Kreis Pinneberg. Zum 25. Geburtstag bilanziert die Klinik stark erhöhten Bedarf. Nun soll die Zusammenarbeit aller Beteiligten noch besser werden.
Psychische Erkrankungen wie Depressionen nehmen immer weiter zu. Das berichten die Krankenkassen wie jüngst wieder die DAK. Demnach erreichte der Arbeitsausfall wegen psychischer Erkrankungen im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand. Mit 276 Fehltagen je 100 Versicherte lag der Wert um 41 Prozent über dem von vor zehn Jahren.
Auch das Psychiatrische Krankenhaus der Regio Kliniken in Elmshorn, das seit genau 25 Jahren besteht, ist davon betroffen. „Unsere 110 stationären Plätze und die 45 Betten in der Tagesklinik sind oft voll belegt“, sagt Psychiatrie-Chefarzt Dr. Rahul Sarkar. Ein neuer Ansatz zur Kooperation mit den ambulanten Diensten des Kreises Pinneberg soll jetzt dieser Entwicklung entgegensteuern.
Kreis Pinneberg: In der Psychiatrie arbeiten fast dreimal so viele Menschen wie vor 25 Jahren
Der steigende Bedarf für Psychotherapie lässt sich auch an der Personalentwicklung der Psychiatrie in Elmshorn ablesen. „Heute arbeiten hier fast dreimal so viele Menschen wie vor 25 Jahren“, sagt Pflege-Chef Sebastian Schmieds. Es sind jetzt etwa 150 Beschäftigte, darunter 110 Pflegekräfte, 19 Ärzte, elf Therapeuten und fünf Sozialarbeiter. Angefangen hat die Klinik im Jahr 1997 mit knapp 60 Beschäftigten, 40 Pflegekräften, zwölf Ärzten, vier Therapeuten und zwei Sozialarbeitern.
Durchschnittliche Behandlungsdauer liegt bei etwa 22 Tagen
Das Personal wird gebraucht, um rund 1500 stationäre und 480 ambulante Fälle in der Tagesklinik zu behandeln. Hinzu kommen 3500 Patienten, die als akute Fälle über die Ambulanzen eingeliefert werden. Die Krankheitsbilder reichten von starken Suchterkrankungen über Depressionen, Angststörungen und Psychosen bis hin zu affektiven Störungen und Borderline-Syndromen.
Die durchschnittliche Behandlungsdauer liege bei etwa 22 Tagen, sagt Psychiatrie-Chefarzt Sarkar. Wobei der Patient mit Überdosis Alkohol meist schon nach ein, zwei Tagen wieder entlassen werde. Depressive Patienten dagegen würden sechs bis acht Wochen lang therapiert.
In der DAK-Studie heißt es, dass ein psychischer Krankschreibungsfall 2021 durchschnittlich 39,2 Tage andauerte. Auch dieser Wert sei so hoch wie noch nie gewesen.
Angehörige sind bei der Betreuung Demenzkranker häufig überfordert
Vor allem die Zahl sehr alter, an Demenz erkrankter Patienten nehme „deutlich zu“, betont Psychiatrie-Chefarzt Sarkar. Das liege zum einen an der demografischen Entwicklung. Zum anderen spielten aber auch gesellschaftliche Entwicklungen eine immer größere Rolle.
Die Angehörigen und Familien, die früher diese Erkrankungen ihrer Lieben aufgefangen und zu Hause mitgetragen hätten, könnten diese schwere Aufgabe immer weniger allein übernehmen und fühlten sich überfordert. Zumal die Demenzerkrankung in vielen Fällen mit stark aggressivem Verhalten und Weglauftendenzen der Patienten begleitet werde. „Da herrscht oft ein sehr hoher Belastungsdruck“, sagt Dr. Sarkar.
Psychiatrie Elmshorn: Frühzeitiges Eingreifen ist nötig
Die Patienten würden mit Gruppen- und Einzeltherapien behandelt, erklärt er. Es gebe Depressionsgruppen und medikamentöse Behandlungen mit Psychopharmaka. Aber auch die Pflege und Sozialarbeit gehörten dazu, wie Pflegedienstleiter Schmieds betont. Insbesondere dann, wenn den Patienten durch ihre psychische Erkrankung der Verlust von Arbeit oder Wohnung drohe, könnten die Sozialarbeiter einiges auffangen. Vieles aber auch nicht, weil es bereits in die Brüche gegangen sei.
