Kreis Pinneberg. Kitas, Schulen, Kliniken: Der hohe Krankenstand im Kreis Pinneberg wirkt sich auf viele Bereiche des öffentlichen Lebens aus.

Eine Krankheitswelle mit unterschiedlichen Atemwegsinfektionen hat Schulen, Kitas und Kliniken im Kreis Pinneberg im Griff. Auch bundesweit sind Krankenhäuser voll und Arbeitsplätze wegen Personalausfällen leer. Saisonale Viren, vor allem Influenza und das RS-Virus haben Hochsaison – das bekommen Kitas und Schulen besonders stark zu spüren bekommen. Der ohnehin prekäre Personalmangel in den Bildungseinrichtungen hat sich in drei Wochen mancherorts dramatisch verschärft. Und auch auf der Kinderstation im Regio Klinikum Pinneberg ist die Lage angespannt.

Kreis Pinneberg: Krankheitswelle in Kitas, Schulen und Kliniken

Der Krankenstand sowohl bei Kindern als auch bei Mitarbeitern sei hoch. Zwar habe bisher kein Kindergarten den Betrieb einstellen müssen, aber „es brennt an allen Ecken und Enden“, sagt Christina Künne, Pinneberger Vorsitzende der Vereinigung der Kitaleitungen Schleswig-Holstein. In allen Kitas im Kreis gebe es zahlreiche Krankmeldungen von Kindern und Beschäftigten. In ihrer Pinneberger Kita seien in den vergangenen Wochen von 15 Angestellten nur noch zwei im Einsatz gewesen.

Sie selbst sei krankheitsbedingt ausgefallen, habe sich nur ein paar Tage krankschreiben lassen, um ihre Arbeit dann wieder aufzunehmen. Von einer „richtigen Erholung kann keine Rede sein, wie auch bei den vielen, vielen anderen Kollegen, die viel zu schnell wieder anfangen mussten zu arbeiten. In Corona-Zeiten war es nicht so schlimm“, sagt sie, doch jetzt seien viele Fachkräfte wegen gestiegener Belastungen durch Pandemie und Flüchtlingskrise „emotional und körperlich am Ende“, sagt die Erzieherin.

Erzieherin fordert: Kranke Kinder gehören nicht in die Kita

Die Folgen für Eltern: Aus Mangel an Personal können viele Kitas im Kreis ihre regelmäßigen Betreuungszeiten nicht mehr einhalten. Sie müssen Gruppen vergrößern oder gar schließen, kürzen die vereinbarten Öffnungszeiten, bieten bis zu drei Stunden weniger Betreuung an oder müssen den Frühdienst ausfallen lassen. In Elternbriefen oder per App machen die betroffenen Einrichtungen auf den hohen Krankheitsstand aufmerksam und bitten, erkrankte Kinder zu Hause zu lassen.

Das sei natürlich „dramatisch für die Eltern“, die auf die Betreuung ihrer Kinder in Kitas angewiesen sind. Wenn sie nicht funktionieren, wissen viele Eltern nicht, wohin mit ihren Kindern. „Leider kommen trotzdem Kinder nicht ganz gesund in die Kita und stecken alle an. Das bleibt bei dem engen Körperkontakt in dem Alter nicht aus. Deshalb: Kranke Kinder gehören nicht in die Kita“, sagt Künne. Sie hoffe auf mehr Verständnis der Arbeitgeber, wenn Eltern wegen erkrankter Kinder nicht zur Arbeit erscheinen.

Die Folgen für Kinder seien überdies besorgniserregend. Die Arbeitsbelastung während der Corona-Pandemie und der jetzigen Infektionswelle sowie vielerorts unzureichende Personalschlüssel erschwere es, den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. „Wir machen nur noch Verwahrung“, stellt Künne verbittert fest.

Kreis Pinneberg: Personalmangel wird durch Krankheitswelle verschärft

Die aktuelle Infektionswelle verdeutliche die ohnehin angespannte Kita-Lage. Denn die Einrichtungen klagen schon lange über Personalmangel. Die Erzieher, die in den Einrichtungen arbeiten, seien inzwischen völlig überlastet und hätten viele Überstunden gemacht. Jetzt fallen sie ersatzlos krank aus. „Es gibt kaum Erzieher oder sozialpädagogische Assistenten, die uns jetzt helfen könnten“, sagt Künne. Und sie ist nicht allein.

