Helgoland. Andres leitet seit 2011 das Museum der Hochseeinsel. Bis zu seinem Ruhestand im Frühjahr gibt es noch viel zu tun.
Außer Atem kommt Jörg Andres ins Museum gehetzt. Gerade hatte der Museumsleiter noch eine Besprechung im Rathaus, wie es mit den Exponaten in Depot weitergehen soll. Das war vollgelaufen, nachdem in der Nacht vom 17. zum 18. August Rekordmengen Regen auf Helgoland fielen. Innerhalb kürzester Zeit liefen hunderte Keller auf der Insel voll, auch im Depot des Museums am Nord-Ost-Gelände. Dort stand im Keller der Nordseehalle das Wasser bis zu 25 Zentimeter hoch.
Helgoland: Museumsdepot der Nordseeinsel überflutet
Exponate in den unteren Regalen wurden beschädigt. „Eine Katastrophe“, sagt er. Einige Dokumente sind unwiederbringlich verloren, andere konnten gerettet werden. Auch die kostbaren Glasplatten des Helgoländer Fotografen Franz Schensky wurden nass. Mittlerweile ist die Auslegware überall im Archiv herausgerissen worden. In jedem Raum brummen die Heizgeräte vor sich hin. Nun müssen die Exponate in einem Containerdorf, in das die Rathausmitarbeiter während der Sanierung der Verwaltung umgezogen waren, zwischengelagert werden, bis alles getrocknet und der Fußboden erneuert werden kann.
Dabei hat Jörg Andres schon mit der Einrichtung des Bunkerstollens alle Hände voll zu tun. Die Eröffnung der neuen Ausstellung verzögert sich. Einige technische Anlagen sind noch irgendwo auf Containerschiffen unterwegs. Trotz des Stresses nimmt sich Jörg Andres Zeit für einen Rundgang durch das Museum Helgoland.
Alles neu hier. Während des Lockdowns wurde die Ausstellung neu konzipiert und komplett umgebaut. Mehrere Monate hat das gedauert, ehe sie im Sommer 2021 wieder öffnen konnte.
Helgoland: Im Museumshof stehen nachgebaute Hummerbuden
Die Wände haben eine neue Farbgebung. Eine Horizontlinie verbindet die einzelnen Themen und führt die Besucher durch die Geschichte der Insel. Zu sehen sind Hummerbuden und Börteboote, Helgoländer Trachten und Köpfe der Insel. Es sei ein Rundgang durch die Geschichte der Insel, der in der Zukunft endet, sagt Andres. So wird auch Helgolands Weg zum grünen Wasserstoff gezeigt. Wie sah früher das Leben der Insulaner aus? In der Nordseehalle finden Besucher Antworten.
Vor dem Museum befindet sich der Museumshof mit original nachgebauten Hummerbuden. Er entstand 2006 und wird laufend erweitert. Themen sind der Kinderbuchautor James Krüss, der Inselfotograf Franz Schensky und seine beeindruckenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen, das Postwesen und der Seebäderdienst der Reederei Cassen Eils. Im Leuchtturm im Hof wird die Geschichte der Seenotrettung thematisiert.
Der Bau wurde 2008 begonnen und ein Jahr später wurde die Blüse aufgesetzt und die Malerarbeiten vollendet. Am Eingang zum Museumshof befindet sich das Modell einer englischen 12.000-Pfund-Bombe in Originalgröße.
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Helgoland: Das sind die Lieblingsstücke des Museumsleiters
Zu seinen Lieblingsstücken gehört das Börteboot „Eta Elisabeth“. „Es ist das älteste erhaltene Exemplar. Es wurde 1890 gebaut“, sagt Andres. Damals noch ohne Motor, wurde gerudert, wenn es mit dem viereinhalb Tonnen schweren Eichenboot zum Fischen aufs Meer ging oder Gäste ausgebootet wurden. Auch daran hängt sein Herz: eine Wollmütze. Sie gehörte einst James Krüss. „Es lässt mich an meine Kindheit denken und macht Freude“, sagt der 65-Jährige. „James hat so toll fabuliert und mit seinen Geschichten so viel Positives in die Welt gebracht.“
Jörg Andres wird am 31. März seinen letzten offiziellen Arbeitstag haben. Dann will er für drei Monate die Insel verlassen, um den Kopf frei zu kriegen und um Freunde auf dem Festland zu besuchen, für die er in den vergangenen Jahren zu wenig Zeit hatte.
