Kreis Pinneberg. Wie die Diakonie-Stiftung und andere kirchliche Träger mit ungewöhnlichen Ideen neue Wege im sozialen Wohnungsbau finden.
Für benachteiligte, arme und kranke Menschen gibt es seit Jahrzehnten zu wenig Wohnraum: „Wir bewegen uns in einem Hamsterrad“, sagt Andrea Makies vom Diakonischen Werk Hamburg-West/Südholstein, „es ist wahnsinnig schwierig“. Das zeigen auch die Sitzungen der Stadtentwicklungs-Ausschüsse, wo deutlich wird, dass bei Neubauvorhaben meist hart um einen Anteil an Sozialwohnungen gerungen wird, den die Investoren so klein wie möglich halten wollen. Angesichts der aktuellen Baukostensteigerungen sagen viele sowieso schon: „Lohnt sich nicht.“
Kreis Pinneberg: Was für den sozialen Wohnungsbau getan wird
Diesen Tatsachen blicken am deutlichsten Menschen ins Auge, die durch ihre Arbeit täglich mit der Not konfrontiert sind. Menschen wie Peter Diekmann, Leiter der sozialen Wohnraumhilfe in Pinneberg. Sein zehnköpfiges Team und er begleiten in Not geratene Menschen vorerst ambulant. Steht jemand von jetzt auf gleich auf der Straße, hält die Stadt zwei Not-Wohnungen bereit. Im Katharina-von-Bora-Haus an der Bahnhofstraße können Menschen, die auf der Straße landen, warm duschen und ihre Wäsche waschen. Ehemalige Obdachlose unterzubringen – da gebe es große Hemmnisse für Vermieter, sagt Michael Benthack vom Kirchenkreis Hamburg-Schleswig-Holstein und zuständig für kirchliche Immobilien.
Vor einigen Jahren hat der Kirchenkreis deshalb beschlossen, selber aktiv zu werden. Nach dem schönen Motto „Wohnen unterm Kirchturm“ hatte Benthack in Norderstedt ein neues kleines Gemeindehaus und rings herum viele neue Wohnungen gebaut. 24 sind für Menschen mit Behinderung, es gibt eine Demenzwohngruppe und weitere 40 seniorengerechte Wohnungen. „Das machen wir an ganz vielen Standorten. Damit beleben wir den Ort, haben eine weitere Einnahmequelle, um beispielsweise einen Organisten zu bezahlen“, so Benthack.
Wohnungen speziell für Frauen, die psychisch belastet sind
Ein weiteres Beispiel nennt er aus dem Hamburger Westen, wo auf dem freien Grundstück nach Abriss des ehemaligen Gemeindehauses Frauen-Folgewohnungen gebaut wurden. Das sind Wohnungen für Frauen, die psychisch belastet sind und meist aus den Frauenhäusern kommen. Hier wurde ein multifunktionaler Gemeinschaftsbereich eingeplant. Das Besondere: Das Projekt wurde zu 75 Prozent gestiftet, die Nutzung der neuen Häuser mit Zeitraum und Personengruppe notariell festgeschrieben. Ein Stifter hat dafür 3,4 Millionen Euro gegeben. Er fühle sich gut mit dieser Lösung, denn „es bleibt etwas von ihm auf der Erde, was positiv weiterwirkt“, so Benthack.
Mit der momentan festgelegten Miete von 6,90 Euro pro Quadratmeter lasse sich ein solches Bauvorhaben nicht realisieren: „Das geht nur gestiftet“, denn üblich seien auf dem freien Markt 17 Euro Miete pro Quadratmeter.
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Kreis Pinneberg: Innovative Projekte gegen die Wohnungsnot
Auch der Pinneberger Pastor Harald Schmidt von der Lutherkirche ist glücklich über „ein sehr gutes Projekt neben dem Gemeindehaus am Kirchhofsweg“.. Die Familie, die dort zwei schlichte Einfamilienhäuser besessen habe, habe der Gemeinde etwas Gutes tun wollen und ihr ein Vorkaufsrecht für die Immobilien eingeräumt. Jetzt würden sie für die Jugendarbeit und für die Zusammenarbeit mit der sozialen Wohnraumhilfe der Diakonie genutzt.
