Kreis Pinneberg. Zahl der Übergriffe auf Beamte im Kreis Pinneberg ist hoch. Empfehlungen zum Umgang mit “schwierigen Bürgern“.
Die Täter schlagen oder wehren sich mit Händen und Füßen, manche sind betrunken, im Drogenrausch oder aus einem anderen Grund aggressiv. Ihre Opfer sind Polizisten, die angegriffen und verletzt werden. Im Kreis Pinneberg bewegen sich die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren auf konstant hohem Niveau. In den Jahren 2020 und 2021 kam es zu 127 und 128 Gewaltdelikten gegen Polizisten. Die Zahl der verletzten Beamten ging von 54 auf 48 zurück.
Gewalt gegen Polizisten: Elmshorn trauriger Spitzenreiter
„Im Revierbereich Elmshorn kam es 2021 in Korrelation zur Gesamtkriminalität auch zu den meisten Gewaltdelikten zum Nachteil von Polizeibeamten“, sagt Polizeisprecher Lars Brockmann. „Die Reviere Wedel, Rellingen und Pinneberg weisen in den vergangenen Jahren verhältnismäßig ähnliche Zahlen auf.“
Die Entwicklung der Zahlen der Widerstandshandlungen, tätlicher Angriffe und anderer Gewaltdelikte im Kreis Pinneberg deckt sich nicht mit denen im Land Schleswig-Holstein und bundesweit. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in der ganzen Republik im vergangenen Jahr einen Anstieg im Vergleich zu 2020 um 1,8 Prozent auf 39.649 Fälle festgestellt. In Schleswig-Holstein wurden 1348 Taten registriert, 80 mehr als im Jahr 2020.
Unter den 1348 registrierten Taten in Schleswig-Holstein waren 631 tätliche Angriffe, 594 Widerstandshandlungen und 99 Bedrohungen. In sieben Fällen ging es um gefährliche und schwere Körperverletzung, in einem Fall um Mord an einem Polizeibeamten.
- Erschreckende Bilanz: Gewalt gegen Polizisten nimmt zu
- AfD-Politiker beleidigt Polizisten: Gericht spricht ihn frei
- Waffen, Drogen, Gewalt – Großrazzia der Polizei
Polizei Pinneberg: Beamte setzen auf Bodycams und neuartige Taser
Um die Polizisten besser vor Angriffen schützen zu können, sollen die Dienststellen nun flächendeckend mit Bodycams ausgerüstet werden. Von den Kameras, die jeden Übergriff dokumentieren, verspricht sich die Polizei eine abschreckende Wirkung und eine effektivere Verfolgung der Täter.
Außerdem testet die Polizei als weiteres Einsatzmittel für die Deeskalation ein Distanzelektroimpulsgerät (DEIG). Diese Taser sollen mit einem elektrischen Impuls des Gerätes den Angreifer für kurze Zeit handlungsunfähig machen, ohne ihn zu verletzen. Erprobt werden die Geräte schon in Ahrensburg und Neumünster im täglichen Streifendienst sowie beim Spezialeinsatzkommando (SEK).
Zudem folgt die Landespolizei den Empfehlungen einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie. Dabei geht es um Aus- und Fortbildungskonzepte sowie die Verminderung von besonders belastenden Situation und der Umgang „mit schwierigen Bürgern“.
Andreas Görs, Leitender Polizeidirektor und Chef der Polizeidirektion Bad Segeberg, die auch den Kreis Pinneberg betreut, sagte zu den neuen Zahlen: „Die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss neben der Aufrechterhaltung der öffentlicher Sicherheit weiterhin eines unser wichtigsten Ziele bleiben.“ Dabei müsse klar sein, dass die Polizei als Exekutive das staatliche Gewaltmonopol ausübe.
Polizei Pinneberg: Betreuung nach Einsätzen wird immer wichtiger
„Generell ist für uns das Wort die erste Wahl der Durchsetzung von Maßnahmen“, sagte Görs. „Insbesondere mit Personen in alkohol-, drogen- oder psychisch bedingten Ausnahmezuständen kommen wir regelmäßig an die Grenzen der Gesprächsführung, sodass hier zum Teil nur noch die Anwendung körperlicher Gewalt als das nächst mildeste Mittel bleibt.“ Damit sollen Unbeteiligte oder auch die Betroffenen selbst geschützt und der Einsatz der Polizei in letzter Instanz durchgesetzt werden.
„Verletzungen unserer Einsatzkräfte bleiben zwangsläufig nicht aus und werden sich auch künftig nicht verhindern, hoffentlich aber minimieren lassen“, sagte Görs. Daher setze die Polizeidirektion weiterhin auf das regelmäßige Einsatztraining, um insbesondere für schwierige Situationen Handlungssicherheit zu vermitteln.
Immer mehr beschäftigt sich die Polizei auch mit der Nachbereitung der Einsätze sowie mit der Betreuung von Polizisten nach gravierenden Erlebnissen. „In den vergangenen Jahren ist zudem die Nachsorge durch unsere Betreuerinnen und Betreuer nach belastenden Einsatz zunehmend in den Fokus gerückt“, sagte Andreas Görs.