Kreis Pinneberg. Vergleich aller Erdgastarife im Kreis Pinneberg. Was die Werkleiter Kunden raten – und was sie von der Politik erwarten.
Der bisher teuerste Winter steht wie allen Deutschen auch den Energiekunden im Kreis Pinneberg bevor. Schon lange nicht mehr war Duschen, Heizen und Kochen so kostspielig wie heute. Alle Energieversorger erhöhen ihre Preise für Erdgas und Strom. Die Verbraucher müssen ein Mehrfaches zahlen, in der Kreisstadt Pinneberg etwa ab November fünfmal so viel wie heute. Aber alle Stadtwerke im Kreis reagieren auf die Energiepreis-Spirale und erwarten offene Zahlungsforderungen.
Energiekosten: Welche Stadtwerke im Kreis die Preise erhöhen
Der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Lehnert aus Bilsen fordert deshalb eine „sofortige Energiepreisbremse“ von der Ampel-Koalition in Berlin, Kanzler Olaf Scholz hat sie am Donnerstag angekündigt. Lehnert: „Wenn jetzt nicht schnell und entschlossen gehandelt wird, ist der soziale Frieden bedroht.“
Einige Werkleiter schließen sich dieser Forderung an. Andere setzten auf eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf sieben Prozent – „und zwar rückwirkend für das ganze Jahr“, wie Barmstedts Werkleiter Mathias Stolten. Alle kommunalen Versorger im Kreis rechnen mit erheblichen Einnahmeausfällen von bis zu zehn Prozent. Der Überblick:
Energiepreise: Stadtwerke Elmshorn fordern Senkung der Umsatzsteuer
Stadtwerke Elmshorn: Mit 14.000 Kunden in Elmshorn, Uetersen und Rellingen sind die Stadtwerke Elmshorn der größte kommunale Energieversorger im Kreis. Kunden müssen zum 1. Oktober 12,03 und 15,43 Cent (netto) für die Kilowattstunde Gas bezahlen. Pro Jahr sind das zwischen 2550 und 2800 Euro brutto für 20.000 kwh. Das sei noch nicht das Ende, warnt Geschäftsführer Sören Schuhknecht: „Aufgrund der dramatisch gestiegenen Beschaffungskosten insbesondere in den vergangenen Monaten nach Kriegsbeginn in der Ukraine sind weitere Preisanpassungen unvermeidbar.“ Zurzeit würden dafür mögliche Produktänderungen geprüft und neu kalkuliert.
Schuhknecht rechnet mit „erheblichen Forderungsausfällen“, wie er sagt. „Für Teile unserer Gesellschaft geht es derzeit und künftig um ihre Lebensgrundlage.“ Hier gelte es, „gezielt den betroffenen Menschen zu helfen, damit es nicht zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft kommt.“ Der in England, Frankreich und den Niederlanden bereits eingeführte und von der Bundesregierung nun angekündigte Preisdeckel müsse seiner Ansicht nach EU-weit eingeführt werden, um Wirkung zu erzielen.
Besser aber wäre die Senkung der Umsatzsteuer auf Strom und Gas, weil das eher den Bedürftigen zu Gute käme. „Hier bietet sich die Orientierung an der Höhe der Umsatzsteuer bei Trinkwasser an.“ Zudem müsste der Bund „das prall gefüllte Konto der EEG-Umlage“ an die Bundesbürger ausschütten, das bereits 17 Milliarden Euro schwer sei.
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Energiepreise: Stadtwerke Pinneberg hoffen auf Preissenkung im Frühjahr
Stadtwerke Pinneberg: Zurzeit kostet der Gastarif für die 11.000 Kunden in der Kreisstadt knapp unter sechs Cent je Kilowattstunde. Das wird sich in einem Monat ändern, wenn mit 29,6 Cent/kwh fast das Fünffache fällig wird. Der Jahresbetrag für 20.000 kwh von zurzeit noch 1515 bis 1543 Euro (brutto) erhöht sich dann auf etwa 7600 Euro für das Heizen. „Wir hoffen, dass der Höhepunkt der Preisentwicklung erreicht ist und wir unsere Preise bestenfalls zum Frühjahr wieder senken können“, sagt Vertriebsleiter Marek Wilken. Einen Preisdeckel einzuführen, hält er „für eine geeignete Maßnahme“.
