Pinneberg. Mahnmal als Ergänzung der umstrittenen „Nazistele“ am Bahnhof geplant. Nun fehlt nur noch das Geld. 70.000 Euro werden benötigt.

Das umstrittene Kriegerdenkmal am Pinneberger Bahnhof löst immer wieder Diskussionen in der Kreisstadt aus. Seit die Stadt die Stele aus NS-Zeiten 2016 unter Denkmalschutz stellte, ist ein leidenschaftlicher Diskurs entbrannt, wie mit dem Denkmal zu verfahren ist. Nach einigem Hin und Her fiel die Entscheidung der Pinneberger Ratsversammlung für eine Ergänzung der Stele durch ein Werk des Künstlers F. Jörg Haberland. Die Finanzierung soll größtenteils über Spenden laufen. Jetzt startet die Sammlung.

Pinneberg: Initiative sammelt Spenden für Mahnmal am Bahnhof

Die 2017 gegründete Mahnmal-Initiative beginnt mit dem Einwerben der Spenden und hat dazu eine umfassende Broschüre veröffentlicht, inklusive Grußworten von Ministerin Karin Prien (CDU) und Bürgermeisterin Urte Steinberg (parteilos). Einen „Riesenfortschritt“ nennt Jochen Hilbert von der Initiative die Broschüre. Erstmals gebe es ganz offiziell Unterstützung vom Land für das Projekt.

So schreibt Karin Prien, Schleswig-Holsteins Kultusministerin und CDU-Abgeordnete für den Wahlkreis Pinneberg, es sei wichtig, zu verstehen, warum die Verbrechen des Nationalsozialismus möglich waren. Nur so könne erkannt werden, wo heute Risiken und Gefahren für unsere Demokratie lauerten. „Am Pinneberger Bahnhof wird ein Erinnerungsort entstehen, der gleichzeitig an ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte erinnert, aber auch Mut macht und Hoffnung gibt“, schreibt Prien.

Bürgermeisterin wünscht sich Platz des „Friedens, der Freiheit und der Toleranz“

Bürgermeisterin Urte Steinberg äußert den Wunsch, dass „viele Pinnebergerinnen und Pinneberger mit vielen Spenden dazu beitragen, dass vor dem Bahnhof ein Denkmal entstehen kann. Als Platz des Friedens, der Freiheit und der Toleranz.“

70.000 Euro seien für die Umsetzung des Entwurfes von Haberland nötig, so Jochen Hilbert von der Mahnmal-Initiative. Hinzu kommen Kosten für die Vorbereitung und Öffentlichkeitsarbeit. Etwa ein Jahr hat die Initiative Zeit, das benötigte Geld zu sammeln. Denn: „Laufende Gesprächsrunden mit der Stadtverwaltung deuten auf eine Verzögerung bei der Fertigstellung des Bahnhofsvorplatzes Nord hin“, sagt Jochen Hilbert. Dadurch verzögere sich auch die Umsetzung der Denkmal-Ergänzung. Allerdings bleibe der Initiative dadurch ein wenig mehr Zeit, das Geld für den Künstler-Entwurf einzusammeln. Im Jahr 2024 soll das Mahnmal realisiert werden.

Pinneberg: Mahnmal am Bahnhof soll Wirklichkeit werden

Doch wie sieht er eigentlich aus, dieser Entwurf? Geplant ist ein aus drei separaten Teilen bestehender Kreis aus hellem Granit. Die drei Begriffe Frieden, Freiheit und Toleranz sind auf den Innenseiten der Segmente graviert, auf den äußeren Seiten befinden sich Übersetzungen in jeweils 26 Sprachen. Der Abstand der drei Segmente soll groß genug sein, um auch Rollstuhlfahrern den Zugang zu ermöglichen.

Zweiter Teil des Entwurfes ist eine stelenartige Glastafel, die einen kommentierenden Text zum Kriegerdenkmal enthält. Der Text wurde von Pinneberger Schülern während eines Wettbewerbs im Jahr 2019 formuliert und leicht angepasst. Die Stele soll in einer Sichtachse zwischen Kreis und Denkmal positioniert werden. Durch seine Kreisform und die Sitzmöglichkeiten versinnbildlicht das Mahnmal visuell das demokratische Prinzip eines gleichberechtigten Miteinanders, so das Konzept.

