Quickborn. Nachbar kippt den Baubeginn in Quickborn. Stadtwerke und Investor der Polizeiwache müssen die Planung erstmal ruhen lassen.
Die geplante Zurückverlagerung der Quickborner Polizeiwache vom Stadtrand in die Innenstadt wird sich wohl um ein bis zwei Jahre verzögern. Eigentlich sollten die Ordnungshüter bis 2024 ins Zentrum zurückkehren. Doch nun liegt nicht nur der Neubau der Wache, sondern auch der geplante Neubau von 70 Wohnungen an der Marktstraße auf Eis.
Quickborn: Bau von Polizeiwache und Wohnungen liegt auf Eis
Der Grund dafür ist, dass Anwohner Thomas Tschechne gegen die Änderung des Bebauungsplans vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Klage eingereicht hat. Zudem widerspricht er der bereits erteilten Baugenehmigung des Kreises Pinneberg. Bedeutet: Das Elmshorner Bauunternehmen Semmelhaack und die Stadtwerke Quickborn, die dort zusammen gut 15 Millionen Euro investieren wollten, lassen ihre Arbeiten ruhen, bis das Gericht und die Kreisbehörde darüber entscheiden haben.
„Das ist für mich völlig unverständlich, dass wegen einer Person 70 Wohnungen, wovon 25 Sozialwohnungen sein sollen, nicht gebaut werden können“, wundert sich Stadtwerke-Chef Panos Memetzidis. „Denn Quickborn braucht diesen Wohnraum dringend.“
Nachbar strengt Klage gegen Änderung des Bebauungsplans an
Tschechne, der seit vielen Jahren mit seiner Frau Irene in direkter Nachbarschaft zum 4200 Quadratmeter großen Baugrundstück in dem ältesten Reetdachhaus Quickborns von 1788 lebt, fürchtet einerseits um den Erhalt der etwa 240 Jahre alten Stieleiche neben seinem Haus. Andererseits rücken ihm die Bauvorhaben zu dicht an sein Grundstück heran.
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Von einer bekannten Pinneberger Anwaltskanzlei lässt sich Tschechne vertreten. Diese argumentiert in dem Widerspruchsschreiben an den Kreis, dass die von der Quickborner Ratsversammlung im Februar 2022 beschlossene Änderung des B-Plans 39 die subjektiven Rechte der Anlieger „erheblich beeinträchtigen“ würde. Die geplanten dreieinhalb Geschosse, die bis 12,50 Meter hoch werden sollen, würden zu einer „unzumutbaren Verschattung seines Grundstückes“ führen.
„Steigerung des Lärmpegels in unzumutbarer Weise“
Das Ehepaar Tschechne fühle sich wegen der zulässigen Gebäudehöhen entlang des kompletten westlichen und südlichen Grundstücksverlaufes „regelrecht eingemauert“. Ihr kleines Reetdachhaus wäre „dadurch regelrecht umzingelt von gewerblich beziehungsweise öffentlich genutzten Gebäuden mit drei beziehungsweise vier Vollgeschossen.“
Die geplanten Gebäude fügten sich auch optisch nicht in die Umgebung ein, sondern erdrückten das kleine Fachwerkhaus fast, heißt es weiter in dem Widerspruchsantrag. Die Neubauten rundherum würden „vielmehr wie ein kolossaler Fremdkörper wirken.“ Die benachbarten Gebäude seien zweigeschossig. Hinzu kämen erhöhte Immissionen von Licht, Lärm, Staub und Feinstoffen „durch die starke Frequentierung der alleinigen Zufahrt durch Anwohner und polizeidienstlichen Verkehr“. Familie Tschechne wäre einer „Steigerung des Lärmpegels in unzumutbarer Weise ausgesetzt“.
Durch die Verzögerung würden die Kosten auf 17 Millionen Euro steigen
Darüber hinaus gefährde das Bauvorhaben „die schützenswerte Eiche“ Tschechnes, die mit einem Kronendurchmesser von 25 Metern die Vorhabengrundstücke um zwölf Meter überrage. Die Eiche sei trotz ihres hohen Alters in einem guten, vitalen Zustand. Sie müsse deshalb umfangreich vor den geplanten Baumaßnahmen geschützt werden.
Dazu gehörten ein Wurzelvorhang und notwendige Bewässerungsmaßnahmen. „Insbesondere durch die Errichtung der Tiefgaragenzufahrt ist ohne diese Maßnahmen eine irreversible Verletzung des Wurzelgeflechts sehr wahrscheinlich“, warnt Tschechnes Jurist. „Darüber hinaus ist mit einer langfristigen und unumgänglichen Schädigung der Eiche zu rechnen, da das Bauvorhaben die Schutzzone des Baumes nicht hinreichend achtet.“
Oberverwaltungsgericht befasst sich wohl erst 2024 mit der Klage
Gegenüber dem OVG bringt die Kanzlei in ihrer Klageschrift eine ähnliche Begründung für die Klage gegen den B-Plan vor. Zudem argumentiert sie, dass Stadtverwaltung und Politik die öffentlichen und privaten Belange zu einseitig und nicht gerecht abgewogen hätten. Daraus zieht sie die Schlussfolgerung: „Eine so unverhältnismäßig hohe und erdrückende Bebauung liegt nicht im Sinne der städtebaulichen Entwicklung, sondern allenfalls im wirtschaftlichen Interesse der Investoren.“
Christine Nordmann, Sprecherin des Oberverwaltungsgerichts, bestätigt auf Abendblatt-Anfrage den Eingang der Klageschrift, die das Aktenzeichen 1KN6/22 habe. Wann der erste Senat darüber verhandle und entscheide, lasse sich heute noch nicht sagen. „Dieses Jahr wahrscheinlich nicht mehr.“
Projektleiter Arne Parchent von der Firma Semmelhaack bedauert die Verzögerung. „Wir wollten eigentlich jetzt im Januar anfangen zu bauen.“ Aber nun warte das Unternehmen erst einmal die Entscheidungen über die Klage und Widersprüche im Kreishaus Elmshorn und im Schleswiger Gericht ab.
Quickborn: Pläne für Polizeiwache und Wohnungsbau vorerst ausgesetzt
55 Wohnungen mit einer Nutzfläche von etwa 3600 Quadratmetern sowie die Polizeiwache mit knapp 400 Quadratmetern sollen hier für rund 12,5 Millionen Euro errichtet werden. Die Polizeiwache sollte Mitte 2024 fertiggestellt sein und an das Land vermietet werden. „Wenn wir erst in drei Jahren anfangen können, wird es wohl 17 Millionen Euro kosten“, schätzt Parchent.
Auch der Bau der 14 Betriebswohnungen für Beschäftigte der Quickborner Stadtwerke und der Feuerwehr ruhe jetzt zunächst, sagt Werkleiter Memetzidis. Er finde es schade, dass der Nachbar den juristischen Weg eingeschlagen hat. Die Stadtwerke hätten auf seinen Wunsch die Baukörper in der Höhe reduziert und etwas nach hinten versetzt. Zudem sei Kläger Tschechne angeboten worden, für Jahre die Bewässerung der Eiche zu übernehmen, so Memetzidis. „Wir sind weiter für Gespräche offen.“