Pinneberg. Auf dem Areal der für die Stadt so bedeutenden Fabrik soll bald gebaut werden. Und was wird aus dem Wupperman-Denkmal?

Das Lebenswerk Herman Wuppermans ist mehr als beachtenswert - und untrennbar mit Pinneberg verbunden. Der Inhaber der ehemaligen Union-Eisenwerke hat der Region nicht nur wirtschaftlichen Erfolg beschert, sondern seinen Angestellten im ausgehenden 19. Jahrhundert wahrlich zukunftsweisende Arbeitsbedingungen geschaffen. Prämien, Betriebssparkasse, Mietsparkasse, Werkswohnungen, Speiseanstalt, Kinderbetreuung – um nur einige Stichworte zu nennen. Doch heute, 124 Jahre nach Wuppermans tödlichem Verkehrsunfall, macht es den Eindruck, als fehle es Pinneberg an Wertschätzung für das Schaffen und Engagement des Industriellen. Nach und nach weichen die letzten Zeugen der Emaillierwerk-Ära aus dem Stadtbild.

Pinneberg: Historische Bauten weichen aus dem Stadtbild

Die vermutlich prägendsten Wupperman-Bauten, die Industriehallen an der Hermanstraße, gedenkt die Stadt nämlich in Kürze abzureißen. Den entsprechenden Beschluss hatte der Stadtentwicklungsausschuss im Juni 2021 gefasst. Auf dem Areal, auf dem noch immer die schönen backsteinernen Industriehallen stehen, in denen es schon ein paarmal heftig gebrannt hat, sollen jetzt Reihenhäuser entstehen. Zu erschwinglichen Preisen, dafür aber fast direkt an der Bahnlinie. Ina Temme, Sprecherin der Deutschen Reihenhaus AG in Köln, bestätigt: „Wir haben das Projekt an der Hermanstraße in Pinneberg erstmalig 2019 in den Gremien der Stadt vorgestellt. Der Aufstellungsbeschluss ist nun erfolgt.“

Die Wupperman-Hallen: ein Lost Place, der wegen Vandalismus und vielfacher Brandstiftung eingezäunt wurde.
Die Wupperman-Hallen: ein Lost Place, der wegen Vandalismus und vielfacher Brandstiftung eingezäunt wurde. © Anika Würz | Anika Würz

Sollten die Pläne sich weiter konkretisieren, bedeutet das: Das architektonisch und geschichtlich spannende Gelände wird plattgemacht, um genormten Wohnräumen Platz zu machen, die den Vorteil der Bezahlbarkeit haben sollen. „Derzeit werden die städtebaulichen Verträge verhandelt. Wir haben ein Institut damit beauftragt, das Bebauungsplanverfahren vorzubereiten“, informiert Achim Behn, Sprecher des Investors Deutsche Reihenhaus AG. Unter anderem spielten die Belange Baugrund, Emissionen und Natur dabei eine Rolle. „Dazu haben wir Gutachten eingeholt, deren Ergebnisse mit der Stadt besprochen werden und anschließend ins Bebauungsplanverfahren einfließen“, sagt Behn.

Auch dieser Haustyp mit 145 Quadratmetern wird auf dem Wupperman-Areal unweit der Hochbrücke gebaut werden.
Auch dieser Haustyp mit 145 Quadratmetern wird auf dem Wupperman-Areal unweit der Hochbrücke gebaut werden. © Deutsche Reihenhaus AG | Deutsche Reihenhaus AG

Auch um Lärmschutz soll es in den Gesprächen gehen, denn die Reihenhäuser liegen fast direkt an der Bahnlinie und unweit der ebenfalls lauten Hans-Hermann-Kath-Brücke. Aber Ina Temme ist da ganz zuversichtlich: „Mit der Entwicklung und Aufwertung von alten Industriebrachen sowie lärmbelasteten Arealen sind wir bestens vertraut.“

42 Reihenhäuser für 150 Bewohner und Bewohnerinnen geplant

Wenn denn alles glattliefe, käme die Deutsche Reihenhaus AG noch in diesem Jahr in die Offenlage des Bebauungsplans. „Bestenfalls erhalten wir den Satzungsbeschluss im dritten Quartal 2023. Wir würden dann auch anschließend gerne mit dem Abriss beginnen“, gibt Behn einen Ausblick. „Der Zustand des Grundstücks verschlechtert sich leider kontinuierlich, da es als Müllhalde oder gar als Party-Location genutzt wird.“

Die Planungen sehen zurzeit 42 Reihenhäuser vor, und zwar in zwei unterschiedlichen Varianten, einer mit 120 Quadratmetern und einer etwas größeren namens „Familienglück“. So soll Wohnraum für rund 150 Personen geschaffen werden. 84 Parkplätze und 960 Quadratmeter Dachbegrünung gibt es obendrein. Die Deutsche Reihenhaus AG macht sich dabei die allgemeine Wohnungsnot und die hohen Grundstückspreise zunutze und bietet Familien, die bauen wollen, trotzdem etwas Bezahlbares an, indem sie auf kleiner Fläche grundsätzlich zweistöckig und in Reihe baut. Bezahlbar würde das, weil die hohen Planungskosten durch das serielle Bauen immens sinken würden, heißt es auf deren Website.