Stadtwerke Wedel: Die Stadtwerke Wedel versorgen zurzeit 9404 Kunden mit Erdgas. Zum 1. Oktober werden die Gastarife für die 2600 Kunden in der Grundversorgung auf rund 19 Cent/kwh brutto verdoppelt. Damit müssen diese statt bisher 1910 Euro nun 3883 Euro zahlen, wenn sie 20.000 kwh im Jahr verbrauchten.
Für die Kunden im Sondertarif Elbflamme pur fällt die Erhöhung mit 44 Prozent zum 1. Oktober auf 9,73 Cent/kwh moderater aus, was rund 2030 Euro brutto im Jahr bei 20.000 kwh Verbrauch bedeutet. Allerdings wird ab Dezember auch hier mit einer drastischen Erhöhung gerechnet, sagt Jessica Geßner von den Stadtwerken. „Dann erfolgt die Anpassung an das Marktniveau.“
Bei kleinen Einkommen hilft wohl auch Verzicht nicht
„Falls es der Bundesregierung nicht gelingt, schnell Lösungen umzusetzen, die zu sinkenden Energiepreisen führen, werden schon in naher Zukunft immer mehr Kunden Schwierigkeiten haben, ihre Rechnungen zu bezahlen, sei es für Nahrung, Miete oder Fahrzeugunterhalt“, warnt die Assistentin der Geschäftsführung. „Da Wohnung, Licht und Wärme kaum verzichtbare Lebensgüter sind, ist davon auszugehen, dass zwangsweise in anderen Lebensbereichen gespart werden muss.“ Besonders kritisch werde es für Menschen mit geringem Einkommen oder kleiner Rente, für die „auch Verzicht nicht hilft, Rechnungen bezahlen zu können.“
Um bedürftige Kunden vor kalten Wohnstuben zu bewahren, böten die Stadtwerke Wedel ihnen bereits Ratenzahlungen als Tilgungsoption auf die offenen Forderungen an, um Sperrungen zu vermeiden, so Jessica Geßner. Im Übrigen würden nicht nur die Endverbraucher unter der Energiepreisexplosion leiden. „Schon jetzt nehmen Gewerbe und Industrie in Deutschland schweren Schaden – mit noch kaum absehbaren Folgen für die gesamte Volkswirtschaft.“
Stadtwerke in der Region haben selbst mit Kosten zu kämpfen
Stadtwerke Quickborn: Bei einem Gastarif von 16,4 bis 17,4 Cent/kwh (brutto) kostet der Verbrauch von 20.000 kwh dort jetzt 3460 bis 3670 Euro im Jahr. Er und seine Leute seien zurzeit voll und ganz damit beschäftigt, „das umzusetzen, was die Bundesregierung uns beschert hat“, sagt Werkleiter Panos Memetzidis. Deren Aufgabe dürfe es nicht nur sein, den Gaslieferanten Uniper mit einer milliardenschweren Umlage abzusichern. „Wer rettet die Stadtwerke?“, fragt sich Memetzidis.