Ohne die Großzügigkeit der Vorbesitzer wären die darin entstandenen Wohnungen nicht da: Oben ist eine 2,5-Zimmer-Wohnung für alleinerziehende Elternteile entstanden, unten zwei 1,5-Zimmer-Wohnungen für je eine Person. Finanziell sei das ganze Projekt „sehr auf Kante genäht. Es ist nur dadurch gelungen, dass viele Menschen zusammengestanden haben“, so Schmidt. Eigentlich sollen die Wohnungen als Zwischenlösung dienen. „Das lässt sich aber wegen der Wohnungsnot nicht umsetzen. Wir haben deshalb keine Fluktuation“, sagt Schmidt. Die Immobilien in Schuss zu halten, ohne dass sich hauptamtliche Betreuer um die dort lebenden Menschen kümmern – das sei ganz schön fordernd.
Kreis Pinneberg: Wer besonders von Wohnungsnot betroffen ist
Wie schwierig es ist, Menschen in besonderen Lebenssituationen unterzubringen – davon kann auch Bernd Hannemann ein Lied singen. Der Sozialökonom ist Vorstand bei der Diakoniestiftung Schleswig-Holstein. „Es ist ein großes Elend“, sagt er. „Ein Drittel der Haftentlassenen oder Suchtkranken landen in Schleswig-Holstein in der Wohnungslosigkeit. Diese Menschen haben keine Chance, bezahlbaren Wohnraum zu bekommen.“
Um solchen „Menschen mit besonderen Bedarfen“ zu helfen, hat sich die Stiftung etwas einfallen lassen. Ebenfalls mit Hilfe einer weiteren Stiftung, nämlich der Hempelstiftung, hat sie beispielsweise in Kiel zwei Immobilien mit zwölf Wohnungen erworben, in denen jetzt ehemals wohnungslose Menschen leben. Hannemann begrüßt sehr, dass das Ministerium eine „einmalig gute Förderrichtlinie“ entwickelt hat, die hierbei sehr hilfreich gewesen sei. Sie impliziert einen Zuschuss von 25 Prozent an den Erstellungskosten, außerdem wird ein Darlehen gewährt, das über 20 Jahre zinslos läuft.
Wohnungen für arme Menschen sollen keine „Kaninchenställe“ sein
In ähnlicher Konstruktion baut die Diakonie-Stiftung darüber hinaus in Schleswig 15 und in Kiel neun Wohnungen. „Das sollen keine gestapelten Kaninchenställe werden, sondern Wohnungen, in denen sich Menschen zu Hause fühlen“, sagt Hannemann.
Das Ziel sei, einen Impuls zu setzen: „Wir möchten zeigen, dass es geht, wenn wir zusammenstehen mit mehreren Partnern. Wir möchten andere motivieren, uns zu folgen, und wir hoffen, dass die Landesregierung diesen Topf nicht wieder schließt.“
Da es nur mit großen gemeinsamen Anstrengungen möglich sei, solche Wohnungen überhaupt zu schaffen, fordert er „freie Fahrt für gemeinnützige Wohnprojekte. Denn es ist unglaublich, was da alles zu überwinden ist.“ Michael Benthack nickt dazu. Ja, das kennt er. Er versuche, in Uetersen ein ähnliches Projekt zu realisieren. Es scheitere aber wahrscheinlich daran, dass im Zuge dessen Kita-Plätze und Stellplätze vorgehalten werden müssten. Und das, obwohl dort wahrscheinlich Menschen ohne Auto wohnen werden. „Es ist einfach zu viel Bürokratie im Spiel. Wir verlieren ja ohnehin schon so viel Geld durch Inflation und Verzögerungen“, sagt er.
Kreis Pinneberg: Ideen für den Bau von Sozialwohnungen
Hannemann pflichtet ihm bei: „Der Staat müsste uns den Weg freiräumen. Auch bei der Umnutzung von Gebäuden brauchen wir mehr Freiheit.“ Rolf Beyer, Gründer des kirchlichen „Bauwerks“ und von der Kirchenkreissynode Norderstedt, möchte 20 Wohnungen in Pinneberg mit Betreuungsraum schaffen. „Das Problem sind die hohen Baukosten. Auch die Genehmigung ist noch offen.“ In Norderstedt hat er neun neue Wohnungen bereitstellen können, sieben davon werden von Frauen aus Frauenhäusern bewohnt.
Andrea Makies sagt: „Wir würden sehr gern auch in Pinneberg ein Wohnungsprogramm auf die Beine stellen. Wir haben aber kein Grundstück. Wenn jemand, der etwas Gutes tun möchte, bereit wäre, eines an uns abzugeben, wären wir ein sehr verlässlicher Partner.“
Kontakte: Andrea Makies, Diakonisches Werk HH-West/Südholstein T. 040/558 220-132 und Bernd Hannemann, Diakonie-Stiftung, Telefon 04331/59 34 10.