Kreis Pinneberg. Die GAB plant in Tornesch nun eine kleinere Anlage zur Müllverbrennung. Der Bürgerinitiative reicht das aber noch nicht.

Die neue Müllverbrennungsanlage (MVA) in Tornesch-Ahrenlohe soll erheblich kleiner gebaut werden als ursprünglich geplant. Statt der 130.000 Tonnen Kapazität sind jetzt nur noch 110.000 Tonnen vorgesehen. So hat es jetzt die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB) entschieden, an der der Kreis Pinneberg zu 51 Prozent und der private Abfallkonzern Remondis zu 49 Prozent beteiligt sind.

Tornesch: Müllverbrennungsanlage soll deutlich kleiner werden

Für die Bürgerinitiative „Aktiver Umweltschutz Ellerhoop“ sei das „ein Schritt in die richtige Richtung“, wie Karl-Ernst Bürkner, der stellvertretende Vorsitzende der BI dem Abendblatt sagt. „Allein, es reicht uns noch nicht aus. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die neue Müllverbrennungsanlage höchstens 80.000 Tonnen verbrennen darf.“ Immerhin würden durch die nun beschlossene 15-prozentige Senkung der künftig zu verbrennenden Abfälle jährlich 30.000 Tonnen weniger CO in die Luft des Kreises Pinneberg ausgestoßen werden, sagt Bürkner.

Die geforderten 80.000 Tonnen Verbrennungskapazität beziehen sich auf die Ausgangslage, denn so viel Volumen besitzt der alte Müllofen, der 1974 am Standort Tornesch in Betrieb genommen wurde. Seit 1986 versorgt er Pinneberg mit Fernwärme, 1994 wurde umfangreich bei der Abgasreinigung nachgerüstet.

Noch bis in den Herbst hinein beharrte die Geschäftsführung der GAB darauf, 130.000 Tonnen Abfälle zu verbrennen. Neben den 65.000 Tonnen Hausmüll aus dem Kreis würden 32.000 Tonnen Sperrmüll und rund 30.000 Tonnen Gewerbeabfälle im Jahr anfallen, hieß es in einem Gutachten der GAB zu den prognostizierten Müllmengen. Für die BI waren diese Angaben nicht nachzuvollziehen.

GAB hat nicht genug Müll, um die Anlage effizient zu betreiben

In der Abfallbilanz für den Kreis Pinneberg würden nur knapp 60.000 Tonnen für die thermische Behandlung vorgesehen sein, argumentierte Bürkner und legte der GAB und der Kreisverwaltung dazu einen umfangreichen Fragenkatalog vor. Dieser ist inzwischen beantwortet.

Darin heißt es von der GAB unter anderem, dass sie etwa 9000 Tonnen Abfälle im Jahr woanders verbrennen lassen müsse, wie ihr Sprecher Julian Jenkel mitteilte. „Unser jetziges MHKW (Müllheizkraftwerk) hat nach dem gültigen Planfeststellungsbeschluss einen genehmigten Durchsatz von 5,5 Tonnen pro Stunde bei einem Heizwert von 9,5 Megajoule pro Kilogramm, pro Linie bei zwei Linien.“ Das ergäbe rechnerisch eine jährlich zu verbrennende Müllmenge von 88.000 Tonnen, so Jenkel weiter. „Würde die Anlage 365 Tage rund um die Uhr laufen, kämen wir auf etwa 96.000 Tonnen pro Jahr, was wir in der Praxis aufgrund von Revisions- und anderen Ausfallzeiten nicht erreichen. Wir müssen daher Abfälle in andere Anlagen bringen.“

Doch nun plant die GAB plötzlich eine kleinere Anlage. Dem Hauptausschuss des Kreistages teilte das Unternehmen dazu aktuell mit, dass lediglich 90.000 Tonnen Abfälle „im langfristigen Zugriff der GAB“ seien. „Die Restmengen müssen auf dem Markt gewonnen werden“, heißt es dazu in der Beschlussvorlage der Kreisverwaltung, die die Absenkung der Kapazität der Müllmengen für die neue MVA auf 110.000 Jahrestonnen begründet.

