Elmshorn. Bogdan Topalov ist mit Mutter und Bruder vor dem Ukraine-Krieg nach Elmshorn geflohen – ohne seinen Vater. So geht es der Familie heute.
Für einen Zeitraum von 14 Tagen war die ukrainische Familie Topalov aus Wolnowacha in Elmshorn wieder vereint – und der russische Angriffskrieg in ihrer Heimat weit weg. Für einen kurzen Augenblick schien die Welt in Ordnung zu sein.
Pavel Topalov besuchte seine Frau Tatjana und seine beiden Söhne Dennis (8) und Bogdan in Elmshorn. Die Familie war ohne Vater aus der Ukraine geflohen, nachdem Russland das Nachbarland am 24. Februar 2022 überfallen hatte – auch ein Jahr später scheint ein Ende des Krieges nicht in Sicht.
Ukraine-Krieg: Ein Jahr Trennung – „Es war schön, meinen Papa wiederzusehen“
Pavel Topalov blieb allein in der Ukraine. Er ist Feuerwehrmann und löscht seitdem auch viele Brände, die von Bomben verursacht werden.
„Es war schön, meinen Papa jetzt endlich wieder zu sehen. Er hatte zwei Wochen Urlaub. Bei ihm ist alles gut. Ihm geht es gut. Er wartet schon jetzt wieder sehnsüchtig darauf, dass er wieder hier Urlaub machen kann“, sagt Bogdan Topalov.
In ukrainischer Schreibweise wird sein Name Bohdan buchstabiert. Aktuell ist sein Vater in Saporischschja im Süden im Einsatz – medial bekannt durch die Kämpfe um das Atomkraftwerk. Es ist das größte Europas.
Elmshorn: Wiedersehen nach fast einem Jahr
Das letzte Mal hätten die beiden sich sich am 7. März des Vorjahres gesehen, erinnert sich der 16 Jahre alte Schüler. Am Bahnhof von Kramatorsk in der Region Donezk im Osten ihrer Heimat. Die Türen schlossen sich, drei Familienmitglieder nahmen den Zug in eine ungewisse Zukunft in Deutschland – der Vater blieb im umkämpften Kriegsgebiet. Ohne seine Liebsten.
Verwandte aus Elmshorn hatten den Topalovs dazu geraten, wenn sie fliehen möchten, dann doch hierher zu kommen. „Elmshorn ist ganz okay. Es ist eine ruhige Stadt“, sagt der 16-Jährige in gutem Deutsch. Er schätzt diese Ruhe und bleibt auch gern einfach mal zu Hause. Manchmal gehe er spazieren, unternimmt ab und zu etwas mit Mitschülern oder mit seinen beiden Cousins.
Ukrainer Topalov geht in die 10. Klasse in Elmshorn
Mittlerweile ist Bogdan Topalov aus der DaZ-Klasse – Deutsch als zweite Fremdsprache – in die „normale“ 10. Klasse der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule gewechselt. Erst im Januar ist die Familie aus einer Unterkunft für Geflüchtete in eine eigene Wohnung in der Krückaustadt umgezogen.
Mutter Tatjana besucht einen Deutschkursus in Elmshorn. Um einer Arbeit nachgehen zu können, muss der sogenannte B1-Schein erworben werden. In der Ukraine war sie im Büro einer Bahngesellschaft tätig.
Eine Rückkehr in die Ukraine ist aktuell unvorstellbar
Kann sich Familie Topalov vorstellen, wieder nach Wolnowacha zurückzukehren? Bogdan Topalov überlegt: „Nein, gerade auf keinen Fall, weil es momentan russisches Gebiet ist. Das ist traurig. Vielleicht wieder, wenn ukrainische Truppen reingehen. Meine Mama geht dann vielleicht, weil sie gern zurück will. Bei meinem Bruder weiß ich es nicht“, sagt der Neu-Elmshorner. Sein Bruder sei eben auch noch klein.
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Man müsse einfach abwarten, was passiert. Aber dafür weiß Bogdan Topalov genau, wie es um ihr ehemaliges Haus bestellt ist. „Meine Oma wollte nicht weg, mein Onkel ist auch noch dort und hilft hier, damit wir Video-Chats machen können. Das Haus liegt außerhalb der Stadtmitte weit weg an einem kleinen Wald. Zwei, drei Fenster sind kaputt. Aber sonst ist alles heil geblieben“, sagt er.
Nur ein Schulfreund ist noch in der Heimatstadt geblieben
Von seinen ehemaligen Freunden aus seiner alten Schule ist nur einer in Wolnowacha geblieben. Zwei Familien haben innerhalb der Ukraine ihren Wohnort gewechselt, zwei Schüler sind nach Russland geflüchtet.
Informiert sich ein 16 Jahre alter Jugendlicher aus der Ukraine viel über den Krieg? Oder ist lieber Abstand gewünscht. „Ich verfolge das schon ziemlich viel und schaue Nachrichten und habe Channels abonniert. Außerdem tausche ich mich mit Freunden in der Ukraine aus“, sagt Topalov.
Ukraine-Krieg: Das Gewichtheben bietet Bogdan Ablenkung
Viel Ablenkung sucht er im Sport: Bogdan Topalov ist Gewichtheber und trainiert bei CrossFit MyBuddy in Pinneberg. Mittlerweile ist auch sein Bruder Dennis im Studio aktiv. Demnächst hat er in der Regionalliga einen Wettkampf mit dem MTV Soltau, für den er startet.
Topalov hat Talent: Bei der vergangenen Deutschen Meisterschaft in Sangerhausen wurde er in der Gewichtsklasse bis 67 Kilo bei zehn Teilnehmern Dritter. „Ich habe 89 Kilo beim Reißen erreicht und 111 Kilo gestoßen. Ich bin zufrieden. Auch, weil alle meine sechs Versuche gültig waren“, berichtet er stolz.
Und er setzt sich weitere sportliche Ziele, denn nur das kann er selbst beeinflussen. Schon bald sollen die Bestmarken auf 95 und 115 Kilo steigen.