Bönningstedt. Demo an der Kieler Straße: Einwohner fühlen sich beim Schienenersatzverkehr für die AKN abgehängt. Das sind die Argumente aller Seiten.
Die Bürger und Bewohnerinnen im nördlichen Ortsteil von Bönningstedt wähnen sich vom Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) abgehängt. Am Dienstagvormittag demonstrierten etwa 20 Einwohner an der Kieler Straße.
Sie fordern, dass sie endlich wieder eine Bushaltestelle im Ortsteil Winzeldorf bekommen, wie dies jahrzehntelang bis in die 90er-Jahre noch der Fall war.
Der Schienenersatzverkehr, der jetzt bis Ende August während des AKN-Ausbaus eingerichtet ist, wäre der richtige Zeitpunkt, diese Haltestelle zu reaktivieren, argumentieren sie. Denn die Busse pendeln zwischen den AKN-Bahnhöfen Bönningstedt und Hasloh genau dort entlang – bisher ohne zu halten.
AKN: Bönningstedter stoppen pendelnde Busse – aus Protest
Eine der Demonstranten war Bärbel Behrensmeier. „Ich wohne schon seit 50 Jahren hier in Winzeldorf“, sagt die 83 Jahre alte Rentnerin und hält ihr Schild hoch, auf dem in großen Lettern steht: „Bus Stop Winzeldorf“.
Sie klagt: „Ich muss immer zu Fuß zum AKN-Bahnhof laufen.“ Wer nicht mehr so gut zu Fuß, behindert oder auf einen Rollator angewiesen sei, dem falle dieser etwa 1,2 Kilometer lange Fußmarsch zum Bahnhof schwer, sagt die Rentnerin.
AKN soll bis 2025 elektrifiziert werden – zur S21
Und jetzt ist die Bahnstrecke der AKN-Linie A1 zwischen Burgwedel in Hamburg und Ellerau bis Ende August gesperrt. Sie wird für 120 Millionen Euro für die S-Bahn elektrifiziert, die von Ende 2025 an hier zwischen Kaltenkirchen, Quickborn, Hasloh, Bönningstedt und Eidelstedt verkehren soll.
Solange setzt die AKN ersatzweise Busse zwischen den Bahnhöfen Bönningstedt, Hasloh, Quickborn-Süd, Quickborn und Ellerau ein. Diese Ersatzverkehr-Busse fahren über die Kieler Straße (Bundesstraße 4) direkt an der ehemaligen Bushaltestelle in Höhe des Ostermoorweges in Winzeldorf vorbei.
Die Haltebuchten sind noch vorhanden. Eine Bedarfsampel für Fußgänger stoppt hier alle paar Minuten den Autoverkehr – und damit auch die Busse.
Für Bönningstedts Bürgermeister Rolf Lammert und die Bewohner im Norden Bönningstedts wäre das der ideale Zeitpunkt, hier wieder eine Bushaltestelle einzurichten. Das habe er den Verantwortlichen der AKN bereits im Dezember und nochmals bei einem Gespräch Anfang Januar in der AKN-Zentrale in Kaltenkirchen gesagt.
Busstopp in Bönningstedt: „Es geht hier um eine Minute Fahrzeit“
„Es geht nur um eine Minute, die der Bus hier an Fahrtzeit verlieren würde, wenn hier Fahrgäste ein- und aussteigen“, argumentiert Lammert. Doch die AKN stelle sich quer, ärgert er sich. Dabei wohnten hier viele alte Menschen, für die Bushaltestelle eine enorme Erleichterung wäre.
Insofern freut sich Bürgermeister Lammert über die Kundgebung, zu der der Bönningstedter Sozialverband für Dienstag direkt an der Bundesstraße in Höhe des Ostermoorweges aufgerufen hat. „Ich habe die Kundgebung ganz offiziell bei der Kreisverwaltung angemeldet“, erklärt Sozialverbandsvorsitzender Peter Gehring.
Bürgermeister ist gespannt, wie die AKN auf den Protest reagiert
Etwa alle zehn Minuten, die hier aus nördlicher oder südlicher Richtung ein Ersatzbus entlang kam, stoppten die Demonstrationsteilnehmer seine Weiterfahrt an der Bedarfsampel und liefen gemeinsam über die Straße. Polizeihauptkommissarin Isabel Grünewald von der Wache in Bönningstedt und Milena Eichhorn vom Quickborner Ordnungsamt achteten darauf, dass sich die Demonstranten an die Verkehrsregeln hielten. „Es ist alles im grünen Bereich“, stellte die Polizeibeamtin fest.