Tornesch: Verlässliche Prognosen zu künftigen Müllmengen nicht möglich

Eine neuere, weitergehende Abschätzung der künftig zu verarbeitenden Müllmengen habe nun „eine Entwicklungstendenz aufgezeigt, die zu einem Rückgang der Menge auf 117.000 Jahrestonnen führen könnte bei gleichzeitiger Verschiebung der Abfallfraktionen.“

GAB-Sprecher Jenkel verweist auf Abendblatt-Nachfrage auf die „volatile Situation“ auf dem Abfallmarkt, die zurzeit keine verlässlichen Prognosen und Annahmen zu den künftigen Müllmengen zuließe. „Frühere Überlegungen sind sorgfältig überprüft worden, die Rahmenbedingungen haben sich weltweit für derart komplexe Projekte verändert.“ Neueste Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die die Chancen und Risiken untersuchten, hätten nun die Reduzierung der Planungen notwendig gemacht. „Auch mit der Zusicherung an den Mehrheitsgesellschafter, den Kreis Pinneberg, die anfallenden Abfälle in den nächsten Jahren gesichert entsorgen zu können.“

Und da sind die Gewerbeabfälle die große Unbekannte, weil die von den privaten Unternehmen überall dort entsorgt werden dürfen, wo ihnen die günstigsten Entsorgungskosten angeboten werden. Die anfangs angenommen 30.000 Tonnen Gewerbeabfälle könnten sich also im schlimmsten Fall in Luft auflösen und ganz woanders als im Kreis Pinneberg entsorgt werden, so die nun angenommene Befürchtung.

Tornesch: Reduzierung beruht vor allem auf unkalkulierbaren Risiken

In der Stellungnahme der Kreisverwaltung dazu heißt es, dass eine größere Anlage nur dann betriebswirtschaftliche Vorteile verspräche, „wenn es gelingt, sie über die gesamte wirtschaftliche Nutzungsdauer hinweg nahezu vollständig auszulasten.“ Durch die „nicht andienungspflichtigen“ Gewerbeabfälle bestünde ein nicht unerhebliches“ „betriebswirtschaftliches Risiko, die Anlage nicht auslasten oder nicht kostendeckend auszulasten zu können.“

Dieses Risiko werde „höher eingeschätzt als die möglichen Chancen, die sich aus dem Betrieb einer größeren Anlage ergeben. Zumal es „rechtlich nicht möglich ist, dass der Entgelthaushalt mit etwaigen Verlusten belastet wird“, heißt es weiter in der Begründung der Kreisverwaltung. Ihre Empfehlung daher: „Mit der Reduzierung der Auslegungsgröße werden Chancen und Risiken in ein wirtschaftlich vertretbares Maß überführt.“ Kurzum: Die neue MVA wird nun auf höchstens 110.000 Tonnen begrenzt.

Ein Hauptgrund dieser Überlegung betrifft den geplanten Neubau einer Müllverbrennungsanlage in Hamburg. So hat die dortige Stadtreinigung gerade entschieden, bis 2025 am Standort Stellingen einen Komplex aus zwei zentralen Verbrennungslinien sowie einer Hausmüllsortieranlage zu errichten, die einen Gesamtjahresdurchsatz von bis zu 320.000 Tonnen an Abfallmengen ermöglicht. Das würde bedeuten, dass schon sehr bald erheblich größere „weitere Verbrennungskapazitäten im Einzugsbereich der GAB“ entstehen werden, die vor allem die stark schwankenden Gewerbeabfälle unter einem enormen Wettbewerbsdruck stellten, warnt die Kreisverwaltung.

Im ganzen Land herrsche kein Bedarf an neuen Müllverbrennungsanlagen

Und auch das Land sieht zurzeit offenbar keinen Anlass für weitere Müllverbrennungsanlagen. Im aktuellen Abfallwirtschaftsplan heißt es, dass „nach derzeitigen Betrachtungen in den kommenden zehn Jahren nicht mit einem Anstieg der Abfallmengen zu rechnen“ sei. „Daher werden auch die zur Verfügung stehenden Kapazitäten der Entsorgungsanlagen als ausreichend angesehen“ und „nach abschließender Betrachtung besteht grundsätzlich kein weiterer Bedarf an Anlagenkapazitäten zur Entsorgung von Abfällen“.

Damit nicht genug. Schon bald droht weiteres Ungemach im Bereich der Abfallgebühren. Diese konnten im Kreis Pinneberg jahrelang relativ konstant gehalten werden. Durch die erheblich gestiegenen Energiekosten werden die Müllgebühren aber wohl spätestens ab 2024 angehoben werden müssen, heißt es dazu aus der Kreisverwaltung.

Zudem wird wohl auch der Entsorgungsvertrag, der die Hausmüllentsorgung aus dem Kreis Pinneberg jahrzehntelang der Kreisgesellschaft GAB zusicherte, europaweit ausgeschrieben werden müssen. Spätestens seit der Ausschreibung der Verpackungsabfälle für die Gelben Tonnen, die die GAB zum Jahreswechsel an die RMG in Hessen verlor, „wissen wir, dass solche Ausschreibungen ein Vabanquespiel sind“, warnt schon der SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl.