Pinneberg. Bebauungsplan liegt nun öffentlich aus – und wird von der Initiative vehement abgelehnt. Was die Mitglieder sich wünschen.
Noch liegen sie schlummernd da, die historischen Rotklinker-Hallen der ehemaligen Emaille-Fabrik Wupperman an der Hermanstrasse, unweit der Pinneberger Innenstadt. Doch das soll sich bald ändern. Aus dem Lost Place soll ein Neubaugebiet werden – ungeachtet des Widerstands der Interessengemeinschaft Wupperman, die die Hallen erhalten will.
Pinneberg: Interessengemeinschaft will Wupperman-Hallen erhalten
Einst eines der größten Emaillierwerke Europas, geführt von dem sozial engagierten Unternehmer Herman Wupperman, sind die Reste von Werk II aus dem Jahr 1903 heute mit einem Bauzaun abgesperrt. Partyvolk und Zündler hält das aber nicht vom Betreten ab. Immer wieder muss die Pinneberger Feuerwehr ausrücken, weil es dort brennt. Die Hallen sollen bald abgerissen werden und einem Wohngebiet weichen. Ein Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses hat im Juni 2021 dafür den Weg geebnet.
Am 17. August 2021 wurde die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen. Nun liegt die 13. Änderung des Flächennutzungsplanes und damit der Vorentwurf des Bebauungsplanes Nummer 171 öffentlich aus. Der Kölner Investor Deutsche Reihenhaus AG will auf dem Gelände 42 kostengünstige Reihenhäuser bauen, in zwei unterschiedlichen Varianten – eine mit 120 Quadratmetern und eine etwas größere namens „Familienglück“. So soll Wohnraum für rund 150 Menschen entstehen. 84 Parkplätze und 960 Quadratmeter Dachbegrünung sind geplant.
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Pinneberg: Widerstand gegen die Pläne der Kommunalpolitiker
Die Mitglieder im Ausschuss für Stadtentwicklung haben sich für die Wohnbebauung ausgesprochen – Pinneberg braucht bezahlbaren Wohnraum. Die Initiative IG Wuppermann hingegen kämpft gegen den Abriss der Hallen und hat dem Bebauungsplan widersprochen. Die IG-Mitglieder finden, dass das ehemalige Emaillierwerk ein industrie-, stadtgeschichtlich sowie städtebaulich erhaltenswertes Gebäudeensemble ist.
Eine Änderung des Flächennutzungsplanes und ein Beschluss des Bebauungsplanes 171 für allgemeines Wohnen würde einen Abriss der historischen Backsteingebäude im nördlichen Bereich der Liegenschaft bedeuten. „Mit dem Abriss würde ein für die Stadt Pinneberg identitätsstiftendes, architektonisches Erbe unwiederbringlich zerstört werden“, heißt es von der Interessengemeinschaft.
Wupperman-Hallen sind nicht als Denkmal eingestuft
Die Landesdenkmalpflege in Kiel sieht das etwas anders. Die Behörde hat zwar den städtebaulichen und architektonischen Wert der Anlage anerkannt, eine Eintragung als Kulturdenkmal aber versagt mit dem Hinweis, dass das historische Innenleben als Eisengussfabrik inzwischen fehlt. Dieser Argumentation widerspricht die IG: „Sollte diese zum allgemeinen Maßstab einer Denkmalschutzbewertung werden, so könnte man getrost jedes zweite Denkmal aus der Denkmalschutzliste streichen.“
Jan Jenei, Mitglied der IG Wupperman, sagt: „Der Eigentümer lässt seit Jahren das mehrere tausend Quadratmeter große Grundstück praktisch ungesichert und die Gebäude ungeschützt verkommen.“ Es dränge sich die Frage auf, „ob dies mit voller Absicht geschieht, um Politik und Verwaltung unter Druck zu setzen und Erhalt und Neunutzung der historischen Gebäude zu verhindern“.
Pinnebergs Wehrführer fordert Abriss der Wupperman-Hallen
Bemerkenswert sei auch, dass die Stadtverwaltung seit Jahren keine Veranlassung sehe, vom Eigentümer eine professionelle Sicherung des Grundstücks und der historischen Gebäude zu verlangen, die Betreten, Müllablagern oder Brandstiftung verhindern würde. Zuletzt forderte Pinnebergs Feuerwehr-Chef Claus Köster den Abriss der Hallen – dreimal musste die Wehr 2022 zu Brandstiftungen auf dem Gelände ausrücken.
Insbesondere in den nicht erhaltenswerten Hallen im Südteil der Liegenschaft befinden sich frei zugängliche Müllsäcke, deren Aufdrucke vor Gesundheitsgefährdung durch krebserregende Mineralfaserabfälle warnen, so die IG Wupperman. „Entsprechende Gerüchte und Fotos machten vor einiger Zeit die Runde“, so Birger Holm, ebenfalls Mitglied der IG Wupperman.
„Hier hätte die Stadtverwaltung lange eine Ersatzvornahme einleiten und Sicherungsmaßnahmen durchführen müssen.“ Völlig unzeitgemäß sei eine „große Koalition des Schweigens und der Fantasielosigkeit, die tatenlos dem Abriss eines historischen Erbes der Stadt“ zusehe und ihn befürworte.
Pinneberg: Wie soll die Stadt mit den Wupperman-Hallen umgehen?
Die IG Wupperman hat während der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans 171 Hermanstraße ihren Widerspruch eingereicht und ausführlich begründet. Darin heißt es unter anderem: Das Baugesetzbuch verlange in Paragraf 1, Absatz 6, Satz 5, ausdrücklich bei der Aufstellung von Bebauungsplänen „… die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes…“ zu berücksichtigen. Diese Forderung erfülle der jetzt vorgelegte Entwurf in keiner Weise, so die Initiative.
An Ideen für eine Nutzung der Hallen mangelt es der IG Wupperman nicht: eine Markthalle, ein Ort für Kunst, Kultur und Begegnungen oder Konzerte soll es nach ihrer Vorstellungen werden. Platz wäre auch für eine Kaffeerösterei und eine Bierbrauerei, für ein Kino und Handwerk, ein Platz für Innovation und Inklusion und eine Gedenkstätte. Als positive Beispiele nennt die IG Lay´s Loft in Barmstedt, die Knechtschen Hallen in Elmshorn oder die Zeise-Hallen in Hamburg-Altona.
Ein ähnliches Konzept hatten die beiden Pinnebergerinnen Nikoline Jonas und Birgit Wunder 2021 entworfen und der Politik vorgestellt. Die Ideen fanden allerdings keine weitere Beachtung.