Die Umgestaltung des Krieger-Denkmals bewegt die Kreisstadt schon länger. Als 2016 eine Beleuchtung angebracht wurde, entbrannte erstmals ein breiter gesellschaftlicher Diskurs über das Bauwerk. Es folgten ein Ideenwettbewerb Pinneberger Schüler, Protest-Kundgebungen, Experten-Anhörungen und schließlich ein Kunstwettbewerb. Aus diesem ging der Entwurf von F. Jörg Haberland hervor, der nun auf dem Bahnhofsvorplatz Wirklichkeit werden soll.

Pinneberg: Zur Geschichte des Kriegerdenkmals am Bahnhof

1925 wurde erstmals ein zentrales Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs in Pinneberg vorgeschlagen. Ein Beschluss für ein Krieger-Denkmal nach dem Entwurf des Stadtbaumeisters Theodor Hansen erfolgte am 9. November 1933. Das Bauwerk sollte mit Spenden aus der Pinneberger Bevölkerung finanziert werden. Nach dem Bau erster Konzentrationslager und dem Verbot der SPD sowie der Beschlagnahmung ihres Parteivermögens 1933 wurde die Freiwilligkeit der Spenden angezweifelt.

Die umstrittene Stele auf einem Bild aus der NS-Zeit.
Die umstrittene Stele auf einem Bild aus der NS-Zeit. © Pinneberg Museum | Pinneberg Museum

Die Grundsteinlegung für das Pinneberger Krieger-Denkmal erfolgte am 20. April 1934, Hitlers Geburtstag. Am 1. Juli 1934 wurde das Bauwerk durch NS-Bürgermeister Heinrich Backhaus eingeweiht, Pastor Heinrich Eduard Fölster hielt eine Festpredigt in der Christuskirche.

Die Christuskirchengemeinde war beim Bau der NS-Stele involviert, sieht sich in besonderer Verantwortung. Schon die Ausstellung „Gott mit uns?“ im August 2019 beleuchtete eine mehr als zweifelhafte Teilhabe der Kirchen an Militarismus und Nationalsozialismus.

Pinneberg: Sechs Jahre bis zum Mahnmal – Stand der Diskussion

2016: Das NS-Bauwerk wird unter Denkmalschutz gestellt. Begründung: „Wichtiges historisches Zeugnis, das Aufschluss über die nationalsozialistische Diktatur und die damalige Kriegsverherrlichung gibt.“

2017: Gründung der Mahnmal-Initiative. Beschluss einer Denkmal-Kommentierung durch die Ratsversammlung. Restaurierung des Denkmals und Scheinwerfer-Beleuchtung. Gründung der AG-Denkmal durch den Stadtentwicklungsausschuss.

2018: Abschaltung der Scheinwerfer-Beleuchtung für Protest-Kundgebung mit Einhüllung der Stele. Erste Sitzung AG-Denkmal. Sachverständigenanhörung im Rathaus zum NS-Bauwerk. Stadtentwicklungsausschuss beauftragt AG-Denkmal mit Schülerwettbewerb.

2019: Wettbewerb mit Arbeiten von Schülergruppen. Präsentation der Schülerarbeiten in der Ratsversammlung. AG-Denkmal beschließt Ergänzung durch professionellen Künstler.

2020: Stadtentwicklungsausschuss stimmt einstimmig für Kunstwettbewerb in Anlehnung an die Schülerideen. Bekanntgabe an Künstlerinnen und Künstler.

2021: Abgabetermin für die Entwürfe der Künstlerinnen und Künstler Ende Februar. Jurysitzung nach dem Kunst-Wettbewerb im Juni.

2022: Beschluss der Stadt, den Entwurf von F. Jörg Haberland zu realisieren und überwiegend aus Spenden zu finanzieren. Besuch der Kultusministerin Karin Prien (CDU) mit Vorstellung des Modells in der Christuskirche. Fassung des Buches „Die Kunst, eine Antwort zu finden“ in digitaler Form als Sitzungsunterlage für Ausschüsse und Ratsversammlung veröffentlicht.

Spenden: Wer die Mahnmal-Initiative unterstützen möchte, kann dies in Form von Spenden tun: Förderverein Lokale Agenda 21 Pinneberg e.V., Sparkasse Südholstein, IBAN: DE 20 2305 1030 0015 0792 54, BIC: NOLADE21SHD, Verwendungszweck „Haberland-Mahnmalergänzung“