Kreis Pinneberg. Gegner des A-23-Ausbaus fordern einen massiven Ausbau des ÖPNV im Kreis Pinneberg. Was Verkehrsexperten dazu sagen.

Die Ziele sind ambitioniert, aber durchaus erreichbar, sagen die Experten. So soll der Anteil des Öffentlichen Nahverkehrs am Gesamtverkehr im Kreis Pinneberg bis 2026 um fünf Prozentpunkte auf 15 Prozent steigen. Und der Anteil des Bahnverkehrs soll landesweit von sieben auf 25 Prozent angehoben werden.

Das sind die Kernbotschaften einer Diskussionsrunde in Pinneberg, zu der der erklärte Gegner des sechsspurigen A-23-Ausbaus, Jochen Hilbert aus Rellingen, eingeladen hatte und zu der etwa 30 Zuhörer in den Gemeindesaal der Christuskirche kamen.

Kreis Pinneberg: A-23-Gegner – keine neue Straße, Bahnverkehr verdreifachen

Dazu hatte der Sprecher der Bürgerinitiative „A23 – für umweltfreundliche Mobilität“ drei Experten als Referenten gewinnen können. Der Verkehrsexperte Holger Busche aus Hannover führte aus, dass die Vorgabe des Landes Schleswig-Holstein, bis 2040 klimaneutral zu sein, nur dann erreicht werden könnte, wenn dann drei- bis viermal so viele Menschen wie heute mit der Bahn fahren würden.

Um den Anteil des Schienenverkehrs zu „vervielfachen“, müssten die Menschen nachhaltig davon überzeugt werden, dass es für sie bequemer und schneller sei, wenn sie nicht mehr täglich mit dem Auto, sondern mit dem Zug zur Arbeit führen.

Fahrgäste der Bahn sollten weniger umsteigen müssen

Das wiederum erfordere ein erheblich besseres und attraktiveres Angebot im Bahnverkehr, erkläret Busche. Es müsse mehr Komfort in den Zügen und Bahnhöfen geben, mehr Züge auf mehr Linien fahren, die Wege zu den Stationen kürzer sein. Die Fahrgäste sollten weniger umsteigen müssen und die Bahnen und pünktlicher sein, damit die Wartezeit minimiert werde.

A23-Ausbau-Gegner Jochen Hilbert hatte die Verkehrsexperten Holger Busche (von links), Claudius Mozer und Alexander Montana nach Pinneberg eingeladen, um darüber zu sprechen, wie Busse und Bahnen den Autoverkehr ausbremsen könnten.
A23-Ausbau-Gegner Jochen Hilbert hatte die Verkehrsexperten Holger Busche (von links), Claudius Mozer und Alexander Montana nach Pinneberg eingeladen, um darüber zu sprechen, wie Busse und Bahnen den Autoverkehr ausbremsen könnten. © Burkhard Fuchs

Dabei sollte der Personenverkehr auf der Schiene Vorrang vor dem Güterverkehr haben, sagte Busche. „Wir müssen in Netzen denken.“ Womit er meinte, dass es mehr Knotenpunkte an Bahnhöfen in den Metropolen wie Hamburg geben müsste, statt diese wie in Pinneberg ins Umland zu verlagern. Seine Kernbotschaft lautete: „Neue Schienen braucht das Land“, um attraktive Zehn-Minuten-Takte für den Bahnverkehr zu erreichen.

Kreis Pinneberg: Busverkehr sollte um die Hälfte gesteigert werden

Im Busverkehr liege der Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen zurzeit bei rund zehn Prozent, erklärte der Nahverkehrsexperte Claudius Mozer. Dieser solle im Kreis Pinneberg bis 2026 um die Hälfte auf 15 Prozent gesteigert werden. Dies könnte vor allem durch bessere Taktverbindungen und neue Buslinien erreicht werden, wie die neuen, sehr beliebten Expressbuslinien von Pinneberg zum Hamburger Flughafen (X95), zwischen Uetersen und Tornesch (X66) oder zwischen Elmshorn und Wedel (X89) zeigten.

Dafür gebe der Kreis jedes Jahr etwa 1,5 Millionen Euro zusätzlich für den Busverkehr aus. Parallel dazu sollen bis 2030 alle Omnibusse im Kreis vom Diesel- auf Elektroantriebe umgestellt werden, kündigte Mozer an.

Engpass zwischen Pinneberg und Elmshorn beseitigen

Grundvoraussetzung dafür, dass etwa 50 Prozent mehr Menschen in die Busse stiegen, sei aber auch ein besseres Angebot der Bahn, sagte Mozer. Dafür müsse endlich der seit Jahrzehnten bestehende Engpass im Schienenverkehr zwischen Elmshorn und Pinneberg durch den Bau des dritten und vierten Fernbahngleises realisiert werden. „Es darf nicht passieren, dass die Fahrgäste in den neuen Buslinien nicht an den Bahnhöfen wegkommen“, erklärte Mozer. Dann würden sie wohl lieber weiterhin mit dem Auto fahren, warnte er.

Und Alexander Montana, der dem Vorstand des Verkehrsclubs Deutschland angehört, machte die volkswirtschaftliche Rechnung auf, dass hierzulande der individuelle Personen- und Schwerlastverkehr 95 Prozent der gesamten Kosten ausmache. Würde der gesamtgesellschaftliche Aufwand für Verkehrsunfälle, Lärm, Abgase und Flächenverbrauch als Klimakosten miteingerechnet, entfielen rund 150 Milliarden Euro jedes Jahr auf den Verkehr. Gut 140 Milliarden Euro davon verursache allein der Verkehr auf der Straße, während der Schienenverkehr etwa sechs Milliarden Euro koste und der inländische Luftverkehr und die Binnengüterschifffahrt jeweils etwa eine Milliarde Euro an externen Kosten betrügen.

Kreis Pinneberg: Parken von Autos weiter einschränken und verteuern

Um dieses Missverhältnis zu Gunsten einer Umwelt- und klimaschonendere Mobilität umzukehren, bedürfe es vielfältiger Anstrengungen, erklärte Montana. Dazu gehöre vor allem, den Individualverkehr teurer zu machen, ähnlich wie dies in Dänemark der Fall sei. Und Kaufprämien, wie sie jetzt für den Ankauf von Elektrofahrzeugen ausgelobt werden, dürften nicht mehr auf alle Steuerzahler, sondern auf die Fahrer von Autos mit Verbrennungsmotoren abgewälzt werden. Auch das Parken von Fahrzeugen müsste eingeschränkt und verteuert werden.