Pinneberg. Historisches Haus in Pinneberg soll die Drostei entlasten. Was der Kreis auf dem Areal vorhat und woher das Geld kommen soll.
- Ehemaliges Zollhaus am Drosteipark in Pinneberg soll zu einer Kulturstätte des Kreises Pinneberg werden.
- 16 Millionen Euro würde das Vorhaben kosten, unter anderem ist ein Konzertsaal auf dem ehemaligen Parkplatz des Zollhauses geplant.
- Der Kreis hat sich nun für Mittel aus dem Bundesprogramm "KulturInvest" beworben. Die Hälfte der Gesamtsumme könnte vom Bund übernommen werden.
Die ehemaligen Büroräume sind hier alle gleich eng und quadratisch gebaut. Manche sind mit seltsamen Durchreichen verbunden. Es gibt sogar noch einen alten Kassenschalter mit gegenläufiger Schiebevorrichtung unter dem Panzerglas, wo die Leute ihr Geld oder ihre Dokumente reinlegen mussten, damit der Zollbeamte auf der anderen Seite alles sicher entgegennehmen konnte.
Es geht um das frühere Zollgebäude am Drosteipark von 1954, das der Kreis Pinneberg im Frühjahr für 326.000 Euro vom Bund erworben hat. Stefanie Fricke von der Kreiskulturstätte Landdrostei soll hier möglichst schon im nächsten Jahr mit ihrem Team einziehen, wenn Ende 2023 das erste der drei Stockwerke des denkmalgeschützten Gebäudes saniert ist, die alle etwa 260 Quadratmeter groß sind.
Pinneberg: Altes Zollamt in der Innenstadt soll zur Kulturstätte werden
Sie als künstlerische und Jens Bollwahn als kaufmännischer Leiter der Drostei sprühen nur so vor Ideen und Planspielen, was einmal alles möglich sein soll in dem alten Zollamt, das der Bund vor einem Jahr aufgegeben hat. „Die Kaninchenställe“, wie Stefanie Fricke die kleinen Räume im ersten und zweiten Stock nennt, sollen mit Durchbrüchen vergrößert und miteinander verbunden werden. Hier könnte ihr Büro sein, zeigt sie im Erdgeschoss in den Raum, der der Drostei gegenüber mit vielleicht 50 Metern Luftlinie am nächsten liegt. Da könnten ihre Mitarbeiter arbeiten und dort ließe sich ein Besprechungsraum einrichten, stellt sie dem Abendblatt-Reporter bei einer ersten Begehung der Räume ihre Pläne vor.
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Das frühere Zollamt soll der Drostei mehr Raum schaffen für Lager und kulturelle Veranstaltungen. „Wir platzen aus allen Nähten“, erklärt Bollwahn. Das Archiv soll im Keller gelagert werden. Und vor allem soll gehbehinderten Menschen endlich der Zugang zur Kreiskulturstätte ermöglicht werden. Dazu ist auf der Rückseite des Gebäudes ein Aufzug geplant, der bis ins Dachgeschoss reicht, erklärt Stefanie Fricke.
Auch ein Ticketcorner und ein Drostei-Shop sind geplant
„Wir wollen und müssen das Haus barrierefrei machen.“ Für viele Menschen mit Handicaps stellten die 13 hohen Stufen am Eingangsportal des 255 Jahre alten früheren Sitzes des Pinneberger Landdrosten eine unüberwindliche Hürde dar. Auch die Drostei solle dann einen Aufzug ins Erdgeschoss erhalten, kündigt Bollwahn an. Ein Fahrstuhl bis nach oben, wie im alten Zollamt vorgesehen, ist dort aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Der öffentliche Zugang ins Zollgebäude soll von hinten erfolgen, erklärt Stefanie Fricke. Dieser soll laut aktueller Planung barrierefrei sein und so gleiche Zugangsbedingungen für alle schaffen. Die Besucher kämen dann in ein Foyer, in dem sie erste Informationen erhalten und sich orientieren könnten. Auch eine Art Ticketcorner sei da geplant, den es in der alten Drostei so nicht gebe. Das angrenzende Büro mit großem Schaufenster würde sich hervorragend für den gewünschten Kartenvorverkauf eignen. Auch ein Drostei-Shop zum Kauf von Postkarten, Plakaten, Drucken und der Drostei-Edition wäre hier möglich. Dafür sind noch etliche Umbauarbeiten notwendig. Ohnehin müssen Heizung, Elektroinstallationen und alle technischen und sanitären Anlagen im ganzen Haus erneuert werden.
Denkbar sind zudem Co-Working-Spaces für Start-up-Unternehmen
Im Zwischengeschoss sollen alle möglichen Vereine und die Volkshochschule aus Pinneberg Büroräume erhalten. „Das kann von der Alzheimergesellschaft bis zum türkischen Elternbund reichen. Alles ist möglich“, sagt Bollwahn. „Das kann man groß denken.“ Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg hätten schon etliche Anfragen in dieser Richtung erreicht. Auch sogenannte Co-Working-Spaces für Start-up-Unternehmen wären hier denkbar.