Und dann? „Irgendwas Kulturelles“, sagt er. Zeitlich begrenzte Projektarbeit könne er sich gut vorstellen. Und dann gibt es da ja auch noch eine große Patchwork-Familie mit sechs Kindern und vier Enkeln. Noch pendelt die Lebensgefährtin zum Arbeiten aufs Festland. Das Paar will aber auf Helgoland wohnen bleiben.
Helgolands Museumsleiter ist seit 27 Jahren auf der Nordseeinsel
Vor 27 Jahren zog es Jörg Andres von Hamburg-Bergedorf auf das Eiland. Seit 1998 engagierte er sich ehrenamtlich im Förderverein des Museums, später sorgte der ehemalige technische Mitarbeiter in der Nordseehalle hauptberuflich dafür, dass bei Veranstaltungen alles rund lief. Nachdem der damalige Vorsitzende des Fördervereins, Jürgen Geuther, das Amt aus persönlichen Gründen abgegeben hatte, wurde die Arbeit des Museums in die Hände von Jörg Andres gelegt. Seit 2011 ist er der Leiter des Museums Helgoland – so wurde das Hobby Geschichte schließlich sogar zum Beruf. Er und sein Team bauten ein historisches Archiv für Helgoland auf und erweiterten die Multimedia-Aktivitäten.
Sein Nachfolger soll Ende September, spätestens aber Anfang Oktober gefunden sein. Dann bleibt noch genügend Zeit für eine Übergabe. Da sich die Themenbereiche von der Frühgeschichte bis in die Neuzeit Helgolands erstrecken, werden „fundierte Kenntnisse in museumsrelevanten Bereichen“ erwartet, gern mit abgeschlossenem Hochschulstudium etwa in Volkskunde, Geschichte oder Geowissenschaft, wie es in der Stellenausschreibung heißt. Alles Voraussetzungen, die der gelernte Fußbodenleger Andres nicht mitbrachte. Dafür aber ein großes Interesse für Geschichtliches und 25 Jahre Helgoland-Studium, wie der Seiteneinsteiger heute sagt.
Helgoland Museum präsentiert einen Riesenbernstein
Ein paar Stufen tiefer befindet sich die geologische Abteilung mit Kupferscheiben, Fossilien und den einzigartigen roten Feuersteinen, die allesamt auf Helgoland gefunden wurden. Hier befinden sich die ältesten Ausstellungsstücke. Die Fossiliensammlung stammt von Hans Stühmer, einem Gesteins- und Fossiliensammler und Hobby-Archäologen auf Helgoland. Hinter Glas ist auch ein 792 Gramm schwerer Bernstein zu sehen. Ein Hamburger hatte das besonders große Exemplar 2019 am Strand gefunden, den der Förderverein des Museums für 3500 Euro gekauft hat.
Ein Höhepunkt seiner Laufbahn war auch das Steinkistengrab. Einer Museumsbesucherin aus Helgoland fiel das Ausstellungsstück, das 1893 auf Helgoland gefunden wurde, auf der Berliner Museumsinsel auf. Sie machte Jörg Andres auf das Relikt der Bronzezeit aufmerksam. Andres beschloss, eine 1:1-Replik herstellen zu lassen und diese vor seinem Museum auf der Insel auszustellen. Das Vorhaben kostete 80.000 Euro und wurde vom Museum Helgoland, von der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein und privaten Sponsoren finanziert. Am 30. August 2014 wurde die Replik der Steinkiste von Helgoland vor dem Museum Helgoland der Öffentlichkeit vorgestellt.