Stadtwerke Tornesch: Die 2800 Gaskunden der Stadtwerke in Tornesch müssen zurzeit moderate 13,47 Euro Cent/kwh für den Gastarif zahlen, sodass sie im Jahr auf 2760 Euro brutto an Heizkosten bei einem Verbrauch von 20.000 kwh kommen. Ob das so bleibt, ist fraglich. Stadtwerke-Sprecher Thomas Schlichtkrul sagt: „Aktuell können wir die Preise stabil halten. Früher oder später wird allerdings eine Anpassung notwendig sein.“
Tornescher Stadtwerkeleiter hält nichts vom Gaspreisdeckel
Auch er rechne mit Einnahmeausfällen im Winter von bis zu zehn Prozent, so Schlichtkrul. Seine Prognose ist, dass der jetzige „Preisschock“ mittelfristig durch die Anlieferung von Flüssiggas kompensiert wird und bis Ende 2024 wieder Gastarife von unter zehn Cent/kwh möglich sind. Vom Preisdeckel hält er wenig. „Gas ist ein knappes Gut. Das ist grundsätzlich richtig, auf Märkten passiert so etwas. Eine Entlastung darf nur bei Existenzgefährdung geleistet werden, alles andere würde den Markt ad absurdum führen.“
Den Verbrauchern rät der Stadtwerke-Sprecher, „Energie zu sparen, damit wir genug Erdgas für die Industrie und damit für die Sicherung unserer Arbeitsplätze zur Verfügung haben.“ Es gelte, einer Gasmangellage vorzubeugen, „um uns selbst finanziell zu entlasten durch weniger Verbrauch und auch sinkende Preise durch geringere Nachfrage zu erzwingen.“
Energiepreise: Stadtwerke Barmstedt planen aktuell keine Erhöhung
Stadtwerke Barmstedt: Bei den Stadtwerken Barmstedt zahlen die 2700 Erdgaskunden in Barmstedt zwischen 16,61 und 17,30 Cent/kwh, sodass sie bei einem Verbrauch von 20.000 kwh im Jahr 3465 und 3600 Euro brutto zahlen müssten. „Konkret ist keine Erhöhung geplant“, teilt Stadtwerke-Sprecherin Irina Hesselink mit. „Allerdings ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der Preisentwicklungen am Energiemarkt eine Erhöhung nötig werden könnte.“
Auch sie rechne mit Einnahmeausfällen im Winter. Die Stadtwerke Barmstedt böten ihren Kunden schon seit längerem präventive Hilfestellung an, wie sie Energie einsparen und Kosten senken könnten, so Hesselink. Das reiche von umfangreichen Energiespartipps bis zu Energieberatungen. „Neu ist eine illustrierte Übersicht mit Hinweisen zum achtsamen Umgang mit Gas. Ein Grad weniger Raumtemperatur senke etwa die Kosten schon um 6 Prozent.
Mit zusätzlichen Preissprüngen wird schon zum Jahreswechsel gerechnet
Sie hoffe – wie wohl auch die meisten Verbraucher – auf einen milden Winter. Wenn er aber genauso kalt wie der vor zwei Jahren werden sollte, „ist mit zusätzlichen Preissprüngen an den Märkten zu rechnen.“ Darum halte sie „gezielte staatlich finanzierte Entlastungen“ für wichtig, die den „besonders betroffenen Erdgasverbrauchern“ zugutekommen. „Ein achtsamer Umgang mit Energie bliebe auch bei einem Preisdeckel geboten, damit alle – Haushalte und Unternehmen – gemeinsam gut durch den Winter kommen.“
Gemeindewerke Halstenbek: Bei den Gemeindewerken Halstenbek reicht die Preisspanne zurzeit von 8,55 bis 29,5 Cent/kwh (netto), teilt Werkleiter Andreas Halberschmidt mit. Im günstigsten Tarif zahlen die Kunden somit bei 20.000 kwh Verbrauch einen Bruttopreis von 1958 Euro im Jahr, wobei Halberschmidt dabei die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent gesenkt hat. Bei 19 Prozent wären das etwa 2180 Euro.
Energiepreise: Kosten für Gas und Energie könnten langfristig hoch bleiben
Auch das werde nicht so bleiben, kündigt Halberschmidt an. „Zum Jahreswechsel gehen wir bei den aktuellen Preisentwicklungen von einer Preiserhöhung aus.“ Die Kalkulation sei aber noch nicht abgeschlossen. Auch er rechne mit Einnahmeausfällen im Winter, wenn die Leute mit geringen Einkommen an die Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit stießen.
Darum plädiert der Werkleiter dafür, „die Kunden in den unteren Einkommensbereichen zeitnah und ausreichend finanziell zu unterstützen“, so Halberschmidt. „Wegen vieler Unsicherheiten über die Versorgungssituation sind die Preise extrem gestiegen, auch für die Folgejahre nach 2023.“