Raa-Besenbek/Chicago. Studierende aus Chicago besuchten die größten Bürgerwindparks im Kreis Pinneberg. Was sie in Raa-Besenbek zu hören bekamen.

Spontaner Besuch aus Übersee im größten Windpark des Kreises Pinneberg. 13 junge Journalismus-Studierende von der Universität Northwestern Medill in Chicago, USA, informierten sich vor Ort in Raa Besenbek über das Konzept der beiden dortigen Bürgerwindparks mit jeweils vier Windkraftanlagen, die zusammen etwa 50 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen.

„Das war total spannend und interessant“, freute sich Hans-Hermann Magens, Begründer und Geschäftsführer der beiden Parks, an denen 125 Bürgerinnen und Bürger der 530 Einwohner zählenden Gemeinden westlich von Elmshorn beteiligt sind.

Kreis Pinneberg: US-Studenten tief beeindruckt von deutscher Energiewende

Grund des spontanen Besuchs der US-amerikanischen Studenten war die Energiewende in Deutschland. „Unsere Gruppe fokussiert sich mit ihren Berichten auf die Energiewende, die erneuerbaren Energien und Deutschlands Energiepolitik angesichts des Ukraine-Krieges“, erklärte die mitgereiste Auslandskoordinatorin Allison LeClere. „Denn Deutschland ist führend bei grüner Energie und ein politisches Schwergewicht.“

Und so empfing Magens die angehenden Journalisten aus dem Bundesstaat Illinois zunächst in der alten Schule seiner Gemeinde. Anschließend zeigte ihnen der Windenergie-Pionier des Kreises Pinneberg natürlich auch die beiden Windparks an der Bundesstraße 431 zwischen Elmshorn und Glückstadt. Gut vier Stunden stand er den Studenten Rede und Antwort, die alles mit Kameras und Aufnahmegeräten festhielten, um es für ihre Masterarbeit auszuwerten.

Bürgerwindparks: „So etwas gibt es in den USA nicht“

„Die waren total beeindruckt von der Bürgerwindpark-Idee“, sagt Magens. „So etwas gibt es in den USA nicht.“ In Schleswig-Holstein dagegen ist es die überwiegende Betriebsform, wie die Beispiele in Raa-Besenbek, Barmstedt und Wiemersdorf bei Bad Bramstedt zeigen. Magens war auch viele Jahre lang der Sprecher für den Regionalverband Südwest des Bundesverbandes Windenergie in Schleswig-Holstein, zu dem die Kreise Pinneberg, Steinburg und Segeberg gehören.

Diese US-Studenten besuchen den größten Windpark im Kreis Pinneberg.
Diese US-Studenten besuchen den größten Windpark im Kreis Pinneberg. © Burkhard Fuchs | Foto: Kristina Clemens/BWE

Angefangen hatte alles in den 1990er-Jahren, als sich elf Landwirte in Raa-Besenbek zusammenschlossen und 50 Hektar Land zunächst für vier Windkraftanlagen zur Verfügung stellten. 39 Bürgerinnen und Bürger investierten 1999 umgerechnet sieben Millionen Euro in den ersten Bürgerwindpark, der anfangs 13 Millionen khw Strom erzeugte. Dieser erste Windpark südlich der B431 ist gerade für 15 Millionen Euro durch vier neue, effizientere 150 Meter hohe Windkraftanlagen ersetzt worden. Jetzt erzeugt dieser Bürgerwindpark 30 Millionen kwh Strom im Jahr.

Bürgerwindpark: 86 Bürger investierten zehn Millionen Euro

Beim zweiten Bürgerwindpark Raa-Besenbeks war das Interesse zum Mitmachen in der Bevölkerung schon viel größer. 2011 investierten 86 Bürgerinnen und Bürger aus der Gemeinde zehn Millionen Euro in vier weitere Anlagen, die 20 Millionen kwh Strom erzeugen. Alles Investitionen in die Zukunft, die sich für alle Seiten ausgezahlt haben. Für die Umwelt, die mit weniger Schadstoffen belastet wird. Für die Gemeindekasse, in die der größte Steuerzahler des Ortes jedes Jahr rund 100.000 Euro an Gewerbesteuern abführt. Und für die Betreiber und Kommanditisten des Bürgerwindparks, deren Investition sich jedes Jahr mit etwa 400.000 Euro Gewinn rentiert.

„Für die US-Studenten war das hochspannend und brandaktuell“, berichtet Magens. Immer wieder fragten sie, wie es Deutschland schaffe, jetzt plötzlich ohne russisches Erdgas bei der Energieversorgung auszukommen.

Protest gegen die Windspargel gab es nicht

Zudem hätten sie sich gewundert, warum es keine Widerstände gegen die Windspargel im flachen Elbmarschland gegeben habe, das hier ja zum Teil sogar unter dem Meeresspiegel liegt. „Ganz einfach“, erklärte Magens der „bunten Schar“ aus Nordamerika. Das Konzept des Bürgerwindparks, das einen Großteil der Bevölkerung zu Miteigentümern und Betreibern macht, habe jeden möglichen Protest von vornherein im Keim erstickt. „Alle wurden von Anfang an auf Augenhöhe beteiligt und haben sich auch das Risiko geteilt“, erklärte Magens.

Für ihn sei damals der Klimawandel das ausschlaggebende Argument für diesen Einstieg in die Energiewende gewesen, erzählte er den Studenten. „Raa-Besenbek liegt hinter den Deichen im Elbvorland und ist immer mal wieder von Überschwemmungen betroffen. Der ansteigende Meeresspiegel als Folge der Klimakrise stellt eine reale Bedrohung für uns dar.“ Klimaschutz durch Erneuerbare Energien sei also „aktiver Daseinsschutz“.

Kreis Pinneberg: US-Studenten wollen wiederkommen

Auch über die hier geltenden Genehmigungsverfahren informierten sich die US-Studenten. Sie stellten Fragen zum Artenschutz und dem deutschen Strommarkt, bevor die Gruppe bei strahlendem Sonnenschein zu den beiden Windparks fuhr. Diese konnten sie allerdings nur von der Erde aus bestaunen. Ein Hinaufklettern auf das etwa 100 Meter hohe Maschinenhaus sei aus Sicherheitsgründen nicht möglich gewesen, erklärt Magens.

So filmten und fotografierten die Studenten den Windpark eifrig, um ihre Artikel und Masterarbeiten zu bebildern. Andere Studierende beschrieben die Umgebung, um ihren Zuhörern einer Radio-Reportage einen nachhaltigen Eindruck von der schleswig-holsteinischen Landschaft zu verschaffen. Im nächsten Jahr wollen sie wieder nach Raa-Besenbek kommen, kündigten die Studenten an.