Das Schmuckstück des Gebäudes befindet sich im Dachgeschoss. Eine Holzbalken-Konstruktion stützt hier das schräge Dach mit seinen kleinen Fenstern ab. Ohne die Zwischenwand könnte hier ein rund 30 Meter langer Raum geschaffen werden, der ausreichend Platz böte für etwa 60 Zuhörer und Zuschauerinnen, um kleinere Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge, Konferenzen, Workshops, Kinderkonzerte, kleine Theaterinszenierungen oder gar Tanz-, Yoga- und Meditationskurse zu besuchen. Eine fest installierte Leinwand könnte über einen Beamer Veranstaltungen aus der benachbarten Drostei direkt live hierher ins Nebengebäude übertragen, kommt Stefanie Fricke ins Schwärmen. Auch eine Gastronomie sollte es geben. „Wir wollen einen kulturellen Treffpunkt schaffen, wo die Menschen gerne zusammenkommen.“
Konzertsaal soll "Pinneberger Elbphilharmonie" werden
Und wenn die künstlerische Leiterin schon mal ins Träumen geraten ist, offenbart sie ihren größten Wunsch. Auf dem jetzigen Parkplatz hinter dem Zollamt auf seinem 1500 Quadratmeter großen „Sahne-Grundstück“ im Herzen der Stadt ließe sich auf zweieinhalb Geschossen ein neuer, gläserner Konzertsaal errichten, den Bollwahn schon mal als die „Pinneberger Elbphilharmonie“ bezeichnet.
200 bis 250 Leute sollten hier Platz vor einer großen Bühne finden, vielleicht mit einem direkten Zugang zum alten Zollamt. Die Einzelheiten würde ein Architektenwettbewerb herausarbeiten. Auch von einer kleinen Gastronomie ist im aktualisierten Konzept die Rede.
Ehemaliges Zollamt soll barrierefrei und energieeffizient werden
Der ganze Umbau des baldigen Ergänzungsbaus für die Drostei soll jetzt schrittweise verwirklicht werden, erklärt Bollwahn. Ein Gutachter soll dafür konkrete Vorschläge und den Kostenrahmen erarbeiten. Wobei als erstes die Büroräume mit modernen Arbeitsplätzen für die Mitarbeitenden geschaffen und eingerichtet werden sollen.
Danach stehe die Barrierefreiheit mit Bau des Aufzuges an, um dann das Dachgeschoss herzurichten. Die Sanierung soll möglichst nachhaltig und energetisch auf dem neuesten Stand realisiert werden. „Der Kreis sollte da mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt Bollwahn.
Pinneberg: Zollamt soll möglichst nachhaltig saniert werden
Eine erste Schätzung des Fachbereichs Gebäudemanagement geht von Gesamtkosten von knapp sechs Millionen Euro aus. „Das Geld ist zurzeit nicht unser Hauptproblem“, sagt Bollwahn, der zugleich auch Finanzchef in der Kreisverwaltung ist. Sorgen bereiteten die fehlenden Gutachter, überlastete Baufirmen und abgerissene Lieferketten, die die Bautätigkeit überall einschränkten und zum Erliegen brächten. „Wir haben dieses Jahr nur ein Viertel der geplanten Investitionsprojekte realisieren können“, sagt Bollwahn.
Die Kostenschätzung, wie auch der Pläne für das Zollhaus und die Umgebung - wie etwa den Parkplatz - wurden mittlerweile aktualisiert. Auch, weil der Kreis Pinneberg sich nun für das Großprojekt um Fördermittel des Bundes beworben hat. Dafür habe man die Pläne aktualisiert und eingereicht, sagt Jens Bollwahn.
Kreis Pinneberg bekommt Unterstützung vom Bundestagsabgeordneten Stegner
Allein zehn Millionen Euro wären laut Bollwahn für den Konzertsaal bzw. den Anbau an das Zollhaus fällig. 16 Millionen Euro umfasse das Gesamtvolumen. Was genau realisiert wird, steht aber noch nicht fest und ist auch davon abhängig, ob der Kreis Bundesmittel erhält oder nicht. Unterstützung aus der Politik gibt es zumindest.
Der Pinneberger Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner (SPD) habe sich die Pläne bei einem Vor-Ort-Termin erklären lassen und "fand es richtig gut", wie Bollwahn sagt. Das ist insofern wichtig, als dass es sich bei den Fördermitteln nicht um einen klassischen Fördertopf handelt, sondern um parlamentarische Mittel, auf die die Abgeordneten zugreifen könne.
Kreis Pinneberg hofft auf Bundesmittel für neuen Konzertsaal
Maximal 50 Prozent der Gesamtkosten würde der Bund übernehmen, also acht Millionen Euro. Für den Kreis schon eine beachtliche Summe. Die Kosten sind von den ursprünglich veranschlagten sechs Millionen Euro auch aufgrund der Inflation und steigender Bau- und Materialkosten erheblich gestiegen.
Ob der Kreis vom Bund mit dem benötigten Geld bedacht wird, steht noch nicht fest. Die Unterlagen seien eingereicht worden und würden nun geprüft, sagt Jens Bollwahn. Eine Entscheidung falle "hoffentlich noch in diesem Jahr."