Pinneberg: Mehrgenerationenhaus ist im Wohnpark nicht möglich

Das Ganze wird „Wohnpark“ genannt, weil es knappe, begrünte Gemeinschaftsflächen gibt. Beschrieben wird das so: „Mit Ihren Nachbarinnen und Nachbarn bilden Sie eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich allgemeine Kosten teilt und miteinander über das Wohnquartiert entscheidet. Grün- und Gemeinschaftsflächen laden zudem dazu ein, gemeinsam Zeit zu verbringen.“ Geworben wird außerdem mit einer guten Anbindung an Bus und Bahn, Schulen, Kitas und Läden.

Der Idee des Seniorenrats aus dem Jahr 2021, in die geplante Reihenhaussiedlung ein Mehrgenerationenhaus mit Begegnungsstätte zu integrieren, könne der Investor nicht nachkommen. Die Deutsche Reihenhaus AG baue standardisierte Wohnparks: „Unser Ziel ist es, deutschlandweit der günstigste Anbieter für Wohneigentum im Neubau zu sein. Die Beschaffenheit des Geländes lässt außer einer Bebauung mit Reihenhäusern für uns wirtschaftlich keine Alternative zu“, begründet Behn.

Alternative Idee zum Erhalt der historischen Bauten stieß auf Ablehnung

Mit der angestammten Wupperman-Siedlung in der Nachbarschaft, lauter mehr oder weniger authentisch erhaltenen Backsteinhäuschen mit Garten, die der Firmengründer einst für seine Belegschaft bauen ließ, wird die neue, kostengünstige Retortensiedlung ästhetisch vermutlich nicht harmonieren. Dabei hatten zwei Pinnebergerinnen keine Mühe gescheut, um für das Terrain ein Konzept zu entwickeln, das das Unverwechselbare, Charmante des Ortes erhalten hätte, ohne finanzielle Aspekte zu ignorieren: Nikoline Jonas und Birgit Wunder, stellvertretendes bürgerliches Mitglieder der Grünen Unabhängigen im Stadtentwicklungsausschuss.

Kernidee war der Umbau zu einer Markthalle, einer Brauerei, einem Innovationspark. Lokale Lebensmittel, Blumen und Pflanzen sollten dort verkauft werden, eine Kaffeerösterei mit Gastronomie sei denkbar. Abends könnten einige Hallen in Räume für Ausstellungen, Konzerte, Theater und Vorträge verwandelt werden, ein Dokumentationszentrum, Eventlocation, Innovationspark und moderate Wohnbebauung seien möglich.

Pinneberg: Alte Wuppermann-Halle ist einsturzgefährdet

Ein Anruf beim Vorsitzenden des Stadtentwicklungs-Ausschusses, Carl-Eric Pudor (CDU), ergab, dass das kreative Konzept zu spät auf dem Tisch gelegen habe. Denn bereits 2008/2010 sollte das als Brachfläche wahrgenommene Grundstück neu überplant werden. Zunächst mit Gewerbe und später, weil Gewerbe zu viel Verkehr verursachen würde, mit einer übersichtlichen Menge an Wohnungen. „Das Konzept der Deutschen Reihenhaus AG erschien uns am schlüssigsten“, sagt Pudor im Namen seiner Fraktion.

Zu den Ideen von Birgit Wunder und Nikoline Jonas sagt er, dass auch diese viel zu viel Verkehr verursacht hätten und eine Markthalle auf heftigen Widerstand der Wochenmarkt-Beschicker gestoßen wäre. Außerdem habe es ein sehr ernüchterndes Gespräch mit dem Chef der Pinneberger Feuerwehr gegeben, der nach diversen Löscheinsätzen auf dem Grundstück angekündigt habe, die Hallen nicht mehr zu betreten, da diese akut einsturzgefährdet seien: „Daran verschwenden wir also keinen Gedanken mehr“, sagt Pudor.

Pinneberg: Viele Wupperman-Bauten sind bereits Geschichte

Die Wupperman-Kochschule an der Ecke Moltkestraße/Drosteipark musste 2015 einem Neubau weichen.
Die Wupperman-Kochschule an der Ecke Moltkestraße/Drosteipark musste 2015 einem Neubau weichen. © Michael Rahn | HA

Die Wupperman’schen Hallen sind übrigens nicht die ersten Bauten, die an den Pinneberger Industriellen erinnern und nun dem Abriss zum Opfer fallen. Auch Wuppermans 1887 errichtete Kochschule, in der die Familien seiner Fabrikarbeiter Hauswirtschaftsunterricht erhielten und in deren Gebäude später diverse Restaurants ansässig waren, ist bereits Geschichte. Früher an der Ecke Moltkestraße/Drosteipark gelegen, musste die Kochschule 2015 einem Neubau mit Eigentumswohnungen weichen.

Die denkmalgeschützte Ernst-Paasch-Halle soll von 2023 an für bis zu 1,6 Millionen Euro saniert werden.
Die denkmalgeschützte Ernst-Paasch-Halle soll von 2023 an für bis zu 1,6 Millionen Euro saniert werden. © Sebastian Becht | Sebastian Becht

Ein Gegenbeispiel wiederum ist die Ernst-Paasch-Halle an der Lindenstraße, die den Arbeitern aus dem Wupperman-Emaillewerk einstmals als Ort der körperlichen Ertüchtigung diente. Die denkmalgeschützte ehemalige Turnhalle mit der schmucken Fassade soll von 2023 an für insgesamt bis zu 1,6 Millionen Euro saniert werden und zukünftig als Kulturzentrum Künstlern in Pinneberg eine Bühne bieten. Ein wenig Wupperman bleibt Pinneberg also vorerst erhalten.