung führt jetzt für die Mitarbeiter zu Mehrarbeit.
Dies zeigte sich bereits am Amtsgericht Itzehoe. Während am Landgericht im vorigen Jahr die Umstellung zunächst nur in der Zivilabteilung erfolgte, wurde sie dort auch in der Familien-, Betreuungs-, Insolvenz- und Vollstreckungsabteilung eingeführt. Diese Abteilungen gibt es am Landgericht nicht. Ähnlich läuft nun auch in Pinneberg.
Mitarbeiter müssen stundenlang Papier-Schriftsätze einscannen
Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeiter des Amtsgerichtes eingereichte Papierschriftsätze teilweise vier bis fünf Stunden pro Tag einscannen müssen, damit sie dann in die elektronische Akte eingefügt werden können. Anders als am Landgericht, wo ohnehin nur neue Fälle umgestellt wurden, können an den Amtsgerichten die Parteien ihre Rechtsstreitigkeiten auch ohne Hinzuziehung von Anwälten führen.
Während Anwälte verpflichtet sind, alle ihre Schriftsätze elektronisch einzureichen, gilt dies für normale Kläger und Beklagte nicht. Sie können in Papierform Anträge und Stellungnahmen abgeben, die dann wiederum eingescannt werden müssen.
Nur Anwälte sind verpflichtet, ihre Schriftsätze digital einzureichen
Wenn sie ihre Eingaben auch elektronisch einreichen wollen, reicht dafür eine normale E-Mail-Adresse nicht aus. Sie würden dann ein sogenanntes DE-Mail-Konto benötigen, um eine vertrauliche elektronische Kommunikation sicherzustellen.
Weil dies noch nicht so verbreitet ist, landet weiterhin viel in Papierform an den Amtsgerichten. Die Mehrarbeit durch das Einscannen wurde am Amtsgericht Itzehoe von den Mitarbeitern „mit großem Engagement und Einsatz ausgeführt“, bilanziert Sabine Wudtke, seit dem 1. Februar Präsidentin des Landgerichts Itzehoe.
Sie zieht eine positive Zwischenbilanz der Einführung der elektronischen Akte – ebenso wie die Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer. „Sehr positiv ist, dass das Programm intuitiv bedienbar und gut strukturiert ist und die Akte von mehreren Personen gleichzeitig bearbeitet werden kann.“ Die erleichtere die Arbeit in den Geschäftsstellen bei eventuellen Nachfragen.
Früher hätten aufwendig Aktendoppel erstellt und verschickt werden müssen, was nun wegfalle. Zudem sei die elektronische Post im Gegensatz zu der in Papierform auch von Zuhause abrufbar, sodass auch im Home Office die elektronische Akte problemlos weiter bearbeitet werden könne.
Amtsgericht Pinneberg war Mitte 2021 wegen Betonkrebs teilgeräumt worden
Der ortsungebundene Zugriff auf die e-Akte bietet auch für das Amtsgericht Pinneberg, deren Mitarbeiter in zwei Etappen das marode Gebäude in Pinneberg räumen mussten und jetzt auf zwei Standorte verteilt sind, Vorteile.
50 Mitarbeiter aus den Bereichen Register, Grundbuch, Nachlass und Insolvenz waren bereits im Oktober 2021 in eine Außenstelle in Quickborn gezogen. Sie waren zuvor größtenteils im Westflügel in Pinneberg tätig, der auf Stelzen über einem Parkplatz stand und wegen Betonkrebs einsturzgefährdet war. Der Abriss des Westflügels hatte im Spätsommer 2022 begonnen, er war im Mai 2021 fluchtartig geräumt worden. Die Akten wurden später per Roboter geborgen.
Pinneberg: Abrissarbeiten am Amtsgericht sind plangemäß verlaufen
„Die Abrissarbeiten sind planmäßig verlaufen“, erläutert Barbara Müller, Sprecherin der zuständigen Gebäudemanagement Schleswig-Holstein. Die Sortierung des Schuttes sei sehr schnell und effizient erfolgt. Aktuell würden noch Restarbeiten erfolgen, um die Fassade zum erhaltenen Ostflügel zu schließen. Der Abschluss dieser Arbeit sei für Juli geplant.
Die Zukunft des Ostflügels ist laut Müller weiterhin ungeklärt. „Weil die Bauelemente so stark geschädigt waren, haben die Untersuchungen länger gedauert als geplant“, so die GMSH-Sprecherin. Daher warte man nach wie vor auf die letzten Ergebnisse zum Zustand des Gebäudeteils.
Pinneberg: Wirtschaftlichkeitsberechnung soll noch dieses Jahr vorliegen
Sobald diese vorliegen, wird laut Müller eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung beginnen. Ermittelt werden solle, ob eine Sanierung des Ostflügels inklusive Anbau wirtschaftlicher ist als ein Abriss auch des zweiten Gebäudeteils und ein kompletter Neubau des Gerichtes.
Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sollen laut der GMSH-Sprecherin noch in diesem Jahr vorliegen. Wann die 125 Mitarbeiter wieder nach Pinneberg zurückkehren können, steht in den Sternen.
Müller: „Das lässt sich jetzt noch nicht sagen, weil das auch von der Entscheidung abhängt, wie es mit dem Gebäude weitergeht. Alle Beteiligten arbeiten an einer Lösung, damit die Beschäftigten des Amtsgerichts möglichst schnell wieder nach Pinneberg zurückkehren können.“
Die 75 übrigen Mitarbeiter aus dem Ostflügel waren im Juni 2022 nach Schenefeld gezogen – und zwar an den Osterbrooksweg in ein ehemaliges Bürogebäude der Firma Interschalt. In dem Komplex hat das Land 2900 Quadratmeter angemietet. Dort sitzen die Abteilungen für Zivil-, Straf- und auch Familiensachen – und parallel finden dort die Gerichtsverfahren statt.
Zahl der Zivilverfahren an den Amtsgerichten im Bezirk ist rückläufig
Zu tun gibt es an den vier Amtsgerichten im Landgerichtsbezirk Itzehoe genug. Die Mitarbeiter an den Standorten Pinneberg, Elmshorn, Itzehoe und Meldorf sahen sich im vorigen Jahr mit 3780 neuen Zivilverfahren konfrontiert – ein Rückgang um 689 Fälle.
2884 Eingänge an den vier Amtsgerichten betrafen Strafverfahren (-73 Fälle). Bearbeitet werden mussten ferner 1006 Unternehmens- und Privatinsolvenzen (-122 Fälle). In 220 Fällen (+9) waren Zwangsversteigerungen beziehungsweise Zwangsverwaltungen erforderlich.
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In Pinneberg bearbeiteten die Richter und Rechtspfleger im vorigen Jahr 1103 Familiensachen, in Elmshorn 797. An allen vier Amtsgerichten waren 9415 Betreuungsverfahren anhängig, hinzu kamen 9682 Nachlass- und Testamentssachen.
Pinneberg: Das Amtsgericht in Elmshorn stellt im September auf die e-Akte um
Bis auf die Strafprozesse, die später umgestellt werden, werden alle übrigen Arbeitsbereiche auf die e-Akte umgestellt. Weil einige der Verfahren schon über Jahrzehnte andauern, wird es hybride Akten geben. Die älteren Teile auf Papier, die neuen Vorgänge dann digital.
Auch im Amtsgericht Elmshorn wird die elektronische Akte Einzug halten. Es wird als drittes der vier Amtsgerichte im Bezirk am 18. September umgestellt, noch etwas später folgt dann das Amtsgericht Meldorf.