Pinneberg. Alte Gebäude, wenig Platz, kaum Schutz: Während die Politik den Bedarf immerhin anerkennt, drängen die Retter zur Eile. Wo es hakt.
Mehr als 400-mal im Jahr rücken Pinnebergs Feuerwehrleute für die Bürger aus. Tagsüber, nachts und am Wochenende, ehrenamtlich und auf eigene Kosten. Das tun sie in veralteten Feuerwachen, die ihre Gesundheit gefährden und etliche Mängel haben, und zwar seit Jahren. Darum hat die Ratsversammlung jetzt immerhin einen neuen Feuerwehrbedarfsplan beschlossen.
Das bedeutet: Eine neue Hauptwache muss her, und auch mit dem Standort in Waldenau geht es nicht mehr so weiter. Der Plan zielt bis 2027. „Der Bedarf wurde anerkannt, die Planung grundsätzlich akzeptiert. Die Details sind allerdings offen“, sagt Ratsherr Carl-Eric Pudor (CDU), Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses.
Wie berichtet, ist die Pinneberger Feuerwache an der Friedrich-Ebert-Straße marode, zu klein und total veraltet. Das hat ein Gutachten der Firma Lülf+ bestätigt. Die Studie ist Grundlage für den 150 Seiten starken, aktualisierten Feuerwehrbedarfsplan. „Die Hauptwache mit Werkstätten, Waschhalle, Technik und hauptamtlichem Personal möchten wir an den Eggerstedter Weg verlegen. Außerdem brauchen wir eine kleinere neue Wache in der Innenstadt“, sagt Wehrführer Claus Köster. Vom Eggerstedter Weg aus sei das ganze Stadtgebiet schnell, direkt und sicher erreichbar. Das hat auch das Gutachten nach gründlicher Analyse der mehr als 400 Einsätze pro Jahr nachgewiesen.
Die Zeiten bis zur Rettung werden eingehalten – aber nicht tagsüber
Die wichtigsten Daten dafür sind die vorgeschriebene Eintreffzeit beim Brandeinsatz (acht Minuten) und bei technischer Hilfeleistung, etwa wenn nach einem Unfall ein Mensch eingeklemmt ist (acht Minuten) sowie die Stärke der jeweiligen Mannschaft. Die Zeit wird meist erreicht. Ganz anders sieht es tagsüber mit der vorgeschriebenen Eingreifzeit aus: „Die erreichen wir zu Null Prozent“, sagt Heiko Andersen, stellvertretender Wehrführer.
Die favorisierte städtische Fläche am Eggerstedter Weg, eigentlich für Gewerbe vorgesehen, ist laut Köster 23.000 Quadratmeter groß. Fällt sie an die Feuerwehr, bräuchte diese inklusive Ausbaureserve etwa 15.000 Quadratmeter. „Es könnten sich da immer noch zwei der drei interessierten Investoren verwirklichen“, sagt der Wehrführer. „Wir hoffen, dass die Politik bald über diese Grundstücksfrage entscheidet. Dann könnten wir Ende 2022 mit der Bauplanung beginnen.“
Die Diskussionen der vergangenen Monate innerhalb der politischen Gremien haben zumindest zur Einigung auf künftig zwei Wachen für Pinneberg geführt. „Beide Wachen, die in der Innenstadt und die in Waldenau, sind nämlich stark abgängig“, sagt Heiko Andersen.
Auf dem jetzigen Grundstück in der City die neue Hauptwache zu bauen, sei aus Kösters Sicht deshalb nicht sinnvoll, weil von dort aus nicht das ganze Gebiet innerhalb der Acht-Minuten-Hilfsfrist erreicht werden kann. Außerdem ist das Grundstück zu beengt. Das Gutachterbüro kommt zum selben Ergebnis.
Köster schätzt die Kosten für einen Neubau grob auf 15 Millionen Euro. Wegen der leeren Stadtkassen kursiert die Idee, dass die Wache von einem privaten Investor gebaut wird, von dem die Stadt Pinneberg das Gebäude mieten würde. Beim Bau von Rettungswachen im Land Schleswig-Holstein ist das bereits gängige Praxis. In Quickborn etwa wird auf ähnliche Weise eine neue Polizeiwache entstehen (das Abendblatt berichtete).
Gutachten: 28 Feuerwehrleute fehlen für die Zahl der Einsätze
Exakt 17 Einsatzfahrzeuge hat die Pinneberger Feuerwehr, elf davon stehen in der City, fünf in Waldenau (ein neues Hubrettungsfahrzeug fehlt noch). „Die brauchen wir, um alle Einsatzarten abzuarbeiten. Danach müssen sie stets sofort gereinigt und gewartet werden, denn sie müssen ja immer einsatzbereit sein“, erklärt Köster. Räume und Fahrzeuge hin oder her – ein Faktor ist noch wichtiger: Das Personal.
In Pinneberg, wo die Mitgliederstärke zwischen 90 und 100 Personen liegt, hapert es an Freiwilligen. „Derzeit ergibt sich eine Unterdeckung von 28 Einsatzkräften“, ermittelt das Gutachten. Denn viele Kameradinnen und Kameraden arbeiten während der Woche und können tagsüber nicht dauernd oder nur unter erschwerten persönlichen Bedingungen zu Rettungseinsätzen fahren. Sie machen einen Anteil von 66 Prozent der ehrenamtlichen Feuerwehrleute aus – ziemlich genau zwei Drittel. Corona hat die Einsätze zudem nicht attraktiver gemacht. Abgesprungen sei aber bisher kaum jemand.
„Wir haben schon eine Menge versucht, um weitere Ehrenamtliche zu gewinnen“, sagt Andersen. Bei allen kritischen Einsätzen sei der Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft essenziell: „Das ist das, was uns stark macht“. Für die Einsätze am Tag müssen nach den Berechnungen des Gutachters neun hauptamtliche Feuerwehrleute eingestellt werden. Das geht aber nur, wenn sie auch Platz zum Arbeiten haben. Kritisch sei dabei anzumerken, dass die Zahl der Einsätze auch deshalb ständig steigt, weil Bürgerinnen und Bürger wegen banalster Vorfälle den Notruf wählen. „Es will sich eben keiner angreifbar machen“, sagt Andersen über die Verfahrensweise beim standardisierten Abfrageprotokoll in der Notrufzentrale. Allem Anschein nach sei dieser Bereich überreguliert.
Risiko für Krebserkrankung soll eine Schleuse mindern
Die Hauptfeuerwache, die 1961 erbaut wurde, hat laut Claus Köster „eklatante Mängel“: Zu wenig Parkplätze für die ehrenamtlich herbeieilenden Einsatzkräfte, keine Schwarz-Weiß-Trennung, keine Abgas-Absaugung. Zur Erklärung: Heutzutage sind die verbauten Materialien voller Kunststoffe, die verbrannt zu einem sehr giftigen, gesundheitsschädlichen Film werden, der sich auf Kleidung und Stiefeln der Kameraden absetzt. Um nicht auf Dauer an Krebs zu erkranken, muss eine Schleuse her, damit saubere und kontaminierte Kleidung getrennt werden.
Momentan ziehen sich die Feuerwehrleute direkt hinter den Fahrzeugen um – wenn’s schlecht läuft, im Dunst der Abgase, denn so ein großes Einsatzfahrzeug muss einige Zeit vor Abfahrt angeworfen werden. Die Pinneberger Kameraden würden nicht murren oder überzogenen Forderungen stellen. Sie würden Missstände benennen und beweisen, warum es nicht mehr lange so weitergeht.