Quickborn. Auf dem Gelände der früheren Sprengstoffwerke in Quickborn entstehen dank zwei Investoren 42 Wohneinheiten.

Es ist eines der ungewöhnlichsten und historisch besonders belegten Neubaugrundstücke im Kreis Pinneberg. Zwei Investoren aus Bönningstedt und Hasloh, Enno Gebensleben und Eckhard Stapelfeld, wollen das rund drei Hektar große Gelände der ehemaligen Sprengstoffwerke Thorn und Glückauf in Quickborn-Heide für 42 neue Wohneinheiten erschließen. Hier am Ende der Theodor-Storm-Straße, wo vor 105 Jahren im ersten Weltkrieg durch eine plötzliche Explosion vermutlich 400 der damals 2000 Mitarbeiterinnen ums Leben kamen, sollen 26 Einfamilienhäuser, zwei Doppelhäuser und zwölf Sozialwohnungen errichtet werden.

Es ist eine sehr aufwendige und teure Erschließung für diese seit Jahrzehnten weitgehend brachliegende Industriefläche, die nach dem Krieg als Schrott- und Müllplatz diente und von Autowerkstätten genutzt wurde. Daher rührt auch die erhebliche Bodenbelastung, die jetzt gutachterlich begleitet und vom Kreis Pinneberg beaufsichtigt dazu führt, dass das gesamte Gelände von Gehölzen befreit und vollständig oberflächig abgetragen wird.

Sanierungskosten für Boden auf rund 1,4 Millionen Euro geschätzt

30.000 Tonnen belastete Erde werden ausgetauscht, die „erhöhte Konzentrationen für Blei und Benzo(a)pyren als bewertetes Parameter der Stoffgruppe der Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) aufweisen“, teilt die Kreisverwaltung dazu mit. 2013 sei das Gelände bezüglich seiner Bodenbelastung systematisch untersucht worden, indem acht Mischproben aus der Fläche entnommen und zusätzlich die auf dem Gelände liegenden „Halden“ beprobt wurden. „Im Ist-Zustand geht nach derzeitiger bodenschutzrechtlicher Einstufung keine Gefahr von dem Gelände in der Theodor-Storm-Straße in Quickborn aus“, betont Kreissprecherin Katja Wohlers.

Ein eigens dafür angefertigtes Gutachten schätzt die Sanierungskosten dafür allein auf rund 1,4 Millionen Euro. Die Stadtverwaltung hat dafür den Bebauungsplan 56 erarbeitet, dessen Einzelheiten zurzeit in den städtischen Gremien beraten werden. „Ein wesentliches Entwicklungsziel für den Stadtteil Quickborn-Heide Ost ist laut rechtskräftigem Flächennutzungsplan (2001) die Abrundung und der teilweise Umbau des Stadtteils zu einem qualitativ anspruchsvollen Wohnstandort mit geringen Bebauungsdichten“, heißt es dazu in der Begründung.

Die beiden Investoren mussten einen langen Atem haben

Zudem soll entlang des Awo-Kindergartens Zwergenvilla, der an das Baugrundstück grenzt, eine neue Rad- und Fußwegverbindung in Nord-Süd-Richtung angelegt werden. 1000 Quadratmeter ihres Baugrundstücks stellen die Investoren der Stadt kostenfrei zur Verfügung, um hier weitere Kita-Plätze zu schaffen. Die verkehrliche Anbindung wird über die Theodor-Storm-Straße erfolgen, die hier als Sackgasse endet. Aus Sicht der Stadtplanung werde sich die geplante Bebauung an die bestehende Nachbarschaft verträglich einfügen.

So sahen einmal die Quickborner Sprengstoffwerke aus, die auf diesem Gelände 1917 in die Luft flogen.
So sahen einmal die Quickborner Sprengstoffwerke aus, die auf diesem Gelände 1917 in die Luft flogen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die Erschließung des Neubaugebiets soll über die Theodor-Storm-Straße und ergänzend über den Hermann-Löns-Weg erfolgen, was auch an der Kreuzung zur Ulzburger Landstraße verkehrlich unproblematisch sei, stellt ein weiteres Gutachten fest. „Es ergeben sich gute bis sehr gute Verkehrsqualitäten. Umbaumaßnahmen an den Einmündungen sind nicht erforderlich.“ Zurzeit würden täglich etwa 1500 Fahrzeuge hier entlang fahren. Eine Verkehrsbelastung, die durch das Neubaugebiet und die geplante Kita um etwa 400 Fahrzeuge erhöht werden könnte.

Die beiden Investoren Gebensleben und Stapelfeld, die sich beruflich mit Bauprojekten auskennen, mussten einen langen Atem haben. Bereits im Jahr 2013 hatten sie das Gelände der früheren Munitionsfabrik vom damaligen Eigentümer erworben. Um es wie jetzt geplant mit einem neuen B-Plan zu erschließen, sei sehr viel Überzeugungsarbeit in Verwaltung und Politik notwendig gewesen, sagt Unternehmer Stapelfeld. „Der Vorbesitzer hatte offensichtlich sehr viel verbrannte Erde hinterlassen.“ Ihre ursprüngliche Planung, bis zu 100 neue Wohneinheiten zu schaffen, wurde im Laufe der Gespräche auf die jetzt geplanten 42 reduziert.

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Grundstückspreise jenseits von 600 Euro je Quadratmeter

Die Grundstücksgrößen sollen zwischen 540 und 920 Quadratmetern liegen. Die Grundstückspreise dürften sich aufgrund der hohen Erschließungskosten jenseits von 600 Euro je Quadratmeter bewegen, erklären die Investoren. Ende des Jahres sollen die ersten Grundstücke verkauft werden, kündigt Mitinvestor Gebensleben an. „80 Kaufinteressenten gibt es bereits.“ Die Häuser würden keinen Erdgasanschluss erhalten, sondern sollten mit Luftwärme- oder Erdwärmepumpen beheizt werden. Die historische Mauer, die das gesamte Gelände umschließt, wird abgetragen.

Wie das Neubaugebiet hier künftig heißen wird, muss die Ratsversammlung entscheiden. Eine Reminiszenz an die bewegte Historie dürfte dabei eine Rolle spielen. So war es am frühen Morgen des 10. Februar 1917 in dieser Munitionsfabrik zu einer gewaltigen Explosion gekommen, die nach neueren Recherchen der Quickborner Geschichtswerkstatt auf einen Schlag bis zu 400 Menschen, fast ausschließlich Frauen, die aus Hamburg hier zur Arbeit kamen, das Leben gekostet hat. Für 107 der verunglückten Fabrikarbeiterinnen gab es Grabstätten und steht ein Mahnmal auf dem alten Friedhof in der Quickborner Innenstadt.

„Es war gerade Schichtwechsel, was die hohe Zahl der Opfer erklärt“, sagte dazu Irene Lühdorff von der Geschichtswerkstatt. Drei Lazarettzüge voll mit Verletzten sollen in die nächste Klinik nach Hamburg gefahren sein. Die Ursache des Unglücks konnte ebenso wenig aufgeklärt werden wie die genaue Zahl der Opfer, die zwischen 215 und 400 gelegen haben soll.