Dass Kitas kaum mehr allen Kindern gerecht werden können, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW bereits seit Jahren. „Hier schlagen langjährige Versäumnisse durch. Diese Krise ist hausgemacht“, heißt es im aktuellen Positionspapier der Linken Schleswig Holstein. Wer mehr Fachpersonal will, brauche mehr Schulabsolventen mit guten Schulabschlüssen. Dafür wären massive Investitionen in die Förderung schwächerer Schüler notwendig gewesen. „Stattdessen macht Schleswig-Holstein Schlagzeilen mit Bildungsungerechtigkeit und Personalmangel in den Grundschulen. Jetzt führt der Personalmangel in den Kitas dazu, dass auch Frühförderung kaum noch möglich ist“, sagt Johann Knigge-Blietschau vom Landesvorstand der Linken.

An den Schulen wirkt die Krankheitswelle ebenfalls wie ein Brennglas auf den Mangel: Es gibt außergewöhnlich viele erkrankte Schüler sowie Lehrkräfte in allen Jahrgängen. Dabei gehe es in den meisten Fällen um „grippale Infekte, Corona oder Magen-Darm-Infekte“, weiß Dirk Jannsen, Schulrat im Kreis Pinneberg. Von den 45 Grundschulen im Kreis komme es jedoch nur an fünf bis zehn Prozent der Lehranstalten wechselnd zu massiven Problemen, wenn etwa 40 bis 50 Prozent der Lehrkräfte ausfallen.

Kreis Pinneberg: Auch Schulen sind von der Krankheitswelle betroffen

Generell wirke ein hoher Krankenstand bei kleineren Schulen stärker. Aber noch könnten Ausfälle durch Vertretungslehrer oder pädagogische Hilfskräfte abgefedert werden. Auch bleibe die Verlässlichkeit der Betreuung an Grundschulen gesetzlich zugesichert. „Eine Notbetreuung für die Kinder, deren Eltern den Nachwuchs nicht tagsüber beaufsichtigen können, ist immer sichergestellt“, verspricht Schulrat Janssen.

Den Vorwurf, dass in den von der Infektionswelle betroffenen Schulen über einen längeren Zeitraum kein fachgerechter Unterricht stattfinden kann, weist Janssen zurück. Sicherlich fiele mal eine Unterrichtsstunde aus, in der etwas Neues gelehrt werden sollte. Stattdessen werde dann aber an vielen Schulen der vorangegangene Unterricht intensiviert oder eben ein Film geschaut, vieles könne man später nachholen.

Viele Schulen greifen auf Notlösungen aus Pandemiezeiten zurück. Das laufe gut, denn mit dem häuslichen Lernen seien die Schüler durch die Zeit der Corona-Pandemie vertraut. Zudem seien viele Schulen technisch „gut aufgestellt.“ Es gäbe aber auch eine Notbetreuung für Kinder aus Familien, die ein Homeschooling nicht einrichten können.

Kreis Pinneberg: Kinderstation der Kliniken am Limit

Das eigentliche Problem des akuten bundesweiten Lehrermangels wird durch diese Infektionswelle offensichtlich, so Janssen: „In Schleswig-Holstein fehlen definitiv ausgebildete Fachkräfte sowie Vertretungskräfte.“ Eine neue Nachricht sei das nicht, doch das Problem verschärfe sich: Aktuellen Erhebungen zufolge geht die Kultusministerkonferenz (KMK) davon aus, dass trotz vielfältiger Bemühungen in Deutschland im Jahr 2035 noch 23.800 Lehrkräfte fehlen werden.

Abgesehen davon macht die Krankheitswelle auch der Kinderklinik Pinneberg zu schaffen. „Die Lage ist angespannt“, sagt Regio-Klinik-Sprecherin Birga Berndsen. Derzeit seien viel Mitarbeiter erkrankt oder können nicht zum Dienst kommen, da sie ein eigene erkrankte Kinder versorgen. Zudem seien alle verfügbaren Betten im Regio Klinikum seien belegt.

Die meisten aufgenommenen Kinder sind an Influenza oder dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) erkrankt und „müssen isoliert werden, was wiederum mit einem erhöhten Pflegeaufwand verbunden ist“, so Berndsen. Trotzdem werden in Pinneberg alle Kinder, die direkt in die Klinik kommen, auch medizinisch versorgt. Berndsen bittet aber darum, die Notaufnahme nur bei Bedarf aufzusuchen. Bei den Besuchszeiten gilt, dass eine Person pro Tag das Kind für eine Stunde besuchen kann. Bei den Kleineren wird jedoch meist ein Elternteil mit aufgenommen und sei somit rund um die Uhr bei den kleinen Patienten.