Kreis Pinneberg. Kreiseigene Abfallgesellschaft GAB ist auch die nächsten 20 Jahre für die Entsorgung zuständig – Remondis muss sich neu bewerben.

Der Kreistag hat während seiner jüngsten Sitzung den Entsorgungsvertrag mit der Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB) ab 2024 für 20 Jahre neu gefasst. Damit ist die Zukunft des Abfallunternehmens und seiner rund 240 Beschäftigten langfristig gesichert. Die GAB betreibt unter anderem die Müllverbrennungsanlage in Tornesch und versorgt die Kreisstadt Pinneberg mit Fernwärme.

Kreis Pinneberg: GAB entsorgt auch weiterhin den Abfall

Die Abfallentgelte für die etwa 175.000 privaten Haushalte und Gewerbekunden im Kreis werden aber wohl steigen, wenngleich moderat, heißt es aus der Kreisverwaltung. Der bisher gültige, etwa 20 Jahre alte Entsorgungsvertrag, hatte zuletzt ein Volumen von etwa 21 Millionen Euro pro Jahr, die der Kreis für die Abfallverwertung an die GAB zahlte. Zudem ist der Kreis zu 51 Prozent an der GAB beteiligt. Der neue Entsorgungsvertrag sei nun „strukturell und finanziell neu aufgesetzt“ worden, sagt Fachbereichsleiter Andreas Köhler, genaue Zahlen nennt er aber nicht.

Der Kreis muss den Entsorgungsvertrag europaweit als Teil eines Wettbewerbsverfahrens neu ausschreiben. Eine direkte Vergabe an die GAB würde nur noch dann möglich sein, wenn der Kreis noch zu 100 Prozent Eigentümer der Abfallgesellschaft wäre, wie er es bis zur Teilprivatisierung 2001 war. Es gab bereits Klagen von anderen Entsorgungsfirmen, die sich gegen die Verlängerung dieses Vertrages zwischen Kreis und GAB wehrten. Und auch der Landesrechnungshof rügte damals das Vorgehen des Kreises Pinneberg.

Europaweite Ausschreibung der Gesellschaftsbeteiligung

Darum muss es jetzt tatsächlich zu einer europaweiten Ausschreibung kommen, damit sich der Kreis nicht mehr angreifbar macht. Allerdings wird nun nicht mehr allein der Entsorgungsvertrag ausgeschrieben. Er ist nun Teil einer Ausschreibung der Gesellschaftsbeteiligung. „Der Entsorgungsvertrag ist sicher“, sagt Projektleiter Köhler. Die neue Ausschreibung richte sich am sogenannten Frankfurter Modell aus, das die Stadt am Main erfolgreich und gesetzeskonform 2020 in einem ähnlichen Fall erreichte, wie Köhler erläutert.

Denn bei einer Ausschreibung des bloßen Entsorgungsvertrages würde die Gefahr bestehen, dass sämtliche Dienstleistungen der GAB – die Verwertung des Restmülls, der Bioabfälle, das Recycling sowie die Sammlung von Sperrmüll, Elektroschrott und Altpapier – jeweils an verschiedene Firmen gingen. Diese Jobs müssten an ein anderes Unternehmen irgendwo in Deutschland vergeben werden.

Kreis Pinneberg: Arbeitsplätze bei der GAB sollen gesichert werden

Was das für Probleme für die Bürger mit sich bringen kann, zeigt gerade das aktuelle Beispiel mit den Verpackungsabfällen, für das jetzt ein Unternehmen aus Hessen zuständig ist, das allein schon mit der fristgerechten Verteilung der Gelben Tonnen völlig überfordert zu sein scheint.

Würde also nur der Entsorgungsvertrag ausgeschrieben, wären die Arbeitsplätze bei der GAB hochgradig gefährdet, wenn ein anderer Anbieter die Aufgaben der öffentlich rechtlichen Abfallentsorgung übernehmen sollte.

GAB-Mitgesellschafter Remondis will sich bewerben

Um das zu vermeiden, wird der Kreis jetzt offiziell einen neuen Geschäftspartner für die GAB suchen. „Zur Sicherstellung der Abfallentsorgung im Kreis Pinneberg soll der Geschäftsanteil des privaten Gesellschafters (49 Prozent) der Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Abfallbehandlung mbH neu vergeben werden“, heißt es offiziell in den Ausschreibungsunterlagen.

Der Kreis beabsichtige, diesen Gesellschaftsanteil des privaten Partners an der GAB zum 1. Januar 2024 an einen „strategischen Partner während eines europaweiten Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb für voraussichtlich 20 Jahre neu zu vergeben.“ Teil dieser Ausschreibung ist der Neuabschluss des neuen Entsorgungsvertrages zwischen Kreis und GAB.