„Ich bin jetzt gespannt, wie die AKN darauf reagiert“, hofft Bürgermeister Lammert auf ein Verständnis oder Einlenken des Bahnunternehmens. Falls das nicht geschehen sollte, werde noch mal demonstriert, kündigt Demoleiter Gehring an. „Wir wissen ja jetzt, wie es geht.“
AKN-Sprecherin: Ersatzverkehr ist nicht Schienenverkehr
Doch von AKN-Seite ist wohl kein Verständnis zu erwarten. „Leider können wir die Haltestellen dort nicht einrichten“, teilt AKN-Sprecherin Maren Brandt auf Abendblatt-Nachfrage mit. Wenn es zu Baumaßnahmen im Schienenverkehr komme, die diesen unterbrechen, werde „ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet, der genau diesen Schienenverkehr und damit auch nur die Halte des Schienenverkehrs ersetzt“, betont die Sprecherin.
„Ein zusätzlicher SEV-Halt ist daher ähnlich einzustufen wie ein zusätzlicher Bahnhalt, der nur bei Erschließung eines entsprechend hohen Fahrgastaufkommens und ohne weitere Auswirkungen auf den Verkehr eingerichtet würde.“
Busverkehr wird nur halten wie es die Bahn vorher getan hat
Für den Bus gelte die Feinerschließung mit vielen Haltestellen und kleinen Einzugsgebieten, für die Bahn die regionale und überregionale Verbindungsfunktion mit weniger Haltestellen und dafür größerer Erschließungswirkung, erklärt sie weiter. Ein notwendiger Ersatzverkehr auf der Straße, der den Bahnverkehr durch Busse ersetzt, werde „als Bahn gewertet“.
Unabhängig von dieser grundsätzlichen Vorgabe hätte die AKN zusammen mit den Verkehrsbetrieben Hamburg Holstein (VHH), die hier den Busverkehr abwickelt, die Situation in Winzeldorf „gemeinsam eingehend geprüft“, so Maren Brandt weiter. Auch das führte zu keinem anderen Ergebnis, erklärt die Bahnsprecherin.
Verkehrsplaner: Nachteile überwiegt die Vorteile eines zusätzlichen Halts
„Die Auswirkungen auf den Schienenersatzverkehr mit den sehr knappen beidseitigen Anschlüssen in Ellerau und Burgwedel lassen hier und im weiteren Verlauf der Ersatzverkehre keinen weiteren Halt zu“, stellt sie fest. „Die Auswirkungen würden sich für einen Großteil der Fahrgäste deutlich nachteilhaft auswirken, was die Vorteile eines zusätzlichen Haltes deutlich überwiegt.“
Nach einer Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile sei daher keine andere Entscheidung möglich. „Die Busse ersetzen beim Ersatzverkehr exakt die Zughalte.“
AKN-Ausbau: Nur die Bahnhöfe anzusteuern, ist schlüssig
Auch Claudius Mozer, der den Busverkehr in den Kreisen Pinneberg und Segeberg organisiert und regelt, macht den Bönningstedtern wenig Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Für den Schienenersatzverkehr sei das Land zuständig. Und dessen Entscheidung, nur die Bahnhöfe mit Bussen anzusteuern, halte er „für total schlüssig“, sagt Mozer.
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Denn was würde passieren, wenn die Winzeldorfer jetzt ein halbes Jahr eine Bushaltestelle erhielten, die anschließend nach dem Schienenersatzverkehr wieder entfallen müsste? „Dann wäre das Geschrei der Leute größer als heute“, so Mozer.
AKN: Zusätzliche Haltestelle nur mit neuer Buslinie möglich
Bönningstedt habe seit 2009 mit der Buslinie 295 (Pinneberg – Norderstedt) eine gute Busanbindung, ebenso wie seit Dezember die Nachbargemeinde Hasloh mit der Linie 395, argumentiert Mozer weiter.
Eine zusätzliche Haltestelle im Norden Bönningstedts wäre nur mit einer neuen Buslinie möglich. Die sei hier aber parallel zur AKN-Strecke wenig sinnvoll. „Die Menschen wünschen sich einen attraktiven ÖPNV“, sagt Mozer. Der dürfe dann aber nicht an jeder Ecke halten, „sonst erreichen wir die Menschen nicht. Und das wollen wir ja gerade.“