Helgoland. Krankheit grassiert in der Saison. Etliche Nester auf Helgoland sind leer. Experten sind besorgt – nicht nur wegen des Virus.
So etwas hat Vogelforscher Elmar Ballstaedt noch nie erlebt. Es ist August und ruhig auf Helgoland. Brüteten sonst rund 1.600 Basstölpel-Paare am roten Felsen, sind in diesem Sommer viele Nester leer. „Es ist eine Katastrophe“, sagt der Stationsleiter des Vogelschutzvereins Jordsand.
Nordsee: Vögel leiden unter Ausbruch der Vogelgrippe
Zum ersten Mal ist in Deutschlands einziger Basstölpel-Kolonie die Vogelgrippe ausgebrochen. Mitten in der Brutzeit im Juli und August. „70 Prozent der Basstölpel-Brutnester sind mittlerweile verlassen“, schätzt Ballstaedt. Wie groß der Verlust tatsächlich ist, zeige sich erst 2023. „Dann sehen wir, wie viele Brutpaare wiederkommen.“
Seit Juli sammelt der 35-jährige Forscher bei seinen Rundgängen tote Vögel ein. Mindestens 170 verendete Jungvögel habe er bisher geborgen, die am Virus gestorben oder nach dem Tod eines Elternvogels verhungert seien, sagt Ballstaedt: „Vermutlich fliegen viele Altvögel aufs Meer und sterben dort.“ Besonders problematisch sei, dass die Nester eng nebeneinander liegen und sich die ansteckende Vogelgrippe leicht ausbreiten könne.
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Neben der Vogelseuche kämpfen die weißen Vögel auch mit der Umweltverschmutzung. Viele Seevögel sterben auf Helgoland durch Plastikmüll. In seiner aktuellen Forschungsarbeit hat Ballstaedt erstmals die Auswirkungen des Mülls auf Basstölpel und Trottellummen erforscht. Sein Ergebnis: „In allen Nestern der Basstölpel ist Plastik verbaut.“ Seit 2019 läuft das Forschungsprojekt des Vereins Jordsand in Kooperation mit dem Institut für Vogelforschung, dem Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel sowie dem Alfred-Wegener-Institut und der Gemeinde Helgoland.
Helgoland: Plastikmüll bedroht Seevögel immer stärker
Rund 70 Basstölpel und 100 Trottellummen seien in den Erfassungsjahren durch Plastikmüll gestorben. „Das sind mehr, als ich erwartet habe“, sagt Ballstaedt. Beim Füttern geraten Jungvögel und die Vogeleltern immer öfter in Plastikschnüre und verenden qualvoll. Hochgerechnet sterben rund fünf Prozent der Basstölpel durch Plastikmüll. „Das hört sich wenig an, kann aber weitreichende Folgen haben, vor allem wenn Altvögel betroffen sind.“ Stirbt ein Elternvogel, sei auch die Brut verloren.
Labor-Analysen ergaben, dass die meisten Plastikfasern von Schleppnetzen stammen. Die Forscher vermuten, dass die Vögel Kunststofffasern mit Algen verwechseln und in ihren Nestern verbauen. Durch die aktuell grassierende Vogelgrippe bekomme das Plastikmüll-Thema zusätzliche Brisanz. „Wenn der Bestand reduziert ist, bekommen die Verluste durch Plastikmüll möglicherweise eine viel größere Bedeutung“, so der Forscher. Schließlich zögen Basstölpel jeden Sommer nur ein Junges auf und könnten sich erst mit knapp vier Jahren fortpflanzen.