Darum will das Psychiatrische Krankenhaus jetzt verstärkt mit dem sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises kooperieren, um möglichst frühzeitig eingreifen zu können und die Nachsorge für die stationär und ambulant versorgten Patienten zu verbessern. So würden die psychisch Erkrankten in Kliniken, Praxen, Rehabilitationseinrichtungen und den Einrichtungen der Eingliederungshilfe behandelt und versorgt werden, erläutert Dr. Sarkar. „Zwischen diesen Strukturen kommt es deutschlandweit immer wieder zu Abbrüchen der Versorgung, weil sie miteinander nicht koordiniert und vernetzt arbeiten“, sagt er. „Diese Sektorengrenzen zu überwinden und eine enge Zusammenarbeit zu gewährleisten, sehen wir bei Regio als wichtige Aufgabe.“
Psychiatrie: Gut funktionierende Zusammenarbeit mit dem Kreis soll ausgebaut werden
Deshalb soll die bereits gut funktionierende Zusammenarbeit mit dem Kreis intensiviert und ausgebaut werden, kündigt der Chefarzt an. Geplant sei, „gemeinsam im Lebensumfeld der Patientinnen und Patienten aktiv zu werden. Wir leisten direkt medizinische Hilfe und bieten Unterstützung, um vorsorgend Krisen und stationäre Aufenthalte zu vermeiden. Dies ist aber nur möglich, wenn Expertinnen und Experten von Klinik und sozialpsychiatrischem Dienst direkt gemeinsam vor Ort aktiv sind.“
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Kreissprecherin Katja Wohlers sagt zu diesem neuen Kooperationsmodell: „Gegenwärtig gibt es bereits einen engen Austausch zwischen Klinik und sozialpsychiatrischem Dienst.“ Letzterer nehme schon in der Klinik Kontakt zu den Patienten auf, die nach der Krankenhausbehandlung weitere Unterstützung benötigten. Er vermittle weitergehende Hilfen oder vereinbare Hausbesuche nach der Entlassung. Dabei stünden vor allem jene psychisch kranken Menschen im Fokus, die gegen ihren Willen in die Klinik eingewiesen werden mussten, erläutert Wohlers.
Menschen vor allem in Krisen im häuslichen Umfeld behandeln
„Zukünftig ist geplant, auch in der ambulanten Versorgung durch eine Vernetzung von psychiatrischer Institutsambulanz und sozialpsychiatrischem Dienst die Qualität der Versorgung für schwer chronisch psychisch kranke Menschen zu erhöhen.“ So soll es möglich werden, diese Menschen gerade in Krisen in ihrem häuslichen Umfeld zu behandeln.
Patienten mit schweren Depressionen, schizophrenen Psychosen oder schweren Abhängigkeitserkrankungen könnten durchaus zu Hause behandelt und versorgt werden. Der sozialpsychiatrische Dienst des Kreises sei aber zurzeit allein aufsuchend kriseninterventiv tätig, da er nur verbale Interventionstechniken anwenden könnte, erklärt Wohlers.
Psychiatrie: Stationäre Behandlung ist nicht immer nötig
„Mitunter notwendige medikamentöse Behandlungen kann er nicht einleiten. Um eine medikamentöse Behandlung sicherzustellen, bleibt oft als einzige Alternative eine stationäre Krankenhausbehandlung.“ Alle anderen ambulanten Versorgungsangebote machten keine Hausbesuche und seien nicht kurzfristig verfügbar. Somit würden Menschen stationär behandelt, die bei ausreichend guter ambulanter Behandlungsqualität in ihrem Wohnumfeld bleiben könnten.
Der Bedarf dafür sei da und groß. Denn es zeige sich auch, dass psychisch erkrankte Menschen durchaus bereit wären, sich behandeln zu lassen, jedoch eine Krankenhausbehandlung ablehnten und deshalb unbehandelt blieben oder gar gegen ihren Willen eingewiesen werden müssten. Gemeinsamen wollen der Kreis und die Regio Kliniken darum ihre Ressourcen verstärken, „um psychisch kranken Menschen ein umfassendes Angebot zur Verfügung zu stellen und auch aufsuchend tätig zu werden“.
Kreis Pinneberg: Viele psychisch erkrankte Menschen lehnen Behandlung in einer Klinik ab
Als mögliches weiteres Ziel sei geplant, ein sozialpsychiatrisches Zentrum im Kreis Pinneberg zu etablieren, das seinen Standort in Pinneberg oder Elmshorn haben könnte, kündigt Chefarzt Sarkar an. Darin sollen alle an der Versorgung psychiatrisch erkrankter Menschen beteiligten Institutionen „unter einem Dach“ tätig sein: die Klinik, der sozialpsychiatrische Dienst und alle Einrichtungen der Eingliederungshilfe. „Aktuell ist das noch Zukunftsmusik, aber eine für uns sehr wichtige Vision“, schaut Dr. Sarkar im Jubiläumsjahr bereits weit in die Zukunft.