Kreis Pinneberg. Seit 1. September gelten neue Energiesparverordnungen des Bundes. Was sich für Geschäftsleute im Kreis Pinneberg ändert.

Am 1. September sind die neuen Energiesparverordnungen des Bundes in Kraft getreten. Die Maßnahmen betreffen den Einzelhandel – auch in Pinneberg. Künftig ist es verboten, die Türen von beheizten Geschäftsräumen offen zu halten, der Betrieb von beleuchteten Werbeanlagen von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages ebenfalls. Gebäude dürfen nicht mehr von außen beleuchtet werden. Aber: Schaufenster können auch weiterhin illuminiert bleiben.

Energiekrise: Neue Sparverordnung des Bundes tritt in Kraft

Olaf Geisler, Inhaber des Pinneberger Geschäfts Brille und Kunst, stört sich kaum an der Verordnung. Er sagt: „In der kalten Jahreszeit bleibt die Tür sowieso zu.“ Damit würde lediglich dem gesunden Menschenverstand gefolgt. Als Bevormundung empfinde er die Maßnahmen auch nicht. Er versuche, vorerst gelassen zu bleiben – auch wenn das bei den Energiepreisen schwer falle. Die Mehrwertsteuersenkung für Gas sei allerdings nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Olaf Geisler, Inhaber von Brille und Kunst, bleibt vorerst noch gelassen.
Olaf Geisler, Inhaber von Brille und Kunst, bleibt vorerst noch gelassen. © Henrike von Usslar | Henrike von Usslar

Einen Widerspruch sieht er: „Wie sollen wir lüften, wenn die Corona-Zahlen wieder höher sind?“ In seinem Geschäft werde Wert auf Corona-Schutzmaßnahmen gelegt, es sollten noch Masken getragen werden. Denn bei der Brillen-Anprobe oder einer Sehanalyse sei der Abstand zwischen Kunde und Optiker sehr gering. Er unterstreicht: „Ich kann es mir nicht leisten, den Laden zu schließen.“

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion Schleswig-Holstein lehnt die neue Bundesverordnung dagegen vehement ab. Sie bezeichnet die Maßnahmen sogar als „willkürliche staatliche Eingriffe“. Der Landesvorsitzende Stefan Lange sagt: „Wir brauchen keine Vorgaben des Staates, sondern Entlastungen und Planungssicherheit.“ Ein großer Teil der Einzelhändler leide noch an den Folgen der Corona-Maßnahmen. „Die Umsätze im stationären Einzelhandel liegen noch immer unter dem Vorkrisenniveau“, betont Lange. Deswegen fordere der Verbund die Abschaffung der Gasumlage und eine Senkung der Energiesteuer auf Erdgas, Strom, Heizöl und Flüssiggas.

Handelsverband Nord hätte sich Appelle statt Verbote gewünscht

Auch der Handelsverband Nord schreibt auf seiner Homepage: „Gerne hätten wir statt der Verbote Appelle des Verordnungsgebers erreicht.“ Der Einzelhandel spare aus eigenem Antrieb ohnehin viel Energie. Zudem gebe es in der Verordnung noch Widersprüche. So werde nicht geklärt, wie zum Schutz gegen Corona gelüftet werden solle.

Grundsätzlich gegen die Maßnahmen ist der Verband allerdings nicht, denn er hat Plakate mit der Aufschrift „Tür zu Geschäft offen. Mit der geschlossenen Tür sparen wir Energie und freuen uns drinnen auf Sie“. Diese Plakate können kostenlos heruntergeladen und an der Tür aufgehängt werden.

Energiesparen: Geschäftsleute im Kreis Pinneberg haben Verständnis

Beate Gesing vom Modegeschäft Livet hält die Maßnahmen für sinnvoll, auch weil so Einheitlichkeit geschaffen werde. Natürlich sei es bei Laufkundschaft vorteilhaft, die Tür offen zu lassen. Mit Blick auf die Energiesparverordnung sagt sie zuversichtlich: „Die Kunden gewöhnen sich daran.“ Die Corona-Regeln seien schließlich auch zügig umgesetzt worden. „Im Moment ist es wichtig, Energie zu sparen“, sagt sie.

Beate Gesing vom Modegeschäft Livet macht abends immer das Licht aus.
Beate Gesing vom Modegeschäft Livet macht abends immer das Licht aus. © Henrike von Usslar | Henrike von Usslar

Die Corona-Maßnahmen müssten dahinter zurückstecken. Ausreichend Luftaustausch entstehe ohnehin durch das Kommen und Gehen der Kunden. Zusätzliches Lüften sei nicht erforderlich, zumal es im Einzelhandel kaum Infektionen gegeben habe. Der im Geschäft vorhandene Abstand sei ausreichend. Ihre Schaufensterbeleuchtung mache sie nach Ladenschluss schon immer aus. Weitere staatliche Energiesparverordnungen oder finanzielle Unterstützung hält sie vorerst nicht für notwendig: „Jeder kann Maßnahmen für sich selbst treffen.“ Die Plakate des Handelsverbandes hält sie für eine gute Idee – und kann sich vorstellen, selbst eines aufzuhängen.

Energiekrise bereitet vielen Geschäftsinhabern Sorgen

Anke Markmann, Inhaberin der Buchhandlung Bücherwurm, wundert sich ebenfalls, dass geschlossene Türen vorgeschrieben sind, und zum Schutz vor Corona nicht mehr gelüftet werden kann. „Wenn ich länger im Laden bin, trage ich schon lieber eine Maske“, sagt sie. Im September möchte sie deswegen noch nicht heizen, aber dafür die Tür offen lassen.

Anke Markmann vom Bücherwurm möchte im September nicht heizen.
Anke Markmann vom Bücherwurm möchte im September nicht heizen. © Katja Engler | Katja Engler

Sie macht sich zurzeit eher Sorgen wegen der steigenden Energiepreise – und über die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Aufgrund der Buchpreisbindung könne sie als Reaktion auf höhere Energiekosten die Preise nicht einfach erhöhen. Doch falls die Verlage dies machen würden, sei das wegen der Finanzlage der Kunden nicht zwingend hilfreich. „Grundschüler gehen mit 100 Euro Kosten raus, wenn sie Bücher für ein Schuljahr kaufen“, erzählt sie.

Petra Reimann, Inhaberin des Keks-Backstübchens in der Dingstätte, weiß nicht, wie sie reagieren soll: „Wir sind eine offene Manufaktur, wir müssen lüften.“ Geheizt werde ohnehin kaum, durch die Öfen sei es immer warm. „Ich versuche einfach nur meinen Laden am Leben zu halten“, sagt sie.