Barmstedt. Vor Gericht beschreibt sein alter Arbeitgeber den Angeklagten Jan S. aus Barmstedt, der 68-mal auf seine eigene Mutter einstach.
Hakan D. ist Niederlassungsleiter einer Zeitarbeitsfirma. Einer seiner ehemaligen Mitarbeiter saß ihm am Mittwoch gegenüber – auf der Anklagebank des Landgerichts Itzehoe. Jan S. (40) soll am 4. Mai seine Mutter Monika in Barmstedt mit 68 Messerstichen getötet haben. Einen Tag vorher hatte der Angeklagte noch Kontakt mit seinem Ex-Chef, weil er kurzerhand seinen Job geschmissen hatte.
Prozess: Angeklagter sei eine „tickende Zeitbombe“
„Er ist einfach nicht zu seiner Arbeit erschienen“, erinnert sich der 42-jährige Zeuge, der Jan S. noch am Vormittag telefonisch zur Rede stellte. Zwölf Minuten telefonierte er insgesamt mit ihm. „Er sagte, er sei auf dem Weg zur Arbeit gewesen, fühlte sich aber krank und sei wieder umgekehrt“, erinnert sich Hakan D.. Den Job in der Aluminiumfirma in Kaltenkirchen habe Jan S. erst einen Tag zuvor angetreten. „Plötzlich hat er völlig grundlos angefangen zu weinen und gesagt, dass er Hilfe braucht. Ich habe ihm gesagt, dass er nicht arbeitsfähig ist und sich doch Hilfe suchen soll.“ Dann habe er ihn gebeten, den Arbeitsvertrag zurück zur Zeitarbeitsfirma zu bringen, um einer dreimonatigen Sperre beim Arbeitsamt zu entgehen. „Er sagte ‘Das ist mir jetzt doch alles egal.’“
Ihn habe das Verhalten von Jan S. stark verwundert, so Hakan D.. Schließlich habe der mehr als einmal über Geldsorgen geklagt. Am Ende habe der 40-Jährige aber zugesagt, den Arbeitsvertrag in zwei Tagen in den Firmenbriefkasten zu werfen. Zu diesem Zeitpunkt lag Monika S. (64) tot in der Wohnung – und ihr Sohn befand sich auf der Flucht. Weil der Vertrag nicht zurückgegeben wurde, versuchte der Firmenchef noch, den Mitarbeiter telefonisch zu erreichen. Erfolglos. Einen Tag später kontaktierte ihn die Polizei.
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Hakan D. sagte aus, dass Jan S. dreimal bei der Zeitarbeitsfirma angestellt gewesen sei. Zunächst bis Ende 2021, als er ebenfalls bei einer Firma in Kaltenkirchen beschäftigt war und von dieser sogar übernommen werden sollte. Doch die Umschulung zum Off-Shore-Techniker schmiss der Barmstedter. Nach einem kurzen Intermezzo im Frühjahr sei er dann Ende April 2022 erneut bei der Zeitarbeitsfirma vorstellig geworden.
Prozess: Angeklagter sei „impulsiv und aufbrausend“ gewesen
„Er sagte, es gehe ihm so gut wie nie“, erinnert sich der Firmenchef. Er habe sehr lange überlegt, ihn wieder einzustellen. „Er war impulsiv und aufbrausend.“ Mit Jan S. habe es an jeder Arbeitsstelle, aber auch im Büro der Zeitarbeitsfirma Ärger gegeben. Er habe jedoch mit dem Barmstedter stets darüber sprechen können und dieser habe sein Fehlverhalten auch eingesehen. „Er hat sich bei einer Kollegin von mir persönlich entschuldigt.“
Der Firmenchef beschrieb Jan S. als Einzelgänger, der nicht viele Freunde hatte. „Für ihn war er immer der Beste und hat alles besser gemacht als die Anderen.“ Auch das problematische Verhältnis zu seiner Mutter sei immer mal wieder Thema in den Gesprächen gewesen. Er habe jedoch nicht nachgebohrt, für ihn sei eine „unangenehme Schwelle“ überschritten gewesen, so Hakan D.. Dennoch habe ihm Jan S. vom „gewalttätigen Verhältnis“ zu seiner Mutter berichtet, habe diese als Alkoholikerin bezeichnet und sich über ihre „fehlende Unterstützung“ beklagt.
„Ich habe mich gewundert, weil ich wusste, dass er wieder bei ihr eingezogen war.“ Letztlich sei Jan S. für ihn so etwas wie „eine tickende Zeitbombe“ gewesen. „Aber dass es so schlimm wird, hätte ich nicht gedacht.“ Der Prozess gegen den 40-Jährigen wird nach zwei Kurzterminen erst kurz vor Weihnachten fortgesetzt.