Rellingen. Anwohner wollen die Erweiterung der staubelasteten A 23 auf sechs Spuren verhindern. Das sind die Argumente der Initiative.

Eine unrealistische Kosten-Nutzen-Rechnung und keine Rücksichtnahme auf Mobilitätswende und Klimaschutzziele. Das sind die wichtigsten Argumente der Rellinger Bürgerinitiative „A 23 Alternativen statt sechs Spuren“. Die Anwohner fordern einen sofortigen Stopp der Ausbaupläne zur Erweiterung der A 23. „Wir zweifeln die Gutachten der mit dem Ausbau beauftragten Deges an“, sagt Mitinitiatorin Christiane Degener-Wehmeier.

Rellingen: Bürgerinitiative fordert Alternativen für A-23-Ausbau

Die A 23 soll laut Bundesverkehrswegeplan 2030 auf einer Strecke von 15,9 Kilometern durchgängig sechsstreifig ausgebaut werden. Die Deges plant den Ausbau im Auftrag der Autobahn GmbH des Bundes. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens kommt es in den Spitzenstunden täglich zu Staus, so die Argumentation der Befürworter eines Ausbaus.

Dabei ist die Verkehrsbelastung auf der A 23 zwischen Elmshorn und Hamburg-Nordwest 2021 gegenüber zur letzten Zählung 2015 laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) um ein Drittel (28.000 Fahrzeuge) zurückgegangen. Ein Grund: Während der Corona-Pandemie haben mehr Menschen im Homeoffice gearbeitet. Ein anderer Grund könnten die vielen Baustellen auf dem Streckenabschnitt sein.

„Unseres Erachtens kommuniziert die Deges zahlreiche Ungereimtheiten und teilweise widersprüchliche Angaben. Insbesondere die Zahlen zum aktuellen und prognostizierten künftigen Verkehrsaufkommen sowie den genannten Kostenrahmen halten wir für unrealistisch“, sagt BI-Mitglied Rolf Lopau aus Rellingen. Zudem hätte der Bundesverkehrswegeplan 2030, der im Jahr 2016 erstellt wurde, nach fünf Jahren überarbeitet werden müssen. Das sei nicht geschehen, so die BI, die sich aus betroffenen Anwohnern im Kreis Pinneberg zusammensetzt und etwa 130 Menschen regelmäßig über ihren Verteiler informiert.

Kritik an A-23-Ausbau: Kosten falsch kalkuliert?

Die Deges setzt die Kosten für die Erweiterung der A 23 einschließlich der 25 Brückenneubauten mit 208 Millionen Euro an. Die BI geht von vier- bis fünfmal so hohen Kosten aus als im Jahr 2013 veranschlagt wurden. Die Kostensteigerungen der letzten Jahre seien nicht fortgeschrieben worden.

Die Deges rechnet zudem mit rund 258 Millionen Euro an Einsparungen, die sich aus der verlorenen Arbeitszeit der Pendler im Stau ergeben. „Bei einer Kalkulation für ÖPNV-Maßnahmen wird dieser Faktor hingegen nie berücksichtigt“, sagt Christiane Degener-Wehmeier.

Diese falsch begründete Kalkulation basiere auf einer täglichen angenommenen Staulänge von zehn Kilometer auf der A 23. „Der Stau müsste dann an der A-23-Auffahrt Pinneberg-Nord anfangen und an der Auffahrt auf die A 7 enden. Dass diese Staus so nicht existieren, dürfte jedem regelmäßigen Benutzer der A 23 klar sein“, sagt sie. Zudem könnte eine verkehrsgerechte Umgestaltung der bestehenden Zu- und Abfahrten zum Beispiel mit Rechts- und Linksabbiegespuren dafür sorgen, dass sich der Verkehr dort zu Spitzenzeiten nicht mehr stauen würde.

Autobahn-Ausbau: Baustart ist für das Jahr 2030 geplant

Derzeit strebt die Deges einen Baustart im Jahr 2030 an. „Dann würde acht bis zehn Jahre lang entlang der Autobahn gebaut“, sagt Lopau. Damit einhergehe eine massive Belastung der Menschen durch Bauarbeiten und Ausweichverkehre in den angrenzenden Gemeinden. Die Orte an der Autobahn würden weiter zerschnitten. Die BI befürchtet, Anwohner könnten enteignet oder Grundstücke direkt an der A 23 verkleinert werden. Und auf die Gemeinden könnten erhebliche Kosten für die Anbindung an die Autobahn entstehen, so Lopau.

Wolfgang Melzer aus Rellingen verweist auf die aktuelle Energiekrise. „Wir müssen Kosten einsparen, wo immer es möglich ist“, sagt er. Die marode Infrastruktur der Straßen und Brücken erfordere ohnehin bundesweit einen Finanzaufwand, der auf absehbare Zeit kaum realistisch abzuschätzen sei. Das Geld in einen unnötigen Ausbau der Autobahn zu stecken, halte er schlichtweg für unwirtschaftlich und falsch.

Kreis Pinneberg: Wie wichtig ist der A-23-Ausbau wirklich für den Kreis?

Der jüngste Koalitionsvertrag für Schleswig-Holstein beinhaltet keine Erweiterung der A 23. Allerdings will sich Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) auch nicht gegen den Ausbau stellen, verweist in einem Brief an die BI auf den Bund als Entscheider. „Die Erweiterung der A 23 wurde aber von Gremien in Schleswig-Holstein unter Christian von Boetticher (CDU) mit initiiert“, sagt Christiane Degener-Wehmeier. Aus Sicht der Gewerbetreibenden sei der Ausbau sicherlich auch nachvollziehbar. Allerdings gebe es Alternativen.

Viel wichtiger sei der Aus- und Neubau des Schienennetzes sowie der Radwege, um mehr Pendler dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen. Es brauche zudem mehr Park-&-Ride-Plätze, auch in weiter entfernten Regionen. „Weniger Verkehr würde weniger Stau auf der Autobahn bedeuten. Der Güterverkehr hätte freie Fahrt“, sagt sie. Für ein nachhaltiges Mobilitätskonzept müssten aber die planerischen Ressourcen gebündelt und Verkehrsräume länderübergreifend geplant werden. Ein weiterer Ausbau der Autobahn hingegen würde auch für mehr privaten Autoverkehr sorgen.