Quickborn/Itzehoe. Im KZ-Prozess gegen Irmgard F. sagt zum zweiten Mal Bruno D. aus, der in Stutthof Wachdienst verrichtete. Was er berichtet.

Sie ist 97, er 96 Jahre alt. Sie, die heute in Quickborn lebt, verschriftlichte als Stenotypistin die Anweisungen des Lagerkommandanten im KZ Stutthof, er unterband auf dem Wachturm Fluchtversuche der KZ-Häftlinge. Am Dienstag trafen beide bereits zum zweiten Mal vor dem Landgericht in Itzehoe aufeinander – Irmgard F. als Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen, Bruno D. – er ist für seine Verwicklung in den Holocaust seit 2020 rechtskräftig verurteilt – als Zeuge der Anklage.

KZ-Prozess: Ehemaliger Stutthof-Wachmann vor Gericht

Bereits am 7. Juni, dem 20. Prozesstag in dem Mammutverfahren, hatte Bruno D. Rede und Antwort stehen müssen. Jetzt, am mittlerweile 25. Verhandlungstag, konnte er seine Aussage beenden und auch Fragen der Nebenklagevertreter beantworten. Dabei präsentierte der Zeuge erneut zwei Gesichter. Teilweise erwies er sich als sehr gesprächig und konnte sich genau an bestimmte (meist weniger wichtige) Details erinnern, in anderen Punkten gab er deutlich weniger preis als er es etwa in seinem eigenen Verfahren vor dem Hamburger Landgericht, wo er zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden war, getan hatte.

Deutlich wurde bei dem Zeugen sein Bemühen, seine Beteiligung an dem Geschehen herunterzuspielen. „Ich war einfacher Soldat“, gab er auf eine Frage an und erläuterte auf Nachfrage, sein Dienstgrad sei „Schütze“ gewesen. Sein Gewehr habe er seit der Ausbildung „nie mehr benutzt“. Damit machte Bruno D., der von Sommer 1944 bis Ende April 1945 im KZ Stutthof Wachdienst leistete, klar: Er habe nie auf Häftlinge geschossen.

KZ-Prozess: Was der ehemalige Wachmann zu berichten hat

Eigentlich, so gab der Zeuge an, habe er kaum Kontakte zu den Lagerinsassen gehabt. Dies sei auch verboten gewesen. „Wenn wir uns mit Häftlingen eingelassen hätten, wären wir auch ins Lager gekommen.“ Zwei Mal habe er auch Häftlinge zu einem Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers begleitet und dabei einmal „ein großes Risiko“ auf sich genommen, weil er Häftlinge unbewacht zum Austreten in den Wald gehen ließ und ihnen danach gestattete, Fleisch von einem Pferdekadaver abzuschneiden und dieses ins Lager zu schmuggeln.

Entgegen seinen Aussagen in dem Verfahren in Hamburg blieb Bruno D. auch bei seinem zweiten Auftritt als Zeuge in Itzehoe dabei, sich nicht mehr an den Gestank der im Krematorium und auf einem Scheiterhaufen verbrannten Leichen erinnern zu können. Dass es beide Stätten und auch eine Gaskammer in Stutthof gab, habe er gewusst. Doch was genau im Lager vorgegangen sei, „das habe ich nicht gewusst“. Im Nachhinein betrachtet sei dort Unrecht geschehen. „Ob mir das damals so bewusst war, weiß ich nicht.“

Stutthof-Prozess gegen Irmgard F. wird am Donnerstag fortgesetzt

Die Häftlinge seien in Streifenanzügen gekleidet gewesen, hätten „Nummern auf den Jacken“ gehabt. Doch was diese Nummern bedeuteten und welche möglichen Rückschlüsse auf den Haftgrund der Personen durch weitere Symbole möglich waren, will Bruno D. nicht gewusst haben. Auch an sogenannten weltanschaulichen Schulungen, bei denen auch die Wärter auf die Naziideologie eingeschworen wurden, erinnert sich der 96-Jährige nicht.

Dafür kann er sehr genau beschreiben, wann er Stutthof verließ (am 26. April 1945) und wie er auf einer Kleinbahn zur Halbinsel Hela fuhr und dort mit vielen Häftlingen in einem Schleppkahn nach Neustadt in Holstein übersetzte – die Häftlinge im Laderaum, „wir lagen oben drauf auf den Brettern“. Sieben Tage habe die Überfahrt gedauert, in Neustadt habe er kurz nach der Ankunft den Stutthof-Kommandanten Paul-Werner Hoppe ein letztes Mal gesehen. Dann sei die Stadt von den Amerikanern befreit worden.

Der Prozess wird Donnerstag fortgesetzt. Dann tritt erneut der historische Sachverständige Stefan Hoerdler auf.