Bönningstedt. Theresa Becker aus Bönningstedt startet zu einem lebensgefährlichen Abenteuer an die Front. Sie will dort verlassene Tiere retten.

Sie hat ein Herz für Tiere – und ein großes Herz für Menschen und Tiere in Not. Jetzt will Theresa Becker, die selbst eine kleine Hühnerfarm in Bönningstedt unterhält, ihre leidenschaftliche Tierliebe mit einer gewagten Aktion in die Tat umsetzen. Mitte Februar fährt sie mit einem Hilfskonvoi in die Ukraine mitten ins Kriegsgebiet, um dort verlassene Tiere mit Futter zu versorgen und sie in sichere Auffanglager in die Westukraine oder Polen zu bringen.

Dass das ein durchaus lebensgefährliches Abenteuer sein kann, weiß die 37 Jahre junge Film-Requisiteurin selbst sehr gut. Aber sie werde begleitet von einer erfahrenen Gruppe, die wie sie auch militärisch ausgebildet sei. „Alleine würde ich mich das nicht trauen“, sagt Theresa Becker.

Tierretterin aus Bönningstedt ist Ukraine-Helferin der ersten Stunde

Dabei ist die junge Frau, die schon ihr ganzes Leben in Bönningstedt verbracht hat, eine Ukraine-Helferin der ersten Stunde. Unmittelbar nach Kriegsausbruch sei sie Ende Februar 2022 mit Hilfsgütern wie Babynahrung, Drogerieartikel und Kuscheltieren direkt an die polnisch-ukrainische Grenze nach Przemyl gefahren und habe sie dort an die Kriegsflüchtlinge verteilt.

„Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen hat mich beeindruckt“, sagt sie über dieses Erlebnis. Die Kriegsflüchtlinge hätten wegen ihres Leids zwar oft geweint, seien aber über die Hilfe der Polen, die sie direkt an der Grenze mit warmen Essen versorgten, „unendlich dankbar“ gewesen, erzählt Theresa Becker. „Allein zu sehen, wie die kleinen Kinder aus der Ukraine gelächelt haben, als sie ein Kuscheltier geschenkt bekamen, hat mir gesagt, dass es richtig war, das zu tun.“

Ukraine-Krieg: Mit Polen verbindet die Frau eine persönliche Geschichte

Mit Polen verbindet sie ohnehin eine persönliche Geschichte, berichtet die junge Frau, die beruflich die ARD-Dauerserie „Rote Rosen“ mit ihren kreativen Ausstattungsideen in Szene setzt. Jahrelang habe sie in der Stadt Koszalin, an der Ostsee zwischen Stettin und Danzig gelegen, ein kleines Häuschen besessen und dort die Sommermonate verbracht.

„Ich habe da eine unglaubliche Gastfreundschaft der Polen erlebt“, sagt sie. Echte Freundschaften seien daraus entstanden. Darum habe sie sofort etwas tun wollen, als der Krieg ausbrach. Sie konnte nicht mehr tatenlos vor dem Fernseher zuschauen. Über soziale Medien rief sie dazu auf, Hilfsgüter zu spenden, die sie dann mit Freunden in ihrem VW Bus dorthin gebracht und verteilt habe.

Im Corona-Lockdown geht die Bönningstedterin zur Bundeswehr

Die junge Bönningstedterin ist eine Frau der Tat, die nichts so schnell aus der Bahn wirft. Mitten im Corona-Lockdown, der sie auch beruflich schwer traf, bewarb sie sich bei der Bundeswehr. Ein Jahr lang wurde sie bei den Marinefliegern in Ostfriesland militärisch ausgebildet. Da habe sie gelernt, sich zu verteidigen und zu schützen und im Wald zu schlafen, erklärt sie.

Diese Erfahrung möchte sie jetzt mit ihrer leidenschaftlichen Tierliebe, die sie oft im freiwilligen Einsatz im Hamburger Tierheim Süderstraße oder im Wildpark Arche Warder zeige, mit dem freiwilligen Ukraine-Hilfseinsatz verbinden, erklärt sie. „Weil wir Menschen es diesen Tieren dort angetan haben, müssen auch wir Menschen es wieder gut machen“, sagt Theresa Becker. „So kann ich meine Ausbildung bei der Bundeswehr für etwas Gutes nutzen, und das ist mir wichtig.“

Medikamente und Futter hat die Bönningstedterin im Gepäck

Beladen mit reichlich Tierfutter für zurückgelassene Hunde, Hühner oder Katzen sowie Medikamenten wie Wurmkuren und Flohmittel sowie Transportboxen für einsame, hilflose Tiere, die sie dort aufgreifen wollen, startet der Hilfskonvoi mit drei Fahrzeugen und vier Mitstreitern Mitte Februar, berichtet die junge Bönningstedterin.

Ukraine-Helferin Theresa Becker hat ihren Plan auch auf ein Plakat geschrieben, um Unterstützer zu gewinnen.
Ukraine-Helferin Theresa Becker hat ihren Plan auch auf ein Plakat geschrieben, um Unterstützer zu gewinnen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Angeführt werde die Gruppe von dem Tiertrainer Sacha Winkler aus Chemnitz, der wie alle andern auch bei der Bundeswehr ausgebildet worden sei und schon mehrfach mit Hilfsgütern direkt an die Frontlinie zwischen den ukrainischen und russischen Truppen gefahren sei, erzählt Theresa Becker. Der kenne sich dort gut aus, habe gute Kontakte zum ukrainischen Militär und lasse sich von dem dortigen Kriegsgetümmel mit Granatenbeschuss in der Ferne nicht so leicht schrecken.

Mitfahrer war bei der Bundeswehr und hat „beste Kontakte“

Das bestätigt der Mann, der sonst eine Hundeschule in Chemnitz betreibt. Er sei bei der Bundeswehr im Afghanistan-Einsatz gewesen und seit Kriegsausbruch bereits 50-mal in die Ukraine gefahren, berichtet dieser auf Abendblatt-Nachfrage. 750 Tiere, meist Hunde und Katzen, aber auch Schweine, Ziegen, Pferde. Esel und Affen hätten sie dabei in Sicherheit gebracht.

Er habe inzwischen beste Kontakte zum ukrainischen Militär und kenne sich vor Ort gut aus. „Toi, toi toi - ist uns bislang noch nichts passiert“, sagt der 35-Jährige. Nur Reifenschäden oder ein Achsbruch hätten seine Hilfskonvois stoppen können.

Ukraine: Tierretter rücken bis zu 200 Meter an der Front

Wenn es zu heikel werde, sollte sich Theresa Becker, die als einzige Frau mitfahren werde, vielleicht etwas zurückziehen, sagt Winkler, der mit seinen rot-lackierten humanitären Einsatzfahrzeugen schon bis auf 200 Meter an die Frontlinie herangefahren sei. „Die Ukrainer sind so herzlich und dankbar“, sagt er über seine Erfahrung. „Wir geben den Menschen dort wieder Hoffnung.“

Ein klein wenig Angst beschleiche sie schon etwas, wenn sie an die bevorstehende Tour denke, gibt Theresa Becker zu, betont aber: „keine Panik“ zu haben. Es sei mehr Respekt vor der Situation, die sie dort erwarte. Wenn etwas passiere, „funktioniert man einfach“, sei ihre Erfahrung in Notsituationen, die sie schon bei zahlreichen Unfällen mit Blut und Brüchen beim Motorsport erlebt habe, sagt die erfahrene Moto-Cross-Motorradfahrerin.

Bönningstedterin: „Das ist kein Selbstmordkommando“

Diese Eigenschaft, ruhig und besonnen in gefährlichen Situationen zu reagieren, habe ihre Mutter beruhigt, dass sie schon heil und gesund wieder zurückkommen werde. „Aber es ist auch kein Selbstmordkommando. Wir tragen alle Helme und Schusswesten.“

Natürlich sei ihre Mutter besorgt um sie, weiß Theresa Becker. „Aber sie sagt: ‚Mach es. Es ist dein Traum‘“, freut sich Theresa Becker über ihren Zuspruch und ihr Verständnis für diese riskante Aktion, die sie in die verlassenen Geisterstädte rund um Odessa, Cherson, Nikopol, Saporischschja, Donezk, Bachmut, Lyman, Izjum, Charkiw und Kiew führen soll, um dort die Tiere in Sicherheit zu bringen.

Ukraine-Krieg: Für Tierrettung hat sich Bönningstedterin Urlaub genommen

Gemeinsamer Aufbruch sei am 13. Februar, erzählt die Bönningstedterin. Zwei Wochen später möchte sie wieder zu Hause sein. Dann ende ihr Urlaub. „Aber mein Arbeitgeber, der das voll und ganz unterstützt, hat mir gesagt, dass ich den Urlaub auch verlängern darf, falls es länger dauern sollte“, freut sie sich über dessen Zuspruch.

Nachbarn, Freunde und Bekannte aus dem Raum Bönningstedt, Ellerbek, Hasloh, Quickborn und Hemdingen hätten schon reichlich Hilfsgüter und Geldspenden zur Verfügung gestellt. Das passe kaum alles in ihren VW Bus rein.

Aber sie sammle weiter und werde sich noch einen Anhänger besorgen, berichtet die mutige Frau aus Bönningstedt. Wer sie dabei unterstützen möchte, möge sich per Mail direkt an sie wenden: . Vor allem Tarnnetze könnten sie noch gut gebrauchen.