Der bisherige Mitgesellschafter und langjährige Partner des Kreises bei der GAB ist die Remondis GmbH. Diese sei über das Vorgehen informiert und einverstanden, erklärt auf Nachfrage Wolfgang Steen, Remondis-Chef in Norddeutschland. „Die Ausschreibung ist notwendig“, sagt er und kündigt an: „Natürlich wird sich auch Remondis darum bewerben. Schließlich sind wir seit 20 Jahren ein verlässlicher Partner für den Kreis Pinneberg bei der Abfallentsorgung. Und das wollen wir bleiben.“

Kreis Pinneberg: Remondis-Chef rechnet mit wenig Konkurrenz

Dabei bestehe allerdings „das Restrisiko“, dass Remondis nicht das beste Angebot abgäbe und den Zuschlag und damit seine Gesellschaftsanteile an der GAB verlöre, weiß Steen. Er rechne aber nicht mit all zu viel Konkurrenz, sondern gehe von etwa einer Handvoll Mitbewerbern aus. Schließlich werde nur ein Unternehmen mit entsprechender Branchenkenntnis bei der Abfallentsorgung berücksichtigt. Sollte Remondis allerdings aussteigen müssen, weil ein Wettbewerber dem Kreis ein besseres Angebot unterbreiten sollte, würde das Unternehmen mit Sitz in Lünen bei Dortmund durch den Kaufpreis des neuen Mitgesellschafters für seine 49-Prozent-Anteile entschädigt.

Der Wert dafür dürfte heute erheblich höher als vor 20 Jahren liegen, als der Kreis rund 20 Millionen Euro kassierte. Doch inzwischen hat sich der Jahresumsatz der GAB auf rund 55 Millionen Euro beinahe verdoppelt und die Zahl der Mitarbeiter von 170 auf 240 erhöht. 2021 erzielte die GAB einen Jahresüberschuss von 4,7 Millionen Euro, den sich die Gesellschafter teilten und ausgeschüttet haben. Zudem soll die bislang kreiseigene Hausmüllabfuhr, die Hameg, jetzt mit 81 Beschäftigten und acht Millionen Euro Jahresumsatz in die GAB integriert werden, was sie noch attraktiver für private Entsorger machen dürfte.

Abfallentsorgung soll in der Hand des Kreises Pinneberg bleiben

Das ganze Verfahren sei transparent und eng abgestimmt mit der Kreispolitik, die seit einem Jahr in einer eigens gebildeten Arbeitsgruppe beteiligt sei, wie Köhler sagt. Das bestätigt Grünen-Fraktionschef Thomas Giese, Angehöriger der AG und Aufsichtsrat der GAB. Die Ausschreibung des Gesellschaftsanteils der GAB sei die „elegantere Lösung“, sagt der langjährige Abfallexperte. „So bleibt die gesamte Abfallentsorgung bei der GAB und somit in der Hand des Kreises Pinneberg.“

Es wäre auch eine vollständige Rekommunalisierung der GAB denkbar gewesen, sagt Giese. Doch die privaten Anteile nun selbst zurückzukaufen, wäre für den Kreis „sehr teuer“. Er gehe davon aus, dass der Wert des „gesunden Unternehmens GAB“ in den vergangenen 20 Jahren erheblich gestiegen sei.

Kreis Pinneberg: Abfallgebühren für die Bürger werden steigen

„Auch die Abfallgebühren werden steigen“, sagt Giese. Schließlich hätten sich die Energiepreise und Personalkosten erhöht und der Kreis viele Jahre mit zusätzlichen Mitteln die Abfallentgelte stabil gehalten. Das sollte aber im Rahmen bleiben und sich durchschnittlich bei 15 Prozent bewegen, glaubt er. Sollte der Kreis mit der Veräußerung des GAB-Anteils jetzt einen Gewinn erzielen, „werde ich mich dafür einsetzen, dass der für die Stabilisierung der Abfallgebühren eingesetzt wird“, so Giese.

Bei der musterhaften Ausschreibung in Frankfurt war ebenfalls Remondis betroffen. Dort ging es aber mit einem Volumen von 2,4 Milliarden Euro und 1900 Arbeitsplätzen um ein Vielfaches dessen, was jetzt im Kreis auf dem Spiel steht. In Frankfurt konnte Remondis seinen Anteil in der öffentlichen Ausschreibung behaupten und bleibt nun weitere 20 Jahre Partner der Abfallentsorgung am Main.

Kreis Pinneberg: GAB sucht einen neuen Geschäftsführer

Nach dem plötzlichen Ausscheiden von Jens Ohde vor einem Jahr als vom Kreis bestellter Geschäftsführer bei der GAB ist diese Position vakant. Zum 1. Januar dieses Jahres sollte sie eigentlich neu besetzt werden. Der Kreis hatte bereits einen Nachfolger bestimmt und mit diesem den Arbeitsvertrag unterzeichnet, erklärt Fachbereichsleiter Andreas Köhler.

Doch plötzlich und unerwartet sei der ausgewählte Bewerber im Dezember verstorben, sodass er nicht im Januar seinen neuen Arbeitsplatz antreten konnte. Nach Abendblatt-Informationen handelte es sich um einen 46 Jahre alten Abfallexperten aus Freiburg im Breisgau, der bereits eine Abfallgesellschaft mitgeleitet hat. „Wir bedauern seinen plötzlichen Tod sehr“, sagt Köhler. Das Mitgefühl gelte der Familie des Verstorbenen.

Der Kreis habe nach der Tragödie nun wieder eine Headhunter-Firma mit der Suche eines geeigneten Nachfolgers beauftragt, der möglichst bis zum Sommer gefunden sein soll. Bis dahin werde Hameg-Chef Herbert Schultze für den Kreis Pinneberg die GAB-Geschäftsführung neben dem Remondis-Kollegen Michael Finnern übernehmen. Das Jahresgehalt des GAB-Geschäftsführers beträgt rund 200.000 Euro brutto im Jahr.