Elmshorn/Schleswig. In dritter Instanz kassiert das Oberlandesgericht die Strafe gegen den zuvor verurteilten Ex-AfD-Chef im Kreis Pinneberg. Die Gründe.
Kehrtwende im Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Pinneberger AfD-Kreischef Michael Poschart. Nachdem der 67-Jährige sowohl vom Amtsgericht Pinneberg als auch vom Landgericht Itzehoe wegen Beamtenbeleidigung zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt worden war, ist seine Revision gegen das Urteil nun erfolgreich gewesen. Die nächst höhere Instanz, das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, hob das angefochtene Urteil auf. Poschart wurde freigesprochen.
Wie berichtet, war Poschart im Oktober 2021 zunächst vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt worden, im Mai bestätigte das Landgericht dieses Urteil. Der AfD-Politiker und sein Anwalt Klaus-Peter Scholz sprachen damals von einem „politischen Urteil“ und legten Berufung ein, die nun Erfolg hatte.
AfD-Politiker stellt Video mit Kommentar online
In der Sache geht es um einen Vorfall vom 8. März 2021. Bei einem Protest gegen die Corona-Maßnahmen am Alten Markt in Elmshorn wollen Polizisten die Personalien eines Mannes feststellen, der sie zuvor als „Nervensägen“ bezeichnet und beleidigt haben soll. Der Mann erklärte, keinen Personalausweis dabei zu haben. Die Beamten wollten ihn durchsuchen, es kam zum Handgemenge.
Poschart stellte das dazugehörige Video online, und zwar mit folgendem Kommentar: „Ein ruhiger Abend in Elmshorn kurz nach 18 Uhr. Von 10 Uhr bis 18 Uhr gilt hier eine Maskenpflicht auch im Freien. Das hindert aber die diensttuenden Polizisten in Elmshorn nicht, harmlose Passanten zu behelligen und zu Boden zu werfen. Natürlich ist das verständlich, fehlen doch auch den Polizisten ihre Sporteinheiten. Da ist es doch einfach, den eigenen Frust an der eigenen Elmshorner Bevölkerung abzureagieren. Satire vorbei!Was für armselige Gesetzeshüter seid ihr geworden? Schämen solltet ihr euch!“
Ehrverletzung versus Meinungsfreiheit
Im Gegensatz zu den ersten beiden Instanzen urteilen die Schleswiger Richter nun: „Dem vom Bundesverfassungsgericht betonten Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch mit drastischen Worten zu kritisieren, steht eine allenfalls als weniger schwerwiegend zu beurteilende Ehrverletzung des Beamten gegenüber. Dies gilt nach Auffassung des Senats auch im vorliegenden Fall. Der Angeklagte mag die Polizeibeamten beleidigt haben. Sein Verhalten war aber unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt und bleibt daher straffrei.“
„Im Übrigen“, so das Oberlandesgericht weiter, „dürfte - abgesehen von der zu beanstandenden Wortwahl - die inhaltliche Berechtigung der in der Äußerung des Angeklagten liegende Kritik am wenig souveränen und professionellen Vorgehen der Polizeibeamten nicht vollständig von der Hand zu weisen sein - auch wenn deren Handeln dienst- oder strafrechtlich zu Recht nicht zu Konsequenzen geführt haben mag.“
Abschließend erklären die Richter: „Da die Verurteilung des Angeklagten nur auf einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen beruht und auszuschließen ist, dass eine erneute Hauptverhandlung neue Feststellungen zu erbringen vermöchte, die eine Aufrechterhaltung der Verurteilung wegen Beleidigung rechtfertigen könnten, ist das Urteil aufzuheben. Der Angeklagte ist durch den Senat freizusprechen.“