Wedel/Itzehoe. Sein Verletzungsbild an der Hand entlarvt Bülent O. als Angreifer. Der angeklagte Wedeler will aber Opfer der Attacke sein.

Die Beweisaufnahme neigt sich dem Ende zu – und auch die Verteidigungsstrategie des Angeklagten scheint am Ende: Im Verfahren um die Messerattacke in einer Wedeler Kellerwohnung vom Mai 2022 hat Donnerstag ein Gerichtsmediziner der Aussage von Bülent O., der Opfer und nicht Täter sein will, widersprochen. Die Verletzungen an der Hand des 42-jährigen Wedelers seien „keine Abwehrverletzungen“, sondern im Gegenteil beim Angriff mit einem Messer entstanden, so Dr. Tobias Huter vor dem Landgericht Itzehoe

Wedel: Rechtsmediziner belastet Angeklagten nach Messerattacke schwer

Der Gerichtsmediziner hatte nach der folgenschweren Auseinandersetzung beide Beteiligte untersucht. Zu diesem Zeitpunkt galt der Angeklagte Bülent O. noch als Opfer der Auseinandersetzung, sein Kontrahent Hüseyin D. (30) als Täter. Bei Letzterem stellte der Sachverständige im Klinikum St. Georg eine 15 Zentimeter lange und bis zu vier Zentimeter tiefe Schnittwunde fest, die sich quer über den Nacken zog. Zudem ein zweiter, tiefer Einschnitt am linken Ohr. „Es bestand potenziell Lebensgefahr, auch wenn das Opfer nicht akut bedroht war“, berichtet der Mediziner.

Hüseyin D. habe großes Glück gehabt. Wäre der Schnitt noch etwas tiefer ausgefallen oder der Winkel beim Eintreten des Messers etwas verändert gewesen, hätten „die großen blutführenden Gefäße des Halses“ getroffen werden können. So sei lediglich eine kleinere Arterie verletzt worden. Dennoch sei aufgrund der Infektionsgefahr sowie der Tiefe der Wunde medizinisch von einer Lebensgefahr auszugehen, so der Sachverständige.

Wedel: Der mutmaßliche Täter will eigentliche das Opfer sein

Während der Untersuchung habe Hüseyin D. den Tathergang geschildert. Demnach sei ein Streit um die Reinigung des Badezimmers eskaliert und er sei von seinem WG-Partner Bülent O. an seiner Zimmertür mit einem Messer angegriffen worden. Dieser habe vier Mal mit dem Messer in seine Richtung gestoßen. Zweimal habe er sich wegducken können, zweimal sei er getroffen worden.

Der geschilderte Hergang korrespondiere mit den Verletzungen, so Huter. „Das passt“. Umgekehrt passen die tiefen Schnitte im Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand von Bülent O. nicht zu seiner Version der Geschichte. Der 42-Jährige hatte auch vor Gericht behauptet, er sei von Hüseyin D. mit einem Messer angegriffen worden. Er habe in das Messer gegriffen, um den Angriff abzuwehren. Dabei seien die Verletzungen entstanden – die seines Kontrahenten dann später beim Kampf der beiden Männer. Dem widersprach der Sachverständige.

Wedel: Urteil im Prozess um Messerattacke im Februar erwartet

Der Rechtsmediziner geht davon aus, dass der Griff des Messers durch das viele Blut glitschig geworden ist und Bülent O. beim erneuten Zustechen abgerutscht ist. Auf diese Weise habe er sich die Verletzungen quasi selbst zugefügt.

Zu diesem Schluss kam auch Kripo-Mann Michel S. (30), der den Fall einen Tag nach der Tat übernahm. „Abwehrverletzungen sind eher auf der Außenseite der Hände und an den Unterarmen zu finden“, so der Zeuge. Er habe daher schnell die Hypothese aufgestellt, dass Bülent O. entgegen seinen Angaben nicht das Opfer, sondern der Aggressor ist.

Der 42-Jährige muss sich wegen versuchten Totschlags verantworten, sitzt seit sieben Monaten in Untersuchungshaft. Am 27. Januar sollen die Plädoyers in dem Verfahren erfolgen. Die Schwurgerichtskammer will das Urteil dann am 10. Februar verkünden.