Elmshorn/Itzehoe. Hussein M. erstach in Elmshorn zwei Frauen aus nichtigem Anlass. Richter stellen besondere Schwere der Schuld fest. Was das bedeutet.

Hussein M. (30) verzog keine Miene, als Richter Johann Lohmann am Dienstagnachmittag das Knallhart-Urteil verkündete: Lebenslänglich wegen zweifachen Mordes – und die Feststellung der besonderen Schuldschwere.

Damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren für den Eritreer ausgeschlossen, der am 9. Juli 2022 in einem Elmshorner Mehrfamilienhaus Zahra H. (23) und ihre Mitbewohnerin Yusra B. (19) – beide stammten ebenfalls aus Eritrea – regelrecht niedergemetzelt hatte.

Knallhart-Urteil nach Doppelmord: Lebenslang für Frauenmörder

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe ging mit dem Urteil weit über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Anklägerin Janina Seyfert hatte für den 30-Jährigen „nur“ lebenslänglich beantragt, jedoch keine Notwendigkeit gesehen, die besondere Schwere der Schuld feststellen zu lassen.

Auch sah die Staatsanwältin lediglich das Mordmerkmal der Heimtücke als verwirklicht an, die Kammer erkannte dagegen zusätzlich auf niedrige Beweggründe.

Laut den Richtern führte ein nichtiger Anlass zu der Bluttat

„Die Gesamtbetrachtung des verwirklichten Unrechts rechtfertigt es unser Auffassung nach, die Schwere der Schuld festzustellen“, so Lohmann. Der Angeklagte habe zwei Menschenleben ausgelöscht, das Tatbild sei vom „Vernichtungswillen getrieben“, der Anlass nichtig gewesen – und es seien durch ihn zwei Mordmerkmale verwirklicht worden.

Sein verletztes Ego und die aus seiner Sicht erfolgte Kränkung durch eines der Opfer habe Hussein M. zum zweifachen Mörder werden lassen, so der Richter. Der Angeklagte, der 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam, sei im November 2021 von seiner Cousine Zahra H. über Facebook angeschrieben worden. Die war zuvor, mittlerweile in Trennung lebend, ebenfalls nach Deutschland geflüchtet und lebte zusammen mit Mitbewohnerin Yusra B. in Elmshorn.

Der Angeklagte machte seiner künftigen Braut wertvolle Geschenke

„Der Angeklagte und Zahra waren eher so etwas wie entfernte Bekannte“, so Lohmann. Beide hätten telefonisch und per Nachrichten in Kontakt gestanden, sich jedoch gegenseitig die Ehe versprochen.

Hussein M. habe laut Tradition seines Heimatlandes seiner zukünftigen Braut wertvolle Geschenke gemacht, darunter ein Kaffeeset sowie eine Goldkette. Eine Woche lang habe der in Baden-Württemberg lebende Mann die 23-Jährige im März 2022 auch in Elmshorn besucht.

Dem Angeklagten ging es allein um Wertersatz für seine Aufwendungen

Ab Mai 2022 habe Zahra H. sich dem Angeklagten gegenüber immer abweisender verhalten, zuletzt gar nicht mehr auf seine Kontaktversuche reagiert. Schließlich habe Yusra B. ihm mitgeteilt, dass die Mitbewohnerin nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle.

Nach einem Doppelmord an den beiden Frauen in einem Mehrfamilienhaus in Elmshorn  ist die Spurensicherung auf dem Weg zum Tatort.
Nach einem Doppelmord an den beiden Frauen in einem Mehrfamilienhaus in Elmshorn ist die Spurensicherung auf dem Weg zum Tatort. © HA | Florian Sprenger / Westküsten-News

Er habe ihr daraufhin eine Mitschuld für das Ende der Beziehung gegeben, weil sie großen Einfluss auf Zahra H. ausübte. Sodann habe der 30-Jährige Kontakt mit mehreren Familienmitgliedern von Zahra H. aufgenommen und immer wieder versucht, einen Wertersatz für seine Geschenke zu erhalten.

Als er leer auszugehen drohte, entschloss er sich zum Mord

Am 8. Juli habe ihm der Bruder der Frau eine endgültige Absage erteilt. „Zu diesem Zeitpunkt ist ihr Tatentschluss gereift“, so Lohmann. Der Angeklagte habe eine Zugfahrt von Tuttlingen nach Elmshorn gebucht – und das Klappmesser eingepackt, das er am 15. Juni 2022 im Internet bestellt hatte.

In Elmshorn am 9. Juli um kurz nach 10 Uhr angekommen, habe er bei Nachbarn geklingelt, sich so Zutritt zum Mehrfamilienhaus der beiden Frauen verschafft und dann vor ihrer Tür gewartet. „Er wusste, dass die Frauen ihm keinen Einlass gewähren würden“, so der Richter.

Mit einer List verschaffte er sich Zutritt zur Wohnung der Frauen

Er verwies auf den 27. Mai 2022, wo Hussein M. schon einmal nachts unangekündigt mehr als vier Stunden vor der Wohnungstür der Frauen gestanden, geklopft sowie Sturm geklingelt hatte, jedoch keinen Zutritt erhielt.

Am 9. Juli sei der 30-Jährige „davon ausgegangen, dass die beiden Frauen aufgrund des an diesem Tag stattfindenden Opferfestes die Wohnung reinigen und irgendwann den Müll rausbringen würden“, so der Richter.

Der Angeklagte lauerte stundenlang, das Messer griffbereit, im Flur

Dazu kam es auch, Zahra H. öffnete zwischen 12.30 und 12.45 Uhr, mit einer Mülltüte in der Hand, nichtsahnend die Tür. Auf diesen Moment habe der Angeklagte, das Messer griffbereit in der Hand, die ganze Zeit gewartet.

Er sei regelrecht in die Wohnung gestürmt und habe noch im Flur damit begonnen, auf die 23-Jährige einzustechen. „Sie haben den Überraschungsmoment ausgenutzt“, so Lohmann weiter. Als die arg- und wehrlose Frau nach den 18 Messerstichen sterbend am Boden lag, habe sich Hussein M. dem zweiten Opfer zugewandt.

Am Ende lagen beide Frauen sterbend nebeneinander auf dem Boden

Yusra B. habe zunächst mit Kopfhörern im Ohr mit ihrem Cousin telefoniert und sei erst durch die Schreie der Mitbewohnerin auf das Geschehen aufmerksam geworden. Sie habe dann in einer „Art Schockstarre“ verharrt, ehe der 30-Jährige ihr 20 Stiche versetzte.

Am Ende hätten beide Frauen sterbend nebeneinander am Boden gelegen. „Der Todeskampf dauerte mehrere Minuten“, so der Richter. Beide Frauen hätten schwerste innere Verletzungen erlitten, seien aufgrund einer Kombination aus äußerlichem Verbluten und dem Einatmen von Blut beziehungsweise Mageninhalt verstorben. Vor Verlassen der Wohnung habe der Angeklagte Zahra H. noch so massiv auf den Brustkorb getreten, sodass zwei Rippen brachen.

Elmshorn: Hussein M. legte im Ermittlungsverfahren ein Geständnis ab

Gegenüber einem Beamten der Mordkommission hatte Hussein M., der in der Nähe des Tatortes einen Polizeiwagen angehalten und sich gestellt hatte, ein sehr detailliertes Geständnis abgelegt. Dieses legte die Kammer dem Urteil zugrunde.

Ohne diese „Beichte“ hätte Hussein M. besser dagestanden, laut Lohmann wäre im Falle seines Schweigens wahrscheinlich nur eine Verurteilung wegen zweifachen Totschlags möglich gewesen.

Im Prozess widerruf der Angeklagte sein Geständnis

In dem Anfang Januar begonnenen Prozess hatte der 30-Jährige sein Geständnis jedoch widerrufen und angegeben, unter Druck gesetzt worden zu sein. Das sah das Gericht nach Anhörung des Vernehmungsbeamten Bertil T. nicht so – und schmetterte das seitens der Verteidigung beantragte Verwertungsverbot ab.

Die Einlassung des Angeklagten in dem Prozess bewerte die Kammer als „unglaubhaft“. Hussein M. hatte in einer von seiner Verteidigerin Katja Münzel verlesenen Erklärung angegeben, er sei nochmals nach Elmshorn gekommen, weil er mit den Frauen final reden wollte. Als Zahra H. ihn vor der Tür sah, habe sie laut zu schreien begonnen. Er habe sie in der Folge mit dem Messer bedroht, um sie zur Ruhe zu bringen. Sie habe jedoch weiter geschrien, woraufhin er wütend wurde und zustach.

Gericht hält die neue Version des Angeklagten für unglaubhaft

„Wir sind fest davon überzeugt, dass diese Einlassung unzutreffend ist“, so Lohmann weiter. Diese sei durch die erfolgte Beweisaufnahme eindeutig widerlegt. Lohmann: „Sie haben die beiden Frauen vorsätzlich und auch absichtlich getötet.“ Allein die vielen Verletzungen, die beiden Opfern zugefügt worden waren, würden nur den Schluss zulassen, „dass Sie die Frauen töten wollten“.

Verteidigerin Münzel hatte die Ansicht vertreten, dass ihr Mandant einen zweifachen Totschlag begangen hat. Sie hielt eine Haftstrafe von neuneinhalb Jahren für angemessen. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Angeklagte Revision gegen das Urteil einlegen wird.

Elmshorn: Revision nach Knallhart-Urteil gilt als wahrscheinlich

Bleibt es in Kraft, dann entscheidet nach 15 Jahren eine Vollzugskammer, welches Strafmaß zuzüglich dieser 15 Jahre noch abzubüßen ist.

Nach der Haftentlassung könnte dem heute 30-Jährigen zudem die Abschiebung drohen. Während des Prozesses kam heraus, dass Hussein M. wohl auch die Staatsbürgerschaft des Sudan besitzt, wo er sechs Jahre lebte. Dort droht ihm, anders als in seinem Heimatland, keine